74 Künstler-Biographien.
dem er seinem großen Borbilde Rembrandt nahe steht. Ueber seinen engen Kreis hinaus versagen
ihm die Kräfte zur Anempfindung, aber in seinem Gebiete ist er groß und selbst unvergleichlich.
Doch sind seine einzelnen Bilder sehr ungleich im Werthe, und es spiegelt sich in ihm das Auf- und
Niedergehen der holländischen Kunst im Laufe eines vollen halben Jahrhunderts und darüber —
denn so weit erstreckt sich seine schöpferische Thätigkeit — in allen ihren Phasen ab.
Noch bis vor Kurzem ganz übersehen, ist die Production seines ersten Jahrzehents jetzt in
datirten Bildern von ^630 oder 1632 bis 1639 von Jahr zu Jahr nachgewiesen und durch un-
datirte, aber verwandte Gemälde in beträchtlicher Zahl — es werden etwa dreißig gezählt —
als auch äußerlich erheblich dargestellt. Er steht in dieser Zeit, in der er sich anfänglich A. v.
Ostaden schreibt, unter dem Einfluß des großen Haerlemer Meisters Frans Hals, der so manchem
der holländischen, Kunstheroen die Wege gebahnt und gewiesen hat. Auffassung wie Behandlung
stellt die Bilder dieser Periode den späteren mit scharf markirter Eigenthümlichkeit gegenüber.
Statt der Gemüthlichkeit herrscht hier mehr Derbheit: die Scenen sind lebendiger, ausgelassener,
bewegter als später, und hinter dem Lebensbilde tritt die nachher gepflegte individuelle Charakteristik
zurück. Von der befangenen Vortragsweife seiner ersten Jahre befreit er sich bald und malt mit
sreiem und leichtem Pinsel, in einem kühlen und hellen, immer leuchtender werdenden Ton; und merk-
würdig macht sich frühe schon bei ihm in selbständiger Weise das Streben nach Helldunkel bemerk-
bar, das der haerlemer Schule sonst fremd ist. Das bereitete ihn auf den durchgreifenden Einfluß vor,
den bald der größere Meister, der größte des Jahrhunderts, dem gegenüber selbst Hals nicht
unverändert seine Eigenthümlichkeit behaupten konnte, den Rembrandt auf ihn ausüben sollte.
Bereits 1638, ganz ausgesprochen von 1640 an beginnt dieser sich geltend zu machen. Die
Vermuthung ist ansprechend, in die erste Zeit dieses Einflusses ein Gemälde des braunschweiger
Museums zu setzen, das die Verkündigung bei den Hirten darstellt. Rembrandt's Auffassung und
Schilderungsweise der biblischen Gegenstände war so neu, aber zugleich so überwältigend für die
Zeitgenossen, daß mehrere Hervorragende Vertreter anderer Fächer mit dem künstlerischen Charakter
Rembrandt's auch diese seiue Stoffgebiete vorübergehend ausnahmen; und bei dem angeführten
Bilde liegt es nahe, sogar an ein directes Vorbild von Rembrandt's Hand zu denken. In der
neuen Auffassuugsweise diese Stoffe ohne Beeinträchtigung des historischen und religiösen Gehaltes
in ihrer traditionellen Größe und Weihe zu gestalten, das blieb freilich Rembrandt selber so gut
wie ausschließlich Vorbehalten. Auch Ostade konnte hier nicht umhin, den Gegenstand zu verbauern.
Aber für das neue malerische Moment, für das wunderbare Helldunkel Rembrandt's, bewies er sich
in höchstem Maße empfänglich und geschickt, und bald übertrug er ganz selbständig die neu erlernte
Malweise auf die ihm am Herzen liegenden und handgerechten Gegenstände; doch bewies die vorhin
schon angedeutete Wandelung in seiner Auffassungsweise auch dieser, wie nachhaltig die Art und
Kunst Rembrandt's auf ibn gewirkt Hatte.
Die folgende Zeit ließ ihn zu einer immer größeren Fülle und tieferen Sättigung des Tones
gelangen, bis auch an ihm sich das Gesetz der Zeit vollzog, welches die meisten Maler gegen das
Ende ihres Lebens und ihrer Wirksamkeit in kältere und härtere Tonarten übergehen läßt. Er
folgte dem bereits recht fühlbar abwärts gehenden Zuge in der holländischen Kunst, die in der Zeit
feiner rüstigsten Kraft — nicht zum geringsten Theil mit ihm und durch ihn — auf ihrer höchsten
Höhe gestanden, sie aber überschritten hatte. ö. N.
dem er seinem großen Borbilde Rembrandt nahe steht. Ueber seinen engen Kreis hinaus versagen
ihm die Kräfte zur Anempfindung, aber in seinem Gebiete ist er groß und selbst unvergleichlich.
Doch sind seine einzelnen Bilder sehr ungleich im Werthe, und es spiegelt sich in ihm das Auf- und
Niedergehen der holländischen Kunst im Laufe eines vollen halben Jahrhunderts und darüber —
denn so weit erstreckt sich seine schöpferische Thätigkeit — in allen ihren Phasen ab.
Noch bis vor Kurzem ganz übersehen, ist die Production seines ersten Jahrzehents jetzt in
datirten Bildern von ^630 oder 1632 bis 1639 von Jahr zu Jahr nachgewiesen und durch un-
datirte, aber verwandte Gemälde in beträchtlicher Zahl — es werden etwa dreißig gezählt —
als auch äußerlich erheblich dargestellt. Er steht in dieser Zeit, in der er sich anfänglich A. v.
Ostaden schreibt, unter dem Einfluß des großen Haerlemer Meisters Frans Hals, der so manchem
der holländischen, Kunstheroen die Wege gebahnt und gewiesen hat. Auffassung wie Behandlung
stellt die Bilder dieser Periode den späteren mit scharf markirter Eigenthümlichkeit gegenüber.
Statt der Gemüthlichkeit herrscht hier mehr Derbheit: die Scenen sind lebendiger, ausgelassener,
bewegter als später, und hinter dem Lebensbilde tritt die nachher gepflegte individuelle Charakteristik
zurück. Von der befangenen Vortragsweife seiner ersten Jahre befreit er sich bald und malt mit
sreiem und leichtem Pinsel, in einem kühlen und hellen, immer leuchtender werdenden Ton; und merk-
würdig macht sich frühe schon bei ihm in selbständiger Weise das Streben nach Helldunkel bemerk-
bar, das der haerlemer Schule sonst fremd ist. Das bereitete ihn auf den durchgreifenden Einfluß vor,
den bald der größere Meister, der größte des Jahrhunderts, dem gegenüber selbst Hals nicht
unverändert seine Eigenthümlichkeit behaupten konnte, den Rembrandt auf ihn ausüben sollte.
Bereits 1638, ganz ausgesprochen von 1640 an beginnt dieser sich geltend zu machen. Die
Vermuthung ist ansprechend, in die erste Zeit dieses Einflusses ein Gemälde des braunschweiger
Museums zu setzen, das die Verkündigung bei den Hirten darstellt. Rembrandt's Auffassung und
Schilderungsweise der biblischen Gegenstände war so neu, aber zugleich so überwältigend für die
Zeitgenossen, daß mehrere Hervorragende Vertreter anderer Fächer mit dem künstlerischen Charakter
Rembrandt's auch diese seiue Stoffgebiete vorübergehend ausnahmen; und bei dem angeführten
Bilde liegt es nahe, sogar an ein directes Vorbild von Rembrandt's Hand zu denken. In der
neuen Auffassuugsweise diese Stoffe ohne Beeinträchtigung des historischen und religiösen Gehaltes
in ihrer traditionellen Größe und Weihe zu gestalten, das blieb freilich Rembrandt selber so gut
wie ausschließlich Vorbehalten. Auch Ostade konnte hier nicht umhin, den Gegenstand zu verbauern.
Aber für das neue malerische Moment, für das wunderbare Helldunkel Rembrandt's, bewies er sich
in höchstem Maße empfänglich und geschickt, und bald übertrug er ganz selbständig die neu erlernte
Malweise auf die ihm am Herzen liegenden und handgerechten Gegenstände; doch bewies die vorhin
schon angedeutete Wandelung in seiner Auffassungsweise auch dieser, wie nachhaltig die Art und
Kunst Rembrandt's auf ibn gewirkt Hatte.
Die folgende Zeit ließ ihn zu einer immer größeren Fülle und tieferen Sättigung des Tones
gelangen, bis auch an ihm sich das Gesetz der Zeit vollzog, welches die meisten Maler gegen das
Ende ihres Lebens und ihrer Wirksamkeit in kältere und härtere Tonarten übergehen läßt. Er
folgte dem bereits recht fühlbar abwärts gehenden Zuge in der holländischen Kunst, die in der Zeit
feiner rüstigsten Kraft — nicht zum geringsten Theil mit ihm und durch ihn — auf ihrer höchsten
Höhe gestanden, sie aber überschritten hatte. ö. N.