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Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 2) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.62335#0285
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Michtlüttgelo. 51
zu übernehmen. Er fügte sich, aus Liebe zu Gott allem, wie er sagte, und ohne allen irdischen
Lohn. Er erhielt volle unbeschränkte Machtvollkommenheit, zu walten, wie er es für gut befände;
eine erste Gehaltsrate, die ihm der Pabst schickte, wies er zurück, wie jener sich auch sträuben
mochte. Michelangelo hatte mit dem Irdischen nichts mehr zu thun. Er wollte noch eine Arbeit voll-
bringen, an der, bloß die Letzten und Größten zu nennen, Bramante, Raphael, San Gallo zu Gruude
gegangen waren, und die durch das viele Jneinanderarbeiten verschiedener Baumeister in eine der-
artige Verwirrung gekommen war, „daß nur ein Gewaltmensch wie Michelangelo sie zu einer befriedi-
genden Löfung zu bringen vermochte". Thatsächlich nach Form und Geist errichtete er der mittel-
alterlichen Kirche hier ihr Grabdenkmal, wenn dieselbe auch gewagt hat, noch im neunzehnten Jahr-
hundert darin dem geistigen Fortschritt der Menschheit Kieselsteine in den Weg zu werfen.
Er gab für den Grundriß gleich San Gallo dein lateinischen Kreuz (mit einem längern
Schenkel) den Vorzug, ging sonst aber auf den ursprünglichen Entwurf Bramante's zurück, der den
!unleugbaren Vorzug hatte, die Kuppel auch in der Nähe zu ihrer vollen Wirknug zu bringen.
Leider wurde später seine künstlerische Absicht durch den Fayadenbau Madernas vereitelt, der die
Kuppel nur in der Ferne den Bau beherrschend zur Geltung kommen läßt.
Michelangelo arbeitete rastlos und trotz der Neider und Verläumder mit Anerkennung auch
unter dem neuen Pabste Julius III. von 1549 an. Seiue Briefe geben rührendes Zeugniß von
der Resignation, mit der er auf das öde gewordene Leben und feine sinkenden Kräfte blickte. Und
doch, was vermochte er mit diesen sinkenden Kräften noch zu schaffen! Denn der Riesenbau der
Peterskirche ließ ihm Muße, im Todesjahre Paul's III. noch die beiden großen Frescobilder
der Capella Paolina des Vaticaus zu vollenden, Petri Kreuzigung und Pauli Bekehrung, auch
übernahm er die Vollendung des von Sau Gallo begonnenen Palazzo Farnese. Ein großer Verän-
derungsplan, d^n er damit in Verbindung brachte, wurde leider nicht ausgesührt. Doch die imposante
Anordnung des Capitols wurde wesentlich nach seiner Angabe hergestellt. Auch fallen in die Jahre
1550—59 die Pläne zur Kirche S. Giovanni de' Fiorentiui, der Nationalkirche seiner zwar
beharrlich gemiedenen, aber immer heiß geliebten Vaterstadt zu Rom. Die Vereitelung des
Baues war einer der bekümmernißvollsten Fehlschläge seines Lebens. Er hatte drei oder gar fünf
Entwürfe zur Auswahl eingesandt; und da die Florentiner einen der reichsten wählten, sagte er
in seiner Freude: „Wenn sie diesen wirklich ausführten, so würden weder Griechen noch Römer etwas
Aehnliches aufzuweisen haben; — Worte, setzt Vasari hinzu, wie sie Michelangelo weder vorher noch
nachher wieder gesprochen, denn er war sehr bescheiden. — Auch ein plastischesWerk schuf er uoch
1550, die Gruppe der Kreuzabnahme, die jetzt im Dom zu Floren; unter der Kuppel steht
Er wurde immer lebensmüder, so rüstig er auch an dem Petersdome weiter arbeitete. Als er
beim Anrücken der spanischen Heere auf Rom 1556 in die Gebirge von Spoleto gewichen war,
schrieb er heimgekehrt: „Ich habe in diesen Tagen mit großen Beschwerden und Kosten, aber mit gro-
ßem Vergnügen die Einsiedler in den Bergen von Spoleto besucht, so daß ich nur mit Halbem Her-
zeu nach Rom heimgekehrt bin; denn wahrlich, nur in den Wäldern findet inan Frieden." Und
als im selben Jahre sein treuer Diener Urbino mit Tode abgegangen war, klagte er: „Sechsund-
zwanzig Jahre habe ich ihn bei mir gehabt, und habe ihn herrlich und treu erfunden; und nun, da
iich ihn reich gemacht hatte und hoffte, er solle Stab und Hüter meines Alters werden, ist er mir
entrückt, und bleibt mir keine Hoffnung, als ihn im Paradiese wiederzusehen."

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