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570

auhr wahgend ihre ſobnen Augen ſinnend auf um
ruht
VNicht wahr, Conſtanze, ſaſt zu beſonnen?“ rief ö
Aurelie nee iſch Anten Cait⸗ — „aber“, ſetzte ſie mit ei-
nem etwas boshaftem Seitenblick auf ihre Schwägerin
hinzu, als ſie bemerkte, daß Paul's Augen mit dem
Ausdruck vollſter Berwunderung auf derſelben ruhten
— „Herr Gruber hat auch einen guten Lehrmeiſter
gehabt, — Deinen Jugendireund, Conſtanze, Herrn
Liengenane Bodo Walter —“
er Gräfin Wangen verloren plötzlich alle Farbe,
ſie zuckte ſchmerzlich zuſammen — Paul blickte faſt
angſt voll auf ſie hin. — Doch die Bewegung, ſo heftig
ſie auch geweſen — wurde eben ſo raſch überwunden.
Als wäre nichts geſchehen, wandte ſie ſich nach kurzer
Pauſe mit derſelhen freundlichen Herablaſſung wie vor-
her wieder zu Paul.
(Saluß folgt.)

Die Verfaͤlſchung der Nahrungsmittel und
Getränke.

Naturwiſſenſchaftliche Streiflichter von Carl Gu baſch.

„Vor⸗ Taj chendieben wird gewarnt!“ Dieſer gedruck
ten Ermahnung begegnet der Blick häufig an Orten,
wo herkömmlich eine Menſchenmenge ſich anſammelt.
Jeder kann alſo auf ſeiner Hut ſein. Außerdem ſind,
die Augen der Sicherheitsbehoͤrde, vielleicht auch noch
die eines nachbarlichen Nebenmenſchen, auf der Wacht-
über die aus eigener Acht gelaſſene Wohlfahrt. Alle
Welt weiß, daß heutzutage die Taſchendieberei bezüg ·
lich unſerer Lebensbedürfniſſe weit großartiger und
eingreiferiſcher, geradezu organiſirt und gewerdsartig
getrieben wird. Allein hier iſt von einer Verfolgung
der Ganner wenig die Rede. Mit derſelben Feigheit,
welche es den Wirthen ungeahndet hingehen läßt, daß
dieſe mit einer aufgeſpritzten Schaumhaube den wirkli-
chen Biergehalt des Trinkgefäßes verringern, mit der-
gleichen „Foigheit und Gedankenloſigkeit hat man den
Betrug an allen Lebensbedürfniſſen großwachſen laſſen.
Die.⸗Behörde, obgleich ſie allerdings mehr thun
könnte, kann indeß nicht ſofort chemiſch prüfend bei
jedem angeſtochenen Butter oder- Bierfäßchen ſtehen.
Sie bringt esneben ſo wenig fertig, überall mit dem
Galaktometer oder Milchmeſſer hinter jedem Verdün-
ner dieſes aus Keffean her zu ſein. Und ſo fort
bis zu der aus Kaffeſatz, Cichorie, ſogar aus Erde kör-
perlich nachgebildeten Kaffeebohne oden der mib geſto-
ßenem Zwieback vermiſchten Muskatbluͤt Das Pu-
blikum muß vielmehr ſelbſthandelnd gegen Betküg und
Schwindel aüftreten. Und mit der ſchärfſten Aufmerk-
ſamkeit auf ſeine. muß es auch Kenntniſſe
Herbinden. Und auhder Verkäufer, der möglicher
Weiſe ſelbſt ehrlich, von ſeinen Lieferanten betrogen

wird, muß ein Studium daran wenden, a davor
zu wahren. ö
Das Verſchlee
tel iſt kaum noch einer Steigering Hahtg. Es iſt 6.
mit ſchon ſ aarſträubend ſchlimm, daß der Aermere
oder für ſeine Geſundheit Beſorgtere immer mehr zum
Entſagen ſo nen Genußmittel ſich gezwungen fieht.
Die Butter z. B. iſt in großen Städten Manchem ſchon
ganz verleidet. Wie ſinkt aber die an ſich ſchon ſo
armſelige Kartoffel im Ernährungswerthe, ja ſelbſt. ſo-
gar War beſte Brod, ohne die nothwendige Beigabe von
Butter! Syrup, Mohrenſ ſaft, Zucker, ja ſelbſt Honig
Brod genoſfen, ſind nur elende Erſatzmittel der
tter. Und wie elend müſſen alle viergenannten
ffe erſt er ſcheinen, wenn ſie ſämmtlich obendrein
gefätſcht wurden — und ſie ſind es in der That meiſt
alle Vier! Die Preiſe der Butter ſind für Viele uner-
ſchwinglich in die Höhe geſchraubt und ſelbſt die zu
theuren Preiſen gekaufte entſtammt gar häufig nur
theilweiſe dem Milcheuter eines Wiederkäuers. In der
Hauptſache aber iſt ſie das Erzeugniß einer abſcheuli-
chen, unſauber ſchmierigen Zuſammenmiſchung — zu
ſchlecht, eine Wagenachſe damit einzufetten! Heißt das
nicht dem Käufer das Geld aus der Taſche ſtehlen,
wäre der Preis auch noch ſo billig? Aber er iſt gar

Rnicht einmal billig, denn die Gewinngier iſt frech ge-

worden. Für Ckel erregende und ranzige Stoffe ſtrei-

chen Fabrikanten und Wiederverkäufer einen Verdienſt

ein, der die ganze genommene Zahlung geradezu zum
geſchehenen Diebſtahl erſchwert.
Der Verbrauch iſt geſtiegen in allen Bedürfniſſen,
wie dieſe ſelbſt von der Civiliſation und der Import
vermehrt und erweitert worden ſind. Auch die Men-
ſchenmenge hat zugenommen. Aber die Waare iſt nicht
nur ganz ungerechtfertigt theuer, ſie iſt im Dur moh 0
immer ſchlechter geworden. Das Jahr kann noch ſ
ausgiebig fruchtdar ſein, Feld, Flur, Gärten und An-
bau jeglicher Art können noch ſo ſtrotzende Erträge ge-
liefert haben — billiger und beſſer wird darum nichts
was bei uns auf den Markt kommt. Im Gegentheil,
dies Alles iſt nur ein Sporn für die Speculation.
Dann ſchleppen Schiffe und Eiſenbahnen nur um ſo
ſchwerere Laſten uns entführter Lebensmittel ins Aus-
land. Eier, Butter, Obſt, Gemüſe, Brodfrucht, Fiſche,
Schlachtvieh, kurz was nicht niet- und nagelfeſt iſt,
fſährt man an unſeren Blicken vorüber ins Ausland.
Millionen fließen dafür an den Gewinuwucher zurück.
Aber ſie bereichern nicht das Volk in ſeiner Geſammt-
heit, ſondern nur — gewiſſe Kreiſe.
Jahraus, jahrein düftelt, braut, rectificirt und ſu-
blimirt man Geſetze und dazu wieder Nova, Noviſſima
und beſondere Anhengſel. Was aber noch immer fehlt,
das iſt unſeres Erächtens ein ſcharf gehandhabtes An-—
kaufsgeſez. Wohl wird eine gewiſſe Menſchenſorte,
deren Gewinnwuth damit ſich getroffen fühlt, Zeter
und Mordio darüber ſchreien wegen Gaer Be-
onmuſe der perſönlichen Freiheit. Nach unſerer Frei-

heit, unſerem Wohle und Glücke fragt die ſſchlimme Art
aber enicht, wenn ſich nur ihr Säckel füllen.

Görtf. f.)
 
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