Gerard Terborg.
69
letzten etwaigen Flecke zu beseitigen. Darauf tritt — auf einem Bilde der münchener Pinakothek —
der Trompeter ein und überreicht den Brief; die Zofe macht ein böses Gesicht, die Dame zaudert;
natürlich nimmt sie schließlich den Brief doch. Hier fügt sich nun ein Bild im Museum des Haag
ein: der Officier hat noch den Brief in der Hand, den ihm der anwesende Trompeter zurückgebracht
Hat, da finden wir ihn schon im traulichen tets-ü-tete mit seiner Angebeteten. Aber „paßt auf,
jetzt kommt die Strafe". Allbekannt ist das reizende, mehrfach wiederholte, von Goethe in den
Wahlverwandtschaften treffend charakterisirte Bild „Die väterliche Ermahnung", dessen vermuthlich
ursprünglichstes Exemplar im amsterdamer, dessen besterhaltenes im berliner Museum ist; die
Zofe hat geplaudert, die gefällige Schöne erhält nun eine Strafpredigt in bester Form, die sie in
reizender Verschämtheit mit anhört. — Die anmuthige vom Rücken gesehene Gestalt, die weltberühmt
ist, findet sich noch einmal allein in der dresdener Galerie, und ein klein wenig anders motivirt
(als Briefleserin) auf einem Bilde der Petersburger Eremitage.
Weiteres anzuführen mangelt der Raum. Terburg's Composition ist fließend, seine Bewegung
gefällig, sein Gesichtstypus nicht sonderlich schön, aber von einer gewissen Anmuth und Lieblichkeit,
seine Zeichnung sehr sicher und rein. Sein Farbenauftrag ist pastos, die Ausführung sehr sorg-
fältig, doch nicht peinlich, das Colorit fein und harmonisch. Den Hauptlichtpunkt bildet gern eine
Dame in weißem Atlas. „Die Atlasrobe", sagt W. Bürger, „gehört dem Terburg. Er hat allen
Uebrigen den Atlas geliefert, dem Metsu, dem Mieris, auch dem Wouverman für seine vornehmen
Reiterzüge, ja selbst dem Jan Steen, dessen schönen Liebeskranken das Atlaskleid so reizend steht."
Doch nicht nur das: er hat das ganze Genre geliefert, er ist der Bahnbrecher nnd zugleich der
größte Meister seiner besonderen Gattung.
Von seinen Bildnissen soll nur sein Selbstportrait als Bürgermeister — im Museum des
Haag — erwähnt werden, und dann der schon angedeutete „Congreß zu Münster", die siebzig
versammelten Diplomaten darstellend, Alle die Hand zum Schwur erhoben. Das malerisch be-
greiflicherweise sehr unwirksame Bild (wenn man zumal noch die durchweg schwarze Tracht Hinzu-
denkt) ist durch seine historische Beziehung und die meisterhafte Ausführung der Köpfe auf der viel-
berufenen S. Donato-Auction zu Paris 1868 der Gegenstand eines verzweifelten Kampfes geworden
und endlich für 183,000 Frcs. — man konnte nicht erfahren, wem — zugeschlagen worden. Jüngst
ist es der londoner National-Galerh, die damals selbst bis 180,000 Frcs. mitgeboten Hatte, —
als 'Geschenk angeboteu worden. L. N.
Deutschlands Kunstschätze. II.
18
69
letzten etwaigen Flecke zu beseitigen. Darauf tritt — auf einem Bilde der münchener Pinakothek —
der Trompeter ein und überreicht den Brief; die Zofe macht ein böses Gesicht, die Dame zaudert;
natürlich nimmt sie schließlich den Brief doch. Hier fügt sich nun ein Bild im Museum des Haag
ein: der Officier hat noch den Brief in der Hand, den ihm der anwesende Trompeter zurückgebracht
Hat, da finden wir ihn schon im traulichen tets-ü-tete mit seiner Angebeteten. Aber „paßt auf,
jetzt kommt die Strafe". Allbekannt ist das reizende, mehrfach wiederholte, von Goethe in den
Wahlverwandtschaften treffend charakterisirte Bild „Die väterliche Ermahnung", dessen vermuthlich
ursprünglichstes Exemplar im amsterdamer, dessen besterhaltenes im berliner Museum ist; die
Zofe hat geplaudert, die gefällige Schöne erhält nun eine Strafpredigt in bester Form, die sie in
reizender Verschämtheit mit anhört. — Die anmuthige vom Rücken gesehene Gestalt, die weltberühmt
ist, findet sich noch einmal allein in der dresdener Galerie, und ein klein wenig anders motivirt
(als Briefleserin) auf einem Bilde der Petersburger Eremitage.
Weiteres anzuführen mangelt der Raum. Terburg's Composition ist fließend, seine Bewegung
gefällig, sein Gesichtstypus nicht sonderlich schön, aber von einer gewissen Anmuth und Lieblichkeit,
seine Zeichnung sehr sicher und rein. Sein Farbenauftrag ist pastos, die Ausführung sehr sorg-
fältig, doch nicht peinlich, das Colorit fein und harmonisch. Den Hauptlichtpunkt bildet gern eine
Dame in weißem Atlas. „Die Atlasrobe", sagt W. Bürger, „gehört dem Terburg. Er hat allen
Uebrigen den Atlas geliefert, dem Metsu, dem Mieris, auch dem Wouverman für seine vornehmen
Reiterzüge, ja selbst dem Jan Steen, dessen schönen Liebeskranken das Atlaskleid so reizend steht."
Doch nicht nur das: er hat das ganze Genre geliefert, er ist der Bahnbrecher nnd zugleich der
größte Meister seiner besonderen Gattung.
Von seinen Bildnissen soll nur sein Selbstportrait als Bürgermeister — im Museum des
Haag — erwähnt werden, und dann der schon angedeutete „Congreß zu Münster", die siebzig
versammelten Diplomaten darstellend, Alle die Hand zum Schwur erhoben. Das malerisch be-
greiflicherweise sehr unwirksame Bild (wenn man zumal noch die durchweg schwarze Tracht Hinzu-
denkt) ist durch seine historische Beziehung und die meisterhafte Ausführung der Köpfe auf der viel-
berufenen S. Donato-Auction zu Paris 1868 der Gegenstand eines verzweifelten Kampfes geworden
und endlich für 183,000 Frcs. — man konnte nicht erfahren, wem — zugeschlagen worden. Jüngst
ist es der londoner National-Galerh, die damals selbst bis 180,000 Frcs. mitgeboten Hatte, —
als 'Geschenk angeboteu worden. L. N.
Deutschlands Kunstschätze. II.
18