Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
WS

ö Samſtag, den 22. Oktober 187³.

6. Jahrh.

erſchetnt Mittwoch und Samſcag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckeret,
ö und ber den Trägern. Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Schiñ aa ſſe A

Zum Lanzenſtechen.

„Die Regierung geht ſicheren Schrittes vor, um den römiſchen
Uebermuth auf preußiſchem Boden entweder zu beugen oder
zu brechen.“ (Provinzial⸗Correſpondenz./

Geſprochen iſt jetzt das Entſcheidungswort!
Mögt ihr die Fauſt auch in der Taſche ballen —
Kein Feilſchen mehr, kein trüg'riſcher Accord,
Kein Rückzug mehr! Der Würfel iſt gefallen.
Es hebt die Bruſt ſich und die Wange glüht —
Hervor, ihr Schwarzen, denn zum Lanzenſtechen!
Des Sylbenſtechens ſind wir längſt ſchon müd';
Die Loſung heißt jetzt: Biegen oder Brechen!

Ihr oder wir! Nun zeiget was ihr könnt,
Ruft eure Schaaren und formirt die Rotten;
Zu lang ſchon hat man euch, ihr Herrn, vergönnt,
Des Staats und ber Geſetze frech zu ſpotten.
Euch ſchwoll der Kamm und wuchs der Uebermuth
Durch eures Gegenparts nachſicht'ge Schwächen;
Jetzt aber zeigt, nachdem er lang geruht,
Der Falk die Krallen. — Biegen oder Brechen!

Gezaudert hat man, ach, zu lange ſchon,
Zu bänd'gen euch, ihr trutzigen Geſtalten,
Hat euer Stühlchen ſchier für einen Thron
Und für ein Scepter euren Stab gehalten.
Seid Fürſten ihr, dann friſch das Schwert erfaßt,
Und laßt für euer Recht die Waffen ſprechen!
Doch ſeid ihr fromme Knechte nur, dann laßt
Das blut'ge Handwerk! — Biegen oder Brechen!

Ihr nennt euch Hirten, ſo mit Wort und Schrift
Die Lämmlein hüten friedlich hier auf Erden.

Wo iſt — wer zeigt ſie uns? — des Friedens Trift,

Darauf getreu ihr hütet eure Heerden? .
Die Rüſtung ſchnallt ihr um den Schäferrock,
Um für erlog'ne Unbill euch zu rächen,
Und zur Brandfackel wird der Hirtenſtock
In eurer Hand. — Sei's! Biegen oder Brechen!

Ihr wollt den Kampf! Wir halten Stand euch gern;
Wir ſtehn geſchaart feſt um der Wahrheit Fahne.

Das
Wie Mancher möchte lieber doch zu Haus
Im Refectorium ſtill gemüthlich zechen!

So miſcht euch doch nicht in des Kampfes Graus
Und bkeibet fern vom — Biegen oder Brechen!

und klopfte dem Freunde auf die Schulter.
ben Zeichen der Zuneigung von meiner Seite bemerkt

Und ſchaart ihr auch zum Kampf euch wild und dicht
Und führten Wundermänner eure Spitze,
Wir fürchten eure ſpitzen Mützen nicht,
Nicht eure Wunder, noch auch eure Blitze.

Und wärt, ihr Schwarzen, auch zu dieſer Stund'

Mit den Franzoſen und den frechen Czechen,
Ja, mit dem Teufel ſelber ihr im Bund:
Der Sieg iſt unſer! Biegen oder Brechen!
(Kladderadatſch.)

Zu ſpät!
Novelle von Clariſſa Lohde.
(Fortſetzung.)

„Jetzt weiß ich doch, Herr Lieutenant“, begann
Paul endlich in ſcherzhaftem Ton und wandte ſich lä-
chelnd zu Bodo, „daß Ihr Herz nicht ganz ſo unem-
pfänglich für die Frauen iſt, als Sie mich glauben
machen wollen. Sie haben ſich heute verratheu.“
„Sie meinen Aurelie?“ fragte Bodo und lachte
hell auf.
Paul ſah ihn erſtaunt an: „Sie lachen?“
„Nun“, rief Bodo, „Sie werden doch nicht glauben,
daß mir dieſe Puppe mit den rothen Bäckchen und mit

dem ewig lächelnden Munde gefallen kann?“

„Aber“ — Paul zögerte einen Augenblick.
„Ich verſtehe Sie, Sie naive Unſchuld!“ rief Bodo
„Sie glau-

zu haben. — Nun ja, Aurelie ſuchte meine Hand und

ich habe ihr dieſes Vergnügen nicht verwehrt, das iſt
Alles! Fräulein Aurelie gehört zu den weiblichen We-
ſen, mit denen man ohne Gewiſſensbiſſe ein wenig
ſcherzen kann.

ö Sie gewährt gleich Gunſt Jedem —
deshalb iſt ſie auch die einzige, der ich mich in dieſer

Weiſe nahe — bei ihr hat es ja keine Gefahr.“
Wie wackelt Manchem doch von euch, ihr Heirn,.fy
feiſte Bäuchlein unter der HHutane!

„nd doch ſcheint ſie nur Augen für Sie zu haben.“
„Ganz recht, für heute, für morgen vielle icht. Doch

ſeien Sie überzeugt — wenn ſich ihr eine annehmbare
Parthie bieten ſollte, ſchlägt ſie dieſelhe meinetwegen

ſicher nicht aus. — Sie weiß recht gut, daß ſie in die-
ſer Beziehung auf mich nicht rechnen darf.“
 
Annotationen