Nr. 56.
HEIDELBERGER
1859-
Aesthetik. Erster, historisch-kritischer Theil: Geschichte der Aesthetik
als philosophischer 'Wissenschaft von Dr. Robert Zimmermann,
o. ö. Professor der Philosophie an der k. k. Universität zu
Prag. Wien 1858. W. Braumüller. {XXIV. u. 804 Seiten,
gr. 8.)
Seit der Ausbildung der grossen Systeme der Philosophie neuer
Zeit hat sich immer mehr die Nothwendigkeit gezeigt, das Ganze
der philosophischen Wissenschaft in einzelne unter einander zusam-
menhängende Zweigwissenschaften abzutheilen. Diese Gliederung,
wodurch einzelne Ideen zu besonderen Disciplinen ausgeführt wer-
den, ist selbst eine Bedingung der klaren und systematischen Ent-
faltung der Wissenschaft, vorausgesetzt, dass sie nicht in eine blosse
Nebeneinanderstellung der verschiedenen Lehrstücke ausarte. Mit
dem wachsenden Umfang der Philosophie und ihrer Anwendung sind
immer neue Disciplinen in ihr hervorgetreten, wie in den neueren
Zeiten die Rechts- und Staatspbilosophie, die Sprachphilosophie, die
Philosophie der Geschichte; auch die Aesthetik, als Philoso-
phie des Schönen und der schönen Kunst, ist eine der
jüngsten philosophischen Wissenschaften. Zwar sind ästhetische Prin-
cipien hervorgetreten, sobald die Philosophie sich zu dem Umfang
eines in den Haupttheilen vollständigen Systems der Forschung er-
weiterte, und frühzeitig schieden sich die obersten Gegensätze ihrer
Auffassung ab; aber ihre spezielle Geschichte gewinnt* erst von da
ab einen fortlaufenden Zusammenhang, als sie vor nun etwas mehr
als hundert Jahren, als ein besonderer Theil in demjenigen philo-
sophischen System, das damals bei uns das herrschende war, in
dem Leibnitz - Wolffischen, herausgestellt wurde. Manche der
wichtigsten Lehren über das Schöne und die Kunst, über die Wir-
kung des Schönen auf Sinn und Gefühl, sind allerdings ohne me-
thodische Eingliederung in ein philosophisches System entwickelt
worden; allein der verbindende Faden der geschichtlichen Entwick-
lung der Aesthetik wird dennoch von jener Zeit an vorzüglich durch
die Systeme der Philosophie fortgeleitet.
Wenn man die Frage stellt, ob es gegenwärtig an der Zeit
sei, eine Geschichte der Aesthetik abzufassen, so wird darüber vor
Allem die Lage dieser Wissenschaft zu entscheiden haben. In der
Philosophie haben sich nun die angesehensten Lehrgebäude, welche
auf die Bearbeitung der Aesthetik bestimmenden Einfluss ausgeübt
haben, bereits insoweit abgewickelt, dass sie der geschichtlichen
Würdigung zu überlassen sind, wenngleich ihre Einwirkung auf
MI. Jabrg. 13, Heft, 56
HEIDELBERGER
1859-
Aesthetik. Erster, historisch-kritischer Theil: Geschichte der Aesthetik
als philosophischer 'Wissenschaft von Dr. Robert Zimmermann,
o. ö. Professor der Philosophie an der k. k. Universität zu
Prag. Wien 1858. W. Braumüller. {XXIV. u. 804 Seiten,
gr. 8.)
Seit der Ausbildung der grossen Systeme der Philosophie neuer
Zeit hat sich immer mehr die Nothwendigkeit gezeigt, das Ganze
der philosophischen Wissenschaft in einzelne unter einander zusam-
menhängende Zweigwissenschaften abzutheilen. Diese Gliederung,
wodurch einzelne Ideen zu besonderen Disciplinen ausgeführt wer-
den, ist selbst eine Bedingung der klaren und systematischen Ent-
faltung der Wissenschaft, vorausgesetzt, dass sie nicht in eine blosse
Nebeneinanderstellung der verschiedenen Lehrstücke ausarte. Mit
dem wachsenden Umfang der Philosophie und ihrer Anwendung sind
immer neue Disciplinen in ihr hervorgetreten, wie in den neueren
Zeiten die Rechts- und Staatspbilosophie, die Sprachphilosophie, die
Philosophie der Geschichte; auch die Aesthetik, als Philoso-
phie des Schönen und der schönen Kunst, ist eine der
jüngsten philosophischen Wissenschaften. Zwar sind ästhetische Prin-
cipien hervorgetreten, sobald die Philosophie sich zu dem Umfang
eines in den Haupttheilen vollständigen Systems der Forschung er-
weiterte, und frühzeitig schieden sich die obersten Gegensätze ihrer
Auffassung ab; aber ihre spezielle Geschichte gewinnt* erst von da
ab einen fortlaufenden Zusammenhang, als sie vor nun etwas mehr
als hundert Jahren, als ein besonderer Theil in demjenigen philo-
sophischen System, das damals bei uns das herrschende war, in
dem Leibnitz - Wolffischen, herausgestellt wurde. Manche der
wichtigsten Lehren über das Schöne und die Kunst, über die Wir-
kung des Schönen auf Sinn und Gefühl, sind allerdings ohne me-
thodische Eingliederung in ein philosophisches System entwickelt
worden; allein der verbindende Faden der geschichtlichen Entwick-
lung der Aesthetik wird dennoch von jener Zeit an vorzüglich durch
die Systeme der Philosophie fortgeleitet.
Wenn man die Frage stellt, ob es gegenwärtig an der Zeit
sei, eine Geschichte der Aesthetik abzufassen, so wird darüber vor
Allem die Lage dieser Wissenschaft zu entscheiden haben. In der
Philosophie haben sich nun die angesehensten Lehrgebäude, welche
auf die Bearbeitung der Aesthetik bestimmenden Einfluss ausgeübt
haben, bereits insoweit abgewickelt, dass sie der geschichtlichen
Würdigung zu überlassen sind, wenngleich ihre Einwirkung auf
MI. Jabrg. 13, Heft, 56