Kalidas Ritusanhara von v. Bohlen.
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jetzt in Indien allgemein angewandt wird, sondern dass auch schon
im fünften Jahrhundert nach dem Zeugniss des Ferishta in einer
einzigen Stadt (Kanjakubdsha) nicht weniger als 30000 Betelbu-
den waren, und dass sogar die Römer Betelblätter theuer bezahl-
ten. Dennoch glauben wir, dass sich jene zwei Stellen unseres
Gedichtes bei näherer Betrachtung als Verfälschungen zu erken-
nen geben, und dass Calidasa noch nichts von der Gewohnheit
des Betelkauens weiss. In VI, 4. hat nur die edit. Calc. das
Wort tämbüla, Betel. Die verglichenen H. Schriften lesen anders,
und zwar Cod. A., der nachlässig geschrieben ist, aber häufig ei-
nen ganz andern und bessern Text gibt, als die Ausgabe, hat
auch hier eine ganz andere und besser zum Ganzen passende
Zeile In der andern Stelle V, 5 gibt zwar Bohlen keine Va-
rianten, aber der Vers trägt das Merkmal der Unäehtheit an sich,
da er im ganzen Gedichte der einzige ist, der nicht ins Metrum
passt. Die sechste Sylbe ist lang, und das Metrum verlangt eine
Kürze. Ferner können beide Stellen darum nicht ächt oder un-
verfälscht seyn, weil sie im Widerspruch stehen würden mit an-
dern Stellen des nämlichen Gedichtes, in welchen die Weisse der
Zähne gerühmt wird. Z. B. III, 18. wird die rothe Blüthe des
as'oca und die weisse des Jasmin mit der rothen Lippe und den
weissen Zähnen verglichen. Ebenso werden VI, 23. und 34. die
Zähne mit Jasmin verglichen. Ferner würden jene Stellen im
Widerspruch stehen mit denjenigen Stellen, worin des Blumen-
saftes Erwähnung geschieht, welchen die indischen Schönen in
den Mund zu nehmen pflegten, um ihren Hauch und Athem wohl-
riechend zu machen. Solche Stellen sind IV, 11. und V, 10. Jene
Verfälschung scheint von bengalischen Abschreibern herzurühren,
welche überhaupt, wie es scheint, keinen Anstand nehmen, Wör-
ter und Gedanken, die ihnen nicht geläufig waren, mit leichteren
und ihren Sitten angemesseneren zu vertauschen. Das Betelkauen
kann in Vorderindien nicht einheimisch seyn, weil die Arehapalme
dort nirgends wild wächst, sondern von den Sundainseln einge-
wandert ist. Wie die westlichsten der Völker, welche sanskri-
tisch oder vielmehr prakritisch sprechen, bei den Wilden in Ame-
rica Rauchen und Schnupfen gelernt haben, so haben die östlich-
sten Zweige des nämlichen Stammes von den Wilden auf den
Sundainseln das Betelkauen angenommen; aber der Ivalidasisehen
Sakuntala ein Betelbüxchen zu geben, wäre ein Anachronismus,
der nur nicht ebenso stark wäre, als wenn man den Socrates
schnupfen unb den Alcibiades eine Cigarre rauchen Hesse.
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jetzt in Indien allgemein angewandt wird, sondern dass auch schon
im fünften Jahrhundert nach dem Zeugniss des Ferishta in einer
einzigen Stadt (Kanjakubdsha) nicht weniger als 30000 Betelbu-
den waren, und dass sogar die Römer Betelblätter theuer bezahl-
ten. Dennoch glauben wir, dass sich jene zwei Stellen unseres
Gedichtes bei näherer Betrachtung als Verfälschungen zu erken-
nen geben, und dass Calidasa noch nichts von der Gewohnheit
des Betelkauens weiss. In VI, 4. hat nur die edit. Calc. das
Wort tämbüla, Betel. Die verglichenen H. Schriften lesen anders,
und zwar Cod. A., der nachlässig geschrieben ist, aber häufig ei-
nen ganz andern und bessern Text gibt, als die Ausgabe, hat
auch hier eine ganz andere und besser zum Ganzen passende
Zeile In der andern Stelle V, 5 gibt zwar Bohlen keine Va-
rianten, aber der Vers trägt das Merkmal der Unäehtheit an sich,
da er im ganzen Gedichte der einzige ist, der nicht ins Metrum
passt. Die sechste Sylbe ist lang, und das Metrum verlangt eine
Kürze. Ferner können beide Stellen darum nicht ächt oder un-
verfälscht seyn, weil sie im Widerspruch stehen würden mit an-
dern Stellen des nämlichen Gedichtes, in welchen die Weisse der
Zähne gerühmt wird. Z. B. III, 18. wird die rothe Blüthe des
as'oca und die weisse des Jasmin mit der rothen Lippe und den
weissen Zähnen verglichen. Ebenso werden VI, 23. und 34. die
Zähne mit Jasmin verglichen. Ferner würden jene Stellen im
Widerspruch stehen mit denjenigen Stellen, worin des Blumen-
saftes Erwähnung geschieht, welchen die indischen Schönen in
den Mund zu nehmen pflegten, um ihren Hauch und Athem wohl-
riechend zu machen. Solche Stellen sind IV, 11. und V, 10. Jene
Verfälschung scheint von bengalischen Abschreibern herzurühren,
welche überhaupt, wie es scheint, keinen Anstand nehmen, Wör-
ter und Gedanken, die ihnen nicht geläufig waren, mit leichteren
und ihren Sitten angemesseneren zu vertauschen. Das Betelkauen
kann in Vorderindien nicht einheimisch seyn, weil die Arehapalme
dort nirgends wild wächst, sondern von den Sundainseln einge-
wandert ist. Wie die westlichsten der Völker, welche sanskri-
tisch oder vielmehr prakritisch sprechen, bei den Wilden in Ame-
rica Rauchen und Schnupfen gelernt haben, so haben die östlich-
sten Zweige des nämlichen Stammes von den Wilden auf den
Sundainseln das Betelkauen angenommen; aber der Ivalidasisehen
Sakuntala ein Betelbüxchen zu geben, wäre ein Anachronismus,
der nur nicht ebenso stark wäre, als wenn man den Socrates
schnupfen unb den Alcibiades eine Cigarre rauchen Hesse.