Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0168
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
112 Deutschlands Kunstschätze.
Berechtigung eines Moralpredigers hinaus! Wie wagt Jhr's, Monsiguore, mich an meiner unbe-
fleckten Ehre anzutasten ?"
„Habt Ihr die Herzogin von Parma und Piacenza, die edle Wittwe Odoardo's di Farnese,
als Venus gemalt? Das ist hier die Frage! Oder sagte Prinz Francesco die schändlichste Lüge,
als er durch jene Angabe das Weib seines verstorbenen Bruders zu Grunde zu richten strebte?"
„Was sagt Ihr! Was! Die Herzogin von Parma?"
„Olivia Passagieri war der Name, unter welchem sie sich hier verbarg, indeß sie sich bestrebte,
für den Todesfall des Herzogs Ranuzio ihrem Töchterlein die Thronfolge in den Herzogthümern,
wenigstens aber in Piacenza, zu sichern."
„Olivia!" rief Annibale, wie versteinert mit emporgehobenen Händen dastehend.
„Ja, mein Sohn! Prinz Francesco hatte seinen Vater durch ein Gewebe von Jntriguen gegen
die unglückliche Fürstin einzunehmen gewußt, daß er ihr den Zutritt zu ihm strengstens untersagt
Hatte. Ranuzio hat seine Schwiegertochter nie gesehen, denn zur Zeit der Vermälung Odoardo's
mit der Herzogin lag Ranuzio II. an der Gicht schwer darnieder. Die Maßregeln, welche
Odoardo inzwischen ergriffen hatte, um nach dem damals nahe scheinenden Tode Ranuzio's unge-
stört durch den Prinzen Francesco die Regierung zu ergreifen, haben den alten Herrn mit seinem
Erstgeborenen und nachmals mit dessen Gemalin entzweit, die der alte Herzog für die An-
stifterin von Odoardo's Schritten hielt... Es waren wohlwollende Freunde, welche der Her-
zogin riethen, sich schriftlich an Ranuzio zu wenden und ihre Bitten durch die Einsendung ihres
Bildnisses von Eurer Hand zu unterstützen ... Das ist geschehen und der alte Herzog war bereits
zu Gunsten seiner Enkelin Elisabetta, die er zu sehen verlangte, gestimmt, als Alles, was von der
Leichtfertigkeit, ja der Sittenlosigkeit der Herzogin je gelogen worden war, durch das von Euch
gemalte Venusbild bekräftigt wurde..."
„Wo ist mein Wamms! Wo mein Mantel und mein Hut? Großer Himmel, der alte Herzog
wird doch nicht sterben, bevor wir hinkommen?" rief Annibale fast außer sich. „Godefroy war hier
und schärfte mir ein, ja nicht nach der Farnesina zu gehen, wenn ich auch eingeladen werden sollte."
„Ah, dirdone!" murmelte der Jesuit, indeß sich auf seinen gelblich-grünlichen Wangen eine
Röthe zeigte. Er war zuerst für die Herzogin gestimmt und durch ihn ward Vitale Anguilola,
ihr Lieblingspage, bei Euch eingeführt; — dann aber hielt er sich beim Prinzen Francesco den
Rückzug offen! Er hat ihr und Francesco gedient und kann ziemlich ruhig erwarten, wer siegen wird!"
„O, jetzt verstehe ich Alles, Alles !" murmelte Carracci. „Mein armes Herz, wie beklag'
ich Dich, daß Du wähnen konntest, diese Göttin könne die Liebe eines armen Künstlers er-
wiedern!"
„Doch muß sie Euch geliebt haben, mein Sohn, sonst wäre sie nicht, um sich vor sich selbst zu
sichern, aus ihrem Asyl entflohen ..."
Beide, der Prälat und der Maler, machten sich aus und durchmaßen den langen Raum bis
zur Farnesina. Im Palast war noch Alles erleuchtet. Hier, wo sonst die tiefste Stille herrschte,
schien die Dienerschaft auf den Treppen und Corridoren ein Wettrennen anzustellen ...
Eiligst schritt der Jesuit die Stufen hinan, von dem keuchenden Annibale gefolgt.
Das Zimmer Ranuzio's war weit geöffnet.
Weihrauchdampf quoll den Ankommenden entgegen. Im Zimmer befanden sich, stehend und
 
Annotationen