Leonards da Vinci. 3
zulegen. Andrea erstaunte über so viel Talent, und veranlaßte Ser Piero, den Lionardo seine
Werkstatt besuchen zu lassen.
Wenn das Schicksal nun auch vorhat, sich im Uebrigen „hündisch" gegen die edelsten Creaturen
zu betragen, so Pflegt es doch so auserwählte Rüstzeuge, wie Lionardo, ausgesuchte Wege zu sichren,
um sie zum Höchsten, was sie leisten können, voll zu befähigen und zu ermuthigen. So hätte
Liouardo kaum in eine geeignetere Hand gegeben werden können, denn in diesem Verhältnisse
berührten sich zwei verwandte Naturen, so daß der Standpunkt des Lehrers als eine wirkliche
directe Vorbereitung für den Schüler zu betrachten ist. Andrea, der florentiner Sitte zufolge
nach seinem Vater di Michele genannt, zu Florenz 1432 geboren und 1488 gestorben, war ein
Schüler des Donatello und folgte ihm in seinem rücksichtslosen Naturalismus getreulich nach.
„Die Wirklichkeit des Lebens ohne höhere Auffassung geht ihm bisweilen über den Kopf." Gleich
seinem Lehrer von der Goldschmiedekunst ausgehend, wurde er eiuer der berühmtesten Bronze-
bildner Italiens. Auch verschiedeue Silberarbeiten für den Altar des florentiner Baptisteriums
rühren von seiner Hand her. Die Schärfe und Richtigkeit seines künstlerischen Blickes hatte ihm
den Beinamen Verocchio, Wahraug oder Scharfblick, eingetragen. Er soll zuerst den Gebrauch
eingesührt haben, einzelne Körpertheile zum Behuf des Studiums in Gyps abzuformen; und dieser
Gebrauch soll sodann Veranlassung geworden sein, daß man sich in solcher Weise Bildnisse der
Verstorbenen — Todtenmasken — erhalten habe.
Sein wichtigstes Werk in Bronze ist die kolossale Reiterstatue des venezianischen Feldherrn
Bartolommeo Colleone auf dem Platze vor der Kirche S. Giovanui e Paolo zu Venedig, von
Alessandro Leopardo gegossen, dem auch ein nicht ganz genau zu bestimmender Antheil an dem
Modell zukommt. Ju Florenz findet sich von ihm eine große Gruppe von Christus und Thomas
an Orsanmichele, und ein David im Museum.
Als Architekt und Dialer entfaltete er keine umfangreiche Thätigkeit, wurde aber namentlich
für die Malerei dadurch wichtig, daß er das Streben nach plastischer Ausbildung und Abrundung
der Formen im Anschluß an das sorgfältigste Naturstudium aus der Sculptur auch in die Zeich-
nung übertrug und auch nach anderen Richtungen der künstlerischen Technik eine wissenschaftliche
Begründung zu geben trachtete. Er vereinigte damit einen lebhaften Sinn namentlich für zarte
Frauenschönheit, und einige seiner Zeichnungen von Frauenköpfen sollen den jungen Lionardo in
hohem Maße angeregt und ihn zu wiederholten Nachbildungöversuchen veranlaßt haben. — Nur
ein ausgeführtes Gemälde Verocchio's hat sich erhalten, eine Tanfe Christi in der florentiner
Akademie. Einem glaubwürdigen Berichte Vasarüs zufolge rührt der eine der beiden Eugelköpfe
auf diesem Bilde von Lionardo her, der nach allgemeiner Sitte dem Meister bei plastischen un-
malerischen Arbeiten hülfreich zur Haud ging. Dieser Theil des Bildes ist aber so weitaws das
Schönste in demselben, daß, als Verocchio sich so von einem Schüler übertroffen sah, er das Malen
ausgegeben haben soll. Ja, er scheint sogar Lust und Muth verloren zu haben, an das Bild auch
nur noch die letzte Hand zu legen; wenigstens ist die Figur Johannis des Täufers unfertig geblieben.
Die Vorliebe Verocchio's für Thierstudien, besonders für Pferde, und seine große persönliche
Liebenswürdigkeit und Feinheit, die z. B. Giovanni Santi, der Vater Naphael's, in einem von
ihm erhaltenen Gedichte rühmt, boieu weitere Berührungspunkte zwischen ihm und Lionardo dar.
Zu den förderlichsten Einflüssen für diesen gehörte ferner der Verkehr und die spätere innige
1 *
zulegen. Andrea erstaunte über so viel Talent, und veranlaßte Ser Piero, den Lionardo seine
Werkstatt besuchen zu lassen.
Wenn das Schicksal nun auch vorhat, sich im Uebrigen „hündisch" gegen die edelsten Creaturen
zu betragen, so Pflegt es doch so auserwählte Rüstzeuge, wie Lionardo, ausgesuchte Wege zu sichren,
um sie zum Höchsten, was sie leisten können, voll zu befähigen und zu ermuthigen. So hätte
Liouardo kaum in eine geeignetere Hand gegeben werden können, denn in diesem Verhältnisse
berührten sich zwei verwandte Naturen, so daß der Standpunkt des Lehrers als eine wirkliche
directe Vorbereitung für den Schüler zu betrachten ist. Andrea, der florentiner Sitte zufolge
nach seinem Vater di Michele genannt, zu Florenz 1432 geboren und 1488 gestorben, war ein
Schüler des Donatello und folgte ihm in seinem rücksichtslosen Naturalismus getreulich nach.
„Die Wirklichkeit des Lebens ohne höhere Auffassung geht ihm bisweilen über den Kopf." Gleich
seinem Lehrer von der Goldschmiedekunst ausgehend, wurde er eiuer der berühmtesten Bronze-
bildner Italiens. Auch verschiedeue Silberarbeiten für den Altar des florentiner Baptisteriums
rühren von seiner Hand her. Die Schärfe und Richtigkeit seines künstlerischen Blickes hatte ihm
den Beinamen Verocchio, Wahraug oder Scharfblick, eingetragen. Er soll zuerst den Gebrauch
eingesührt haben, einzelne Körpertheile zum Behuf des Studiums in Gyps abzuformen; und dieser
Gebrauch soll sodann Veranlassung geworden sein, daß man sich in solcher Weise Bildnisse der
Verstorbenen — Todtenmasken — erhalten habe.
Sein wichtigstes Werk in Bronze ist die kolossale Reiterstatue des venezianischen Feldherrn
Bartolommeo Colleone auf dem Platze vor der Kirche S. Giovanui e Paolo zu Venedig, von
Alessandro Leopardo gegossen, dem auch ein nicht ganz genau zu bestimmender Antheil an dem
Modell zukommt. Ju Florenz findet sich von ihm eine große Gruppe von Christus und Thomas
an Orsanmichele, und ein David im Museum.
Als Architekt und Dialer entfaltete er keine umfangreiche Thätigkeit, wurde aber namentlich
für die Malerei dadurch wichtig, daß er das Streben nach plastischer Ausbildung und Abrundung
der Formen im Anschluß an das sorgfältigste Naturstudium aus der Sculptur auch in die Zeich-
nung übertrug und auch nach anderen Richtungen der künstlerischen Technik eine wissenschaftliche
Begründung zu geben trachtete. Er vereinigte damit einen lebhaften Sinn namentlich für zarte
Frauenschönheit, und einige seiner Zeichnungen von Frauenköpfen sollen den jungen Lionardo in
hohem Maße angeregt und ihn zu wiederholten Nachbildungöversuchen veranlaßt haben. — Nur
ein ausgeführtes Gemälde Verocchio's hat sich erhalten, eine Tanfe Christi in der florentiner
Akademie. Einem glaubwürdigen Berichte Vasarüs zufolge rührt der eine der beiden Eugelköpfe
auf diesem Bilde von Lionardo her, der nach allgemeiner Sitte dem Meister bei plastischen un-
malerischen Arbeiten hülfreich zur Haud ging. Dieser Theil des Bildes ist aber so weitaws das
Schönste in demselben, daß, als Verocchio sich so von einem Schüler übertroffen sah, er das Malen
ausgegeben haben soll. Ja, er scheint sogar Lust und Muth verloren zu haben, an das Bild auch
nur noch die letzte Hand zu legen; wenigstens ist die Figur Johannis des Täufers unfertig geblieben.
Die Vorliebe Verocchio's für Thierstudien, besonders für Pferde, und seine große persönliche
Liebenswürdigkeit und Feinheit, die z. B. Giovanni Santi, der Vater Naphael's, in einem von
ihm erhaltenen Gedichte rühmt, boieu weitere Berührungspunkte zwischen ihm und Lionardo dar.
Zu den förderlichsten Einflüssen für diesen gehörte ferner der Verkehr und die spätere innige
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