3ä Künstler-Biographien.
Vergewaltiger des Freistaates hatten die Gemüther furchtbar erregt. Selbst die humanistischen
Kreise waren von abergläubischen Vorstellungen nicht frei. Wie Hätte es ein Jüngling von noch
lückenhafter Bildung wie Michelangelo fein sollen, zumal in einer Sache, bei der die Empfindung
so lebhaft mitsprach, und der Wunsch, das Verderben abwenden zu können, das Trngbild der
Gefahr in's Endlose vergrößerte?
Nach einem hohnlachend abgewiefenen Versuche Cardiere's, Piero zu warnen, beschloß Michel-
angelo, sich der peinlichen Entscheidung, für die Republik gegen feine Wohlthäter zu stehen oder
mit ihnen gegen jene zu fallen, durch die Flucht zu entziehen. Mit zwei Freunden ritt er nach
Venedig. Dort zwang seine schwindende Baarschaft der kleinen Gefellschaft den Entschluß auf,
nach Florenz zurückzukehren. Man kam bis Bologna. Hier wurde Michelangelo in sehr bedräng-
ter Lage mit einem Mitgliede des Rathes Mesfer Gianfrancesco Aldovrandi bekannt, der ihn
als Bildhauer in fein Haus lud. Die Freunde schickte Michelangelo mit dem Reste feines Geldes
nach Hanse. Er aber übernahm die Vollendung einer Sculptnrarbeit in S. Domenico. Auf den
Sarg des Heiligen von Nicolo Pisano sollten zwei knieende Figuren gesetzt werden. Eine Hatte
Nicolo Schiavi, ein Bolognese, vor seinem Tode bis auf die Gewandung ansgeführt; um zwölf
Ducaten beendete Michelangelo diese Arbeit, um achtzehn weitere lieferte er die zweite Figur, einen
knieenden Engel, der einen Leuchter in den Händen hält, ein Werk von bezaubernder Lieblichkeit,
namentlich in dem holden, sanft geneigten Köpfchen.
Aber der noch heute mit Recht verrufene Künstlerneid damals durch Zunftbeschränkung und
Kirchthurmpatriotismus gesteigert und geheiligt, trieb ihn vom Orte. Die Bolognesischen Bild-
hauer meinten sich verkürzt durch den zwanzigzährigen hergelaufenen Florentiner, es kam zu Dro-
hungen, und Michelangelo wich.
Er fand in Florenz, wohin er sich zurückbegab, die Medicäer vertrieben, Savonarola, den er
hoch verehrte, im höchsten Ansehen, die Zustände sehr erregt. Ein Vetter der Medici, Lorenzo,
der es jetzt mit der Volkspartei hielt, gab ihm Arbeit. Für ihn fertigte Michelangelo einen Hei-
ligen Giovannino, d. H. einen heiligen Johannes in kindlichem Alter. Im Juli 1495 sollte
im Palazzo vecchio der Saal für das Oou8i§lio Z-ruuäo auf Savonarola's Dräugen ausgebaut
werden. Michelangelo wurde dabei zu Rathe gezogen. Daneben arbeitete er auf eigene Rechnung
einen Cupido in Marmor, den er im Schlafe liegend als etwa siebenjähriges Kind darstellte.
Diese Beschäftigung des Winters 1495—96, namentlich der Stoff des letzteren Werkes,
zeigt, wie frei schon damals Michelangelo im Geiste war. Obgleich der Lehre Saverarola's eifrig
zugethan, dergestalt, daß er noch im hohen Alter dessen Schriften las, blieb er doch von der asceti-
schen Anwandlung gänzlich unangefochten, die viele der namhaftesten Künster ihr edelstes Schaffen
als Teufclswerk verachten, sich von der Kunst zurückziehen und ihre schönsten Werke bei dem berühm-
ten Carnaval Savonarola's vom Jahre 1496 freiwillig den Flammen übergeben ließ. Das Große,
Zukunftreiche in der Lehre des gewaltigen Predigers, das Vielen ganz entging, erkannte er; über
die Beschränktheit äußerlicher Extravaganzen sah er mit dem freien Blick einer kommenden Epoche
als über Nebendinge Hinweg. Jede Einseitigkeit war für ihn unmöglich.
Als im Frühjahr 1496 der schlummernde Amor fertig wurde, war Lorenzo Medici (oder
Popolani, wie er sich jetzt nannte,) ganz entzückt von der Arbeit, und leitete seinen Schützling au,
durch Täuschung einen hohen Preis für die Statue zu erzielen: wenn Michelangelo dem Stein
Vergewaltiger des Freistaates hatten die Gemüther furchtbar erregt. Selbst die humanistischen
Kreise waren von abergläubischen Vorstellungen nicht frei. Wie Hätte es ein Jüngling von noch
lückenhafter Bildung wie Michelangelo fein sollen, zumal in einer Sache, bei der die Empfindung
so lebhaft mitsprach, und der Wunsch, das Verderben abwenden zu können, das Trngbild der
Gefahr in's Endlose vergrößerte?
Nach einem hohnlachend abgewiefenen Versuche Cardiere's, Piero zu warnen, beschloß Michel-
angelo, sich der peinlichen Entscheidung, für die Republik gegen feine Wohlthäter zu stehen oder
mit ihnen gegen jene zu fallen, durch die Flucht zu entziehen. Mit zwei Freunden ritt er nach
Venedig. Dort zwang seine schwindende Baarschaft der kleinen Gefellschaft den Entschluß auf,
nach Florenz zurückzukehren. Man kam bis Bologna. Hier wurde Michelangelo in sehr bedräng-
ter Lage mit einem Mitgliede des Rathes Mesfer Gianfrancesco Aldovrandi bekannt, der ihn
als Bildhauer in fein Haus lud. Die Freunde schickte Michelangelo mit dem Reste feines Geldes
nach Hanse. Er aber übernahm die Vollendung einer Sculptnrarbeit in S. Domenico. Auf den
Sarg des Heiligen von Nicolo Pisano sollten zwei knieende Figuren gesetzt werden. Eine Hatte
Nicolo Schiavi, ein Bolognese, vor seinem Tode bis auf die Gewandung ansgeführt; um zwölf
Ducaten beendete Michelangelo diese Arbeit, um achtzehn weitere lieferte er die zweite Figur, einen
knieenden Engel, der einen Leuchter in den Händen hält, ein Werk von bezaubernder Lieblichkeit,
namentlich in dem holden, sanft geneigten Köpfchen.
Aber der noch heute mit Recht verrufene Künstlerneid damals durch Zunftbeschränkung und
Kirchthurmpatriotismus gesteigert und geheiligt, trieb ihn vom Orte. Die Bolognesischen Bild-
hauer meinten sich verkürzt durch den zwanzigzährigen hergelaufenen Florentiner, es kam zu Dro-
hungen, und Michelangelo wich.
Er fand in Florenz, wohin er sich zurückbegab, die Medicäer vertrieben, Savonarola, den er
hoch verehrte, im höchsten Ansehen, die Zustände sehr erregt. Ein Vetter der Medici, Lorenzo,
der es jetzt mit der Volkspartei hielt, gab ihm Arbeit. Für ihn fertigte Michelangelo einen Hei-
ligen Giovannino, d. H. einen heiligen Johannes in kindlichem Alter. Im Juli 1495 sollte
im Palazzo vecchio der Saal für das Oou8i§lio Z-ruuäo auf Savonarola's Dräugen ausgebaut
werden. Michelangelo wurde dabei zu Rathe gezogen. Daneben arbeitete er auf eigene Rechnung
einen Cupido in Marmor, den er im Schlafe liegend als etwa siebenjähriges Kind darstellte.
Diese Beschäftigung des Winters 1495—96, namentlich der Stoff des letzteren Werkes,
zeigt, wie frei schon damals Michelangelo im Geiste war. Obgleich der Lehre Saverarola's eifrig
zugethan, dergestalt, daß er noch im hohen Alter dessen Schriften las, blieb er doch von der asceti-
schen Anwandlung gänzlich unangefochten, die viele der namhaftesten Künster ihr edelstes Schaffen
als Teufclswerk verachten, sich von der Kunst zurückziehen und ihre schönsten Werke bei dem berühm-
ten Carnaval Savonarola's vom Jahre 1496 freiwillig den Flammen übergeben ließ. Das Große,
Zukunftreiche in der Lehre des gewaltigen Predigers, das Vielen ganz entging, erkannte er; über
die Beschränktheit äußerlicher Extravaganzen sah er mit dem freien Blick einer kommenden Epoche
als über Nebendinge Hinweg. Jede Einseitigkeit war für ihn unmöglich.
Als im Frühjahr 1496 der schlummernde Amor fertig wurde, war Lorenzo Medici (oder
Popolani, wie er sich jetzt nannte,) ganz entzückt von der Arbeit, und leitete seinen Schützling au,
durch Täuschung einen hohen Preis für die Statue zu erzielen: wenn Michelangelo dem Stein