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edlen Gefühlen finden könne, ſondern alkein im kräf-
tigen, edlen Handeln, im Arbeiten an ſich ſelbſt in dem
hohen Sinne der chriſtlichen Religion. Wohl erhoben
ſich auch in ihr all die Gefühle und Wünſche des Wei-
bes — und zwar in großer Kraft und Tiefe — aber
ſie hatte mit zu klarem Blicke in die Welt um ſich ge-
ſchaut, ſie wußte, wie ſchwer es war, unter dieſer flu-
thenden, im Genuß ſchwelgenden, nach Genuß ſtreben-
den, egoiſtiſch kalten Geſellſchaft ein Herz zu finden,
das ihr das geben konnte, was ſie zu ihrer Befriedi-
gung nach dieſer Richtung hin für nothwendig hielt.
— Sie zog daher vor, den Schatz ihres Innern von
der Berührung mit der Welt zu verſchließen und be-
gnügte ſich damit, die ihr innewohnende Kraft der Liebe
in dem allgemeinen Wohlwollen gegen die Meüſchheit
und beſonders gegen die, die ihr nahe geſtanden, aus-
zuſtrömen. Wo ſie in dem Kreiſe der jungen Leute,
die ſie im Conſervatorium umgaben, ſolche fand, deren
Taleut, deren Eigenſchaften des Geiſtes und Herzens
ihr Inierreſſe erregten, ließ ſie es ſich angelegen ſein,
ſie in Allem, was ihnen Noth war, ſo zu fördern, wie
ſie es irgend konnte. Sie kannte recht gut den Krebs-
ſchaden, der ſo oft die ſchönſten Talente und Anlaͤgen
ſchon in der Blüthe vernichtet — die Eitelkeit und
Genußſucht. Deshalb hielt ſie ihnen ſtehts ſchützend
das Ideal entgegen und ſuchte ſie ſo vor dem Verſin-
ken, beſonders aber vor der Selbſtbewunderung zu be-
wahben, die dem mächtig zur Einfalt drängenden Genie
am verderblichſten werden kann.
Paul hatte vom erſten Augenblick an zu denen ge-
hört, die ihr ein warmes Intereſſe eingeflößt. Sein
unverdorbenes Weſen, die Reinheit, die aus ſeinen Au-
gen leuchtete, hatten ihr gefallen, ſeine ungewöhnlichen
Gaben hatte ſie bald erkannt, die Dürftigkeit der Ver-
haͤltniſſe Paul's, ihr Vater hatte ſie von Allem unter-
richtet, das Alles bewog ſie, ihm eine beſondere Auf;
merkſamkeit zu ſchenken. Sie hatte Bodo's Annäherung
an den jungen Mann nicht ungern, aber doch auch
nicht ganz ohne Sorge bemerkt. So ſehr ſie auch von
Bodo's reinem Charakter überzeugt war, ſo lag doch
in den verſchiedenen Verhältniſſen, in dem Glanz und
Stellung Bodo's, in ſeinem ganzen äußeren ſelbſtbe-
wußten Aüftreten, in der Verachtung und Gleichgültig-
keit gegen die Welt und ihr Urtheil, die er offen zur
Schau trug, etwas, was auf Paul in ſeiner Lebens-
ſtellung nicht von gutem Einfluß ſein konnte. — Aber
was vermag man gegen den Zug des Herzens?
Zug des Herzens iſt des Schickſals Stimme! Bodo
und Paul hatten beim erſten Begegnen ſofort Sympa-
thien für einander empfunden. Jenny vermochte nichts
dagegen zu thun ſie konnte nur ein aufmerkſames
Auge — und vielleicht wenn es nöthig war eine war ⸗
nende Stimme haben.

Zum“ erſten Male“ näherte ſich Jenny ihrem Vetter“

vettrauensvoll, um mit ihm über Paul zu ſprechen.
Bodo war voller Wärme für⸗ den jüngen Mann u
erklärte, daß er ſeit langer Zeit nicht eine ſolche gu-
neigung empfunden, wie Paut ſie ihm erngeflögt.
Frenndſchaft,

dagegen verpflich
liſch noch nichk ſo weit vorgeſchritten war, dennoch in
dieſelben als ſtetiges Mitglied aufzunehmen.
empfanden, als ſie ſchieden, noch mehr Hochſ chätzung

erſte,
Muſikzirkel waren.
immer ſchwebte ſie in den Sallon.

ſeitwärts mit Marie und

Der-

Die
die Bodo und Jenny für Paul empfan-

den ſchien endlich das Eis zu brechen, das Beide bis-
her von einander onnt hatte. Sie blieben längere
Zeit beiſammen als ſonſt. Bodo verſprach, Jenny's
muſikaliſche Zirkel jetzt regelmäßiger zu beſuchen, Jenny
tete ſich, Paul, der eigentlich muſika-

Beide
für einander, als zuvor. Der heutige Abend war der
an dem Bodo und Paul zuſammen in Jenny's
Auch Aurelie von Wild wurde er-
Sie kam etwas fpät, roſig und lächelnd wie
Ihre zierliche Ge-
ſtalt bewegte ſich mit unnachahmlicher Grazie durch die
— ihr Auge ſuchte Bodo und fand ihn bald
einigen anderen Damen in
eifrigem Geſpräch begriffen. Sie ging ſofort auf die
Gruppe der Damen zu — man begrüßte ſie mit herz-
licher Zuvorkommenheit — nur Bodo war zwar höf-
lich aber kühl. Die Damen bemerkten das veränderte
Betragen Bodo's ſofort und warfen ſich heimliche
Blicke zu. Aurelie biß ſich ärgerlich auf die Lippen.

wartet.

Vergeblich verſchwendete ſie heute die ſüßeſten Blicke
— Bodo blieb unbewegt; er vertiefte ſich immer mehr

in die Unterhaͤltung mit Marie und beachtete Aurelie
kaum. Mit dem Ausdruck mühſam zurückgehaltenen

Mißmuths wandte ſie ſich von Bodo endlich ab und

rauſchte in das Nebenzimmer, dort war Paul mit
Jenny. Beide waren in ein Geſpräch über Muſik ver-
tieft — bemerkten Aurelie nicht. Einen Augenblick
blieb die junge Dame zögernd auf der Schwelle ſtehen,
dann aber ſchritt ſie raſch auf Jenny zu. Paul war
ihr von dem Abend im Concerthauſe bekannt, ſeine
Erſcheinung und ſein Weſen ſchienen ihrer Beachtung
uicht unwerth. Ueberdies wollte ſie ſich an Bodo rä-
chen und entſchloß ſich, ihre ganze Aufmerkſamkeit an?
dieſem Abende Paul zuzuwenden. Sogleich miſchte ſie

ſich in die Unterhaltung der Beiden, fiel mit einigen
Paradoxen Jenny in die Rede — kramte ihre muſika-

liſchen Anſichten unter denen⸗ eine abgöttiſche Verehr-
ung für die moderne Muſik mit Wagner an der Spitze
ſtand, mit großem Selbſtbewußtſein aus, ließ das

Feuer ihrer Augen gezen Paul ſpielen und ärgerte
Jenny durch unmotivirte Widerſprüche ſo lange, daß
dieſe — von Aurelien's Weſen ſiets unangenehm' be-
rührt — aufſtand und ſich zu einer andern Gruppe
geſellte.
triumphirte.
heit zu erfinnen vermochte, wurde jetzt Euaes Lachen
um den jungen Kleinſtädter zu fangen.
— ſchmachtende Blicke — Atisdrücke naivſter Bewun
derung, wenn er ſang oder ſpielte, die verſchämt vet-
ſtummten,
Bewanderung Platz zumachen, die aus dem Feuer der
Augen ihm entgegenſtrahlte — alle dieſe Künſte der
nweiblichen Kokeiterie wurden gegen ihn in's“ Feld ge-

Jetzt hatte Aurelie Paul allein für ſich — ſie
Alles, was Koketterie und Weltgewandt-

Süßes Lächeln ö

wenn er näher trat, um dann der größeren

ſcict. —
CFortſetzung folgt.)
 
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