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Massmann: Die deutschen Abschwörungs- und Betfornieln. 119
fehlt sie gänzlich, wo aber auch der ungenaue Reim des vorher-
gehenden Verses, das Wort caeliarchus und die veränderte Rich-
tung des Gebetes bedenklich sind.
In Vers 5 steht creta für creata, wie in Vers 8 crevit
für creavit, ähnlich wie piacla und jacla in Vers 12 für pia-
cula und jacula. Das Wort flustra in Vers 6, das wir statt
tlostra und frustra der Handschriften setzen, ist zwar kein klas-
sisches, aber doch ein altes von Tertullian gebrauchtes, dem Fe-
stus bekanntes; in dem Catholicon des Joannes de Janua wird
flustrum erklärt: maris motus sine tempestate fluctuantes; es ist
das ags. brim; es steht hier als Epitheton zu freta, quae aplu-
stra verrunt, quando celox currit velox, die Wogen, über welche
der Schilfssporn mit seiner Verzierung hinstreicht, wenn der Kiel
rasch fährt; diess ist vielleicht eine Uebersetzung einer andern
ags. Benennung des Meeres, earhgebland. Da Gott als Schöpfer
angerufen werden soll, so begnügt sich der Dichter nicht, die
Erschaffung des Himmels und der Erde zu erwähnen, in Vers 9,
sondern auch die Erschaffung der leuchtenden Gestirne, V. 8, und
vor allem des Meeres V. 5, 6. und 7. musste hervorgehoben wer-
den. Gerade so werden in einer poetischen Umschreibung des
Glaubensbekenntnisses bei Wanley S. 48. Gott nicht nur als Schöp-
fer des Himmels und der Erde, sondern auch der Sterne und des
Meeres angerufen. Einem Bewohner der Meeresküste war es sehr
natürlich, zu den Worten: in prineipio creavit Deus coelum et
terram, hinzuzusetzen et oceanum, und die Edda sagt nicht: als
Himmel und Erde noch nicht waren, sondern: nls das Meer, der
Himmel und die Erde noch nicht waren; wenn sie den Anfang
der Zeiten beschreiben will. Sogar Otfried nennt bei der Schöp-
fung ausdrücklich den Himmel, die Erde und das Meer (II, 1. u.
III, 9, 15).
Kopp vermuthet, dass das Werk über die tironisehen Noten,
in dessen kaum zu verstehender Vorrede unser Gedicht vorkommt,
von dem heiligen Eligius verfasst sey, der um 650 Bischof von
Noyon und Tournay war. Wenn diese Vermuthung richtig ist,
und wenn der Verfasser des Werkes auch der Verfasser des Ge-
dichtes ist, so hätten wir also ein zugleich reimendes und allite-
rirendes Gedicht vor uns, das aus der ersten Hälfte des siebenten
Jahrhunderts herrührte. Das wäre für die Geschichte der Poesie
nicht unwichtig. Die altnordischen Gedichte, welche Alliteration
und Reim verbinden, ist man geneigt, erst den späteren Skalden
 
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