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Nr. 58. HEIDELBERGER 1859.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Zimmermann: Geschichte der Aesthetik.

(Schluss.)
Was die ästhetischen Lehren der Hegelschen Philosophie an-
geht, so bemerkt Herr Zimmermann mit Recht, dass in einem sol-
chen System das Schöne nur „als Erscheinung des ewigen Denk-
inhalts“ auftreten könne. Allerdings das Schöne, nach Hegel, ist
das unmittelbar geschaute Wahre, das „sinnliche Scheinen der
Idee.“ Der Verstand vermag das Schöne nie zu ergreifen; dage-
gen ist das Wesen der Anschauung gerade das, dass durch sie der
Begriff „nicht als Begriff, sondern als eins mit dem Sinnlichen er-
griffen wird.“ Die Anschauung bietet demnach den Begriff, das
Wahre, nicht in seiner reinsten Form. Für diese Art des Idealis-
mus ist „die Kunst, wie die Offenbarung, ein für die Philosophie
zu überwindender und in der absoluten Wissenschaft überwundener
Standpunkt des Geistes.“ — Dies charakterisirt in der Hauptsache
den Hegelschen Standpunkt. Der dialectische Fluss, der durch das
ganze Hegelsche System sich hinzieht, jener Process, der einzig
und allein im reinen Begriff seinen Zielpunkt finden soll, so dass
die Vollendung der ganzen geistigen Entwicklung auf eine einzelne
Seite des Vernunftlebens, in den philosophischen Gedanken, gelegt
wird, ist ein Hauptgebrechen der Hegelschen Philosophie, eine Folge
ihres unvollständigen, gewaltsam sich überstürzenden, methodischen
Princips, welches die Momente der Thesis, Antithesis und Synthe-
sis ungenau fasst und bezieht, indem es weder die gegensätzliche
Entfaltung, noch den harmonischen Abschluss der Bewegung gehörig
erkannt, somit die ganze organische Ordnung und ebenmässige Er-
füllung gesetzmässiger Entwicklung nicht richtig eingesehen hat. Die
Folgen dieses in der neueren Philosophie mehrfach beleuchteten
Grundmangels des Hegelianismus sind, im Theoretischen wie im
Praktischen, unermesslich; auch die Stellung der Kunst im Ganzen
des menschlichen Vernunftlebens wird dadurch beeinträchtigt. Denn
die Kunst ist nicht bloss, wie jenes System will, eine zu durchschrei-
tende Aus- und Durchgangsstation zur absoluten Wissenschaft, son-
dern sie ist neben und gleich der Wissenschaft berechtigt, als eigen-
thümlicher Theil der menschlichen Bestimmung, von unendlichem
Werth. Die verschiedenen Lebenszwecke und Gebiete (Kunst,
Wissenschaft, Sittlichkeit, Religion, Recht,) sollen einander so wenig
absorbiren, als der Staat die besonderen persönlichen und gesell-
schaftlichen Lebenskreise der menschlichen Cultur in sich aufheben
UI. Jahrg. 12, Heft. 58
 
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