42 Knnkler-Diographikn.
Den Sommer, während dessen Lionardo die Anghiarischlacht zeichnete, verbrachte Michelangelo
mit Arbeiten, deren er eine Menge übernommen hatte und von Termin zu Termin schuldig blieb.
Da erhielt er im Herbst den Auftrag, mit dem unbestritten ersten Maler Italiens, eben mit jenem
Lionardo da Vinci, in die Schranken zu treten; er, der noch so gut wie Nichts gemalt Hatte! Eine
zweite Wand in dem großen Rathssaale, in dem Lionardo bereits mit der Ausführung seines Cartons
begann, wurde ihm zu einer umfangreichen historischen Composition eingeräumt. Er wählte eine
Episode aus den zahllosen Kriegen der Florentiner gegen die Pisaner, und zwar einen Ueberfall der
Ersteren durch den Kriegsunternehmer Hawkwood, genannt Arguto, im Dienste der Letzteren. Die
Florentiner hatten die Rüstung abgelegt und sich im Arno gebadet; da eilt Manno Donati berbei
und verkündet die drohende Gefahr. Alles eilt an's Ufer und in die Waffen. Das ist der Moment
in Michelangelo's Carton der badenden Soldaten. Hier war Gelegenheit, in gewagten
Stellungen und schwierigen Verkürzungen nackter kräftiger Leiber förmlich zu schwelgen. Der
Carton wurde das Muster einer Legion von Nachahmern, die — freilich sehr zum Schaden der
Kunst — das für den Zweck nahmen, was einem Michelangelo nur Mittel, ungesuchtes, selbstver-
ständliches Mittel gewesen. Die Composition ist nur durch eine ganz ungenügende kleine Copie
bekannt; denn der Originalcarton ist gleich dem der Anghiarischlacht verloren; und ausgeführt
wurde dies Werk fo wenig wie das früher in Angriff genommene des Lionardo.
Der Cardinal von S. Pietro in Vincoli Giulio della Rovere, ein von Leidenschaften zer-
rissener Mann mit einem zerstörten Körper, aber eine gewaltige Natur, Herrschsüchtig, jähzornig, aber
von natürlichem Großstnn, hatte als Julius II. den päbstlichen Thron bestiegen. Er wollte ein
Gedächtniß seines Namens stiften; und wirklich hat selten ein Mann die Entstehung so vieler an-
sehnlicher Kunstwerke veranlaßt und einen solchen auserlesenen Kreis der hervorragendsten zeit-
genössischen Kräfte um sich versammelt und an sich gefesselt, wie Julius II. Giuliano da San
Gallo und Bramante, die berühmten Baumeister, zog er zuerst heran; dieser machte ihn auf
seinen hoffnungsreichen jungen Neffen Raphael, jener schon früher auf die Riesenkraft des
Michelangelo aufmerksam.
Rom hatte irr Bezug auf die moderne Kunst bis da von den Brocken gelebt, die von der reich-
befetzten Tafel des nördlichen Italiens, besonders von Florenz, abfielen. Jetzt sollte es ein all-
vereinigender, Alles überstrahlender Mittelpunkt werden. Michelangelo wurde nach Rom berufen
Er kann damals kaum den Carton im Großen begonnen haben. Hundert Ducaten Reisegeld wur-
den ihm sofort eingehändigt. Anfangs 1505 war er bereits in Rom; aber der Pabst kam vor
lauter Ideen zu keinem Plan. Endlich beschloß er, mit einer riesigen monumentalen Begräbnisstätte
für sich selbst in St. Peter zu beginnen.
Michelangelo's schnell entworfener Plan fand Beifall, und er selbst sollte den passenden Platz
in der Basilica von St. Peter aussuchen. Er empfahl zu dem Zweck die von Pabst Nicolaus V.
1450 begonnene neue Tribuna auszubauen und das Monument da hinein zu stellen. Die Kosten
veranschlagte er aus 100,000 Scudi. „Sagen wir 200,000", rief Giulio jubelnd aus; und damit war
der Plan genehmigt. Aus dem Ausbau der Tribuna aber wurde nichts minderes als der Bau der neuen
Peterskirche, die die alte Basilica verdrängte, und die zunächst Bramante, nach ihm Raphael
zu errichten beauftragt wurde, und die endlich Michelangelo selbst nach eigenem Plane aufführte
Mit 1000 Ducaten ging Michelangelo nach Carrara, um die benöthigten Marmorblöcke für
Den Sommer, während dessen Lionardo die Anghiarischlacht zeichnete, verbrachte Michelangelo
mit Arbeiten, deren er eine Menge übernommen hatte und von Termin zu Termin schuldig blieb.
Da erhielt er im Herbst den Auftrag, mit dem unbestritten ersten Maler Italiens, eben mit jenem
Lionardo da Vinci, in die Schranken zu treten; er, der noch so gut wie Nichts gemalt Hatte! Eine
zweite Wand in dem großen Rathssaale, in dem Lionardo bereits mit der Ausführung seines Cartons
begann, wurde ihm zu einer umfangreichen historischen Composition eingeräumt. Er wählte eine
Episode aus den zahllosen Kriegen der Florentiner gegen die Pisaner, und zwar einen Ueberfall der
Ersteren durch den Kriegsunternehmer Hawkwood, genannt Arguto, im Dienste der Letzteren. Die
Florentiner hatten die Rüstung abgelegt und sich im Arno gebadet; da eilt Manno Donati berbei
und verkündet die drohende Gefahr. Alles eilt an's Ufer und in die Waffen. Das ist der Moment
in Michelangelo's Carton der badenden Soldaten. Hier war Gelegenheit, in gewagten
Stellungen und schwierigen Verkürzungen nackter kräftiger Leiber förmlich zu schwelgen. Der
Carton wurde das Muster einer Legion von Nachahmern, die — freilich sehr zum Schaden der
Kunst — das für den Zweck nahmen, was einem Michelangelo nur Mittel, ungesuchtes, selbstver-
ständliches Mittel gewesen. Die Composition ist nur durch eine ganz ungenügende kleine Copie
bekannt; denn der Originalcarton ist gleich dem der Anghiarischlacht verloren; und ausgeführt
wurde dies Werk fo wenig wie das früher in Angriff genommene des Lionardo.
Der Cardinal von S. Pietro in Vincoli Giulio della Rovere, ein von Leidenschaften zer-
rissener Mann mit einem zerstörten Körper, aber eine gewaltige Natur, Herrschsüchtig, jähzornig, aber
von natürlichem Großstnn, hatte als Julius II. den päbstlichen Thron bestiegen. Er wollte ein
Gedächtniß seines Namens stiften; und wirklich hat selten ein Mann die Entstehung so vieler an-
sehnlicher Kunstwerke veranlaßt und einen solchen auserlesenen Kreis der hervorragendsten zeit-
genössischen Kräfte um sich versammelt und an sich gefesselt, wie Julius II. Giuliano da San
Gallo und Bramante, die berühmten Baumeister, zog er zuerst heran; dieser machte ihn auf
seinen hoffnungsreichen jungen Neffen Raphael, jener schon früher auf die Riesenkraft des
Michelangelo aufmerksam.
Rom hatte irr Bezug auf die moderne Kunst bis da von den Brocken gelebt, die von der reich-
befetzten Tafel des nördlichen Italiens, besonders von Florenz, abfielen. Jetzt sollte es ein all-
vereinigender, Alles überstrahlender Mittelpunkt werden. Michelangelo wurde nach Rom berufen
Er kann damals kaum den Carton im Großen begonnen haben. Hundert Ducaten Reisegeld wur-
den ihm sofort eingehändigt. Anfangs 1505 war er bereits in Rom; aber der Pabst kam vor
lauter Ideen zu keinem Plan. Endlich beschloß er, mit einer riesigen monumentalen Begräbnisstätte
für sich selbst in St. Peter zu beginnen.
Michelangelo's schnell entworfener Plan fand Beifall, und er selbst sollte den passenden Platz
in der Basilica von St. Peter aussuchen. Er empfahl zu dem Zweck die von Pabst Nicolaus V.
1450 begonnene neue Tribuna auszubauen und das Monument da hinein zu stellen. Die Kosten
veranschlagte er aus 100,000 Scudi. „Sagen wir 200,000", rief Giulio jubelnd aus; und damit war
der Plan genehmigt. Aus dem Ausbau der Tribuna aber wurde nichts minderes als der Bau der neuen
Peterskirche, die die alte Basilica verdrängte, und die zunächst Bramante, nach ihm Raphael
zu errichten beauftragt wurde, und die endlich Michelangelo selbst nach eigenem Plane aufführte
Mit 1000 Ducaten ging Michelangelo nach Carrara, um die benöthigten Marmorblöcke für