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914

Zimmermann: Geschichte der Aesthetik.

soll. In dem vollen und glücklichen Aufbau des menschlichen Da-
seins behält die Kunst allezeit ihren Platz, nicht bloss als eine un-
tere Sprosse zur Wissenschaft, sondern als an sich würdig, um der
Schönheit willen, die sie, und so, wie sie, keine andere Macht,
darzustellen hat. Kunst und Wissenschaft dienen und fördern ein-
ander wechselseits. Besässen wir die absolute Philosophie, so würden
weder Kunst noch Religion, noch praktische Thätigkeit, gleich For-
men, denen der Geist entwachsen wäre, zurückzustellen sein, sondern
dann würde, unter der Leuchte der Erkenntniss, ein frisches, regeres
Leben in allen diesen Kreisen der Vernunttbestimmung des Menschen
erwachen.
Die Neigung der Hegelschen Philosophie, das Historische in
die philosophische Gedankenentwicklung aufzunehmen, zeigt sich in
sehr sprechender Weise in der Behandlung der Aesthetik. Auf diese
Methode, die er „Historismus“ nennt, ist der Verf. besonders schlimm
zu reden. Wir glauben indessen, die rechte Speculation werde aus
der Aufnahme des empirischen Materials nur Nutzen ziehen. Dass
bei Hegel, wie bei andern Versuchen, das Geschichtliche in den
philosophischen Begriff zu erheben, die Deutung des Geschichtlichen
oft nicht stichhaltig ausfällt, ist bekannt genug. Aber der Grund-
gedanke Hegels ist für die Philosophie ein ergiebiger. Die Wirk-
lichkeit zu begreifen, ist seit Aristoteles eine anerkannte Aufgabe
der Wissenschaft. Die reinen Begriffe, welche speculativ gewonnen
sind, werden durch die Geschichtsbegriffe verdeutlicht, bestimmt,
belebt. Die speculativen Erörterungen Hegels, nur zu oft überaus
abstrus, gewinnen überall Gestalt, wo sie mit geschichtlichen An-
schauungen verwachsen sind; und auch das geschichtliche Leben
legt sich klarer vor den Blick, wenn wir einen gesetzmässigen
idealen Bildungsverlauf darin wahrnehmen.
In seiner Darstellung über die Aesthetik der Hegelschen Schule
streift der Verf. schon mehr in das Theoretische hinüber. Wir wollen
hier den verschiedenen Streitpunkten, die er berührt, namentlich
mit Vischer, nicht nachgehen; wir müssten zu sehr in’s Besondere
eintreten, als gegenwärtige Anzeige einer geschichtlichen Schrift uns
verstattet.
In Hinsicht auf des Verf.’s Grundannahme, als deren Vorkäm-
pfer er durch alle Theile seines Buches auftritt, nämlich hinsichtlich
seiner abstract-formalen Auffassung des Schönen, begnügen wir uns
mit folgenden andeutenden Bemerkungen: 1) Es ist vor Allem der
Begriff von Form und Gehalt und deren Verhältniss fest-
zustellen, ehe sich über die Frage: ob die Schönheit etwas lediglich
Formales sei, oder ob sie auch Gehalt in sich trage, etwas sagen
lässt. Man kann alle Bestimmungen der Wesenheit Formen nennen,
und dann ist sicherlich die Schönheit eine Form, nicht weniger das
Gute, Wahre, Gerechte, Nützliche, Vollkommene; nicht bloss die
Mathematik, sondern auch die Aesthetik, die Etkik, Logik u. a.
sind dann formale Wissenschaften, von denen wir als 0. g. materiale
 
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