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Heidelberger Bürger-Zeitung: Mittelstands-Zeitung ; unabhängiges Kampfblatt für die Interessen des deutschen Mittelstandes — 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.42440#0014
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gegen eine Ausgabenpolitik sich richten. Diese
wird leider gerade von den Stellen hintertrie-
ben, die eigentlich Hüter des Sparsamkeitsgs-
dankens sein sollten, weil sie über die politische
Macht verfügen. Der wirklich nicht der „Reak-
tion" verdächtige Dr. Gustav Stolper hat noch
in diesen Tagen ausgeführt, daß das deutsche
Volkseinkommen noch heute groß genug wäre,
um Kapitalrücklagen zu gestatten, „wenn nicht
das geltende Steuersystem Kapitalbildung be-
strafte und überflüssigen Verbrauch begünstigte

wenn nicht die durch das gleiche Finanzsystem
erst ermöglichte öffentliche Ausgabenpolitik un-
bekümmert um die Not des Kapitalmarktes
sich als Selbstzweck statt als Dienerin der
Wirtschaftlichen und sozialen Wohlfahrt be-
trachtete." Die grösste Bedeutung einer
Reichsfinanzreform besteht aber darin, dass
erst nach ihrer Durchführung an die Verwirk-
lichung einen Reparationsrevision i gedacht
werden kann, die Deutschland seine politische
und wirtschaftliche Freiheit wiedergibt.

Wanzausgleich und Wanzmißwirtschaft.
Die Steuervergünstigungen der öffentlichen Sand.
! Die steuerfreien Mammut-Betriebe der Kommunen.

Wird Hilferding der Aufgabe gewachsen
sein, eine Gesundung der Reichssinanzen nicht
nur durch den Steuerumbau herbeizuführen,
sondern auch dadurch, daß der endgültige Fi-
nanzausgleich jedem das Seine gibt? Ein
Steuerumbau wird nicht möglich sein, wenn
nicht für unvermeidlich notwendige Senkun-
gen der Steuerlast gewisse Ausgleiche geschaf-
fen werden, wobei es sich nicht darum handelt,
neue Steuerguellen anzubohren, sondern die
gesamte Steuerlast gerecht und gleichmäßig zu
verteilen. Es ist ein auf die Dauer untrag-
barer Zustand, daß das Mammutgebilde der
öffentlichen Hand steuertechnisch und finanz-
politisch eine Ausnahmebehandlung erfährt,
trotzdem oder gerade, weil die Tätigkeit der
öffentlichen Hand durchaus aus Erwerb und
Gewinn gerichtet ist. In dem Maste aber, wie
die Unternehmungen der öffentlichen Hand,
wie sie sich auf Gebiet erstrecken, die der Ver-
waltungstätigkeit der Länder und Gemeinden
als solche fremd sind oder fremd sein sollten,
in dem Maste wächst aber auch der Kapitalbe-
darf der öffentlichen Hand.
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Wir haben jüngst erlebt, daß drei Grost-
stadtgemeinden, Berlin, Frankfurt a. M. und
Breslau, an den inländischen Geldmarkt her-
angetreten sind, um für den Ausbau ihrer ge-
meindlichen Betriebe erhebliche Summen auf-
zunehmen. Es ist an sich bedauerlich, dast die
Großbanken, die doch unmittelbar mit dem
Geldmarkt verbunden und verwachsen sind, die
Stadtverwaltungen nicht darauf aufmerksam
gemacht haben, daß sich so beiläufig 100 Mil-
lionen Mark im Handumdrehen nicht beschaf-
fen lassen. Auch die Stadtverwaltungen selbst
hätten sich sagen müssen, dast der deutsche Geld-
markt unmittelbar nach dem Mißerfolg der
Reichsanleihen sich noch nicht wieder so erholt
haben könnte, um neue Schuldverschreibungen
der Städte ohne Schwierigkeiten aufzunehmen.
Wenn Länder und Gemeinden, die als die
eigentlichen Interessenten der Unternehmun-
gen der öffentlichen Hand anzusprechen sind,
sozusagen um jeden Preis auf dem inländi
scheu Kapitalmarkt als Kreditsucher auftreten,
so liegt ein Widerspruch darin, dast sie durch
den gemeindlichen Wettbewerb die Privatwirt-
schaft abzudrosseln suchen, trotzdem aber ver¬

langen, von dieser privaten Wirtschaft alimen-
tiert zu werden. Das läßt sich eindeutig an
dem Fall der Reichshauprstadt Berlin klar-
machen, die nicht nur die Verkehrsmittel, son-
dern auch die Versorgung mit Wasser, Licht
und Kraft nahezu vollständig monopolisiert
hat. Darüber hinaus betätigt sich die Ge-
meinde Groß-Berlin in allen möglichen ge-
werblichen und kaufmännischen Unternehmun-
gen. Gehört es wirklich zur Selbstverwal-
tung, daß eine Gemeinde größere Ziegeleien
betreibt, daß sie sich Druckereien zugelegt hat,
daß sie fast das ganze Jnftallationsgewerbe
beherrscht und viele andere mehr? Die Folge
ist, daß der Kapitalbedarf wächst.
Diesem Drang der Gemeinden und Länder,
sich wirtschaftlich zu betätigen, Mustereinrich-
tungen auf Regimentsunkosten zu schaffen,
würde sofort ein Riegel vorgeschoben, wenn
diese Betriebe der öffentlichen Hand gerade so
alle Steuern und Abgaben tragen müßten wie
die private Wirtschaft. Wenn darauf hinge-
wiesen Wird, daß die öffentliche Hand gemein-
nützig wirtschafte, weiter, daß eine Belastung
mit.Steuern nur dazu führen müsse, die Preise
für dis Verkehrsmittel, sowie für Licht und
Kraft zu erhöhen, so kann das wirklich nie-
manden überzeugen. Gemeinnützig ist schließ-
lich jede Wirtschaft, ganz abgesehen davon,
daß ein Unternehmen, das Spezialmaschinen
für die Industrie herstellt, an Gemeinnützig--
keil vielen Betrieben der öffentlichen Hand
überlegen ist. Es trifft auch nicht zu. Vast die
mehr oder minder große Steuerbefreiung der
öffentlichen Hand sich preispolitisch günstig
auswirkt. Wenn di; öffentliche Hand nicht
mehr in der Lage ist, innerhalb ihrer Mam-
mutbetriebe eigenes Kapital zu bilden, so hört
die Gemeinnützigkeit auf, wenn sie zum Aus-
gleich dafür auf dem Geldmarkt Betriebskapi-
tal zu Zinssätzen aufnimmt, die jede Rentabi-
lität unmöglich machen.
In diesen! Kapitalbedarf der öffentlichen
Hand drückt sich ja die Unfähigkeit aus, wirt-
schaftlich zu denken und zu handeln, d. h. Maß-
nahmen zu treffen, wie das jeder andere pri-
vate Betrieb auch tun must, wenn er nicht
unter dem Druck des Wettbewerbs zusammen-
brechen soll. Daß die Unternehmungen der
öffentlichen Hand selbst dann, wenn sie Mono-
polbetriebe sind, preispolitisch nicht gemein-
nützig wirken, wenn sie zwar ihre Leistungen
scheinbar wohlfeil abgeben, auf der anderen
Seite aber der privaten Wirtschaft die Kosten
für die Staats- und Gemeindeverwaltung auf-
laden, bedarf kaum einer Begründung. Die
Verwaltungskosten müssen ja irgendwie aufge-
bracht werden, io dast, da die öffentliche Hand
sich davon ausschließt, die Steuerlast für die
private Wirtschaft um so größer sein must.
Diese höhere Steuerlast, die nach Lage der
Sache -durchaus ungerecht verteilt ist, drückt
sich wieder in den Produktionskosten aus.
Wenn jemand daran interessiert ist, dast die
Länder- und Gemeindeverwaltungen glatt
und reibungslos arbeiten, daß Sicherheit und
Ordnung gewährleistet sind, so sind es die
Unternehmungen der öffentlichen Hand. Sie
können ebensowenig auf Steuerfreiheit An-
spruch erheben wie jeder andere Betrieb, denn
die Steuer an sich ist ja kein Opfer, sondern ein
Beitrag zu den Kosten der Staats- und Ge-
meindeverwaltung. Tatsächlich liegen die
Tinge so, daß die Steuervergünstigungen für
die öffentliche Hand, sowie vor allem auch
für die Konsinnvereine wesentlich dazu beige-
tragen haben, den Preisspisgel so Hochzutrei-
ben. Ein Steuerumbau hat also nur Sinn
und Zweck, wenn der endgültige Finanzaus-
igleich auf einer gerechten Verteilung der
Steuerlast aufgebaut ist.


fortgesetzte Verschiebung der steuerlichen Lasten
zuungunsten dieser Steuerarten, damit aber
auch zuungunsten der produzierenden Wirt-
schaft und zuungunsten der innerdeutschen Ka-
pitalbildung vollzieht, die — von allem an-
deren abgesehen — in der Notwendigkeit ihren
Ausdruck findet, in immer stärkerem Umfange,
damit aber auch zu immer höher werdender
Zinsbelastung das teure Auslandskapital an
Stelle des weggesteuerten Jnlandskapitals
heranzuziehen.
Nun weist die Finanzbürokratie auf die
Notwendigkeit hin, den Fehlbetrag von 1928
lim ordentlichen und außerordentlichen Etat
insgesamt 1132,2 Millionen RM.j zu decken',
diese Deckung soll im Laufe von zehn Jahren
erfolgen, so daß sich für das laufende Jahr
ein anteilmäßiger Betrag von über 100 Milli-
onen NM. ergibt. Ferner weist sie auf die be-
sonders starke Inanspruchnahme der Etats von
feiten des Reichsarbeitsministeriums hin: al-
lein die Inanspruchnahme aus der Arbeits-
losenversicherung, für die 130 Millionen RM.
in den Etat eingestellt sind, dürfte sich auf ins-
gesamt 330 bis 330 Millionen RM. belaufen,
so daß selbst bei Annahme des Sachverständi-
gengutachtens noch ein Fehlbetrag von 100 bis
IlO Millionen RM. zu decken wäre. Dazu
kommen noch neue Anforderungen des Reichs-
arbeitsministeriums (insbesondere für Krisen-
fürsorge, Invalidenversicherung uswZ, die auf
insgesamt über 100 Millionen RM. zusätzlicher
Beanspruchung hinauslaufen. Allerdings be-
hauptet das Reichsfinanzministerium, diesen
Anforderungen bisher nicht entsprochen zu ha-
ben und auch nicht entsprechen zu wollen. Ob
und inwieweit in diese Rechnung auch die Be-
träge eingestellt sind, die im Haag zusätzlich
zugesagt wurden und die auf rund 183 Millio-
nen RM. veranschlagt werden können, sei da-
hingestellt. Unter Berücksichtigung aller die-
ser Umstände glaubt das Reichsfinanzministe-
rium voraussagen zu müssen, dast etwaige Ent-
lastungen des Haushaltes aus- der Annahme
des Poung-Planes in Anspruch genommen
würden durch Ausgaben, die zur Ausbalancie-
rung dieses und des kommenden Haushaltes
notwendig seien, Es macht sogar schon die
Andeutung, daß neue Steuern Lzw. Steuer-
erhöhungen sich als notwendig erweisen wür-
den und daß an einen Steuerabbau nicht ge-
dacht werden könne.
An dieser ganzen Entwicklung zeigt sich
wieder einmal, dast die Ausgabenwirtschaft
des Reiches nicht nur der Finanzlage des Rei-
ches angepaßt wird, sondern dast das immer
über Erwarten hohe Aufkommen an Steuern
geradezu verderblich für die Finanzgebarung
des Reiches ist, für die aber nicht nur die Par-
lamente verantwortlich gemacht werden dür-
fen, sondern in erster Linie auch die Finanz-
bürokratie selbst. Dieses Finanzgebaren ist
um so unverantwortlicher, als noch in den letz-
ten Tagen der Haager Konferenz von offizi-
eller Seite versichert worden ist, dast „mit der
Annahme des Roung-Planes eine Grundlage
für die wirkliche und endgültige Sanierung
der deutschen Finanzen und die Entlastung der
Wirtschaft vom Steuerdruck gegeben sei." Die-
sen „Silberstreifen", mit dessen Hilfe man eine
Zustimmung für Annahme des Poung-Planes
erzielen wollte, behauptet man jetzt aber nicht
mehr zu erblicken, trotzdem die Verringerung
der Zahlungen unter dem Noung-Plan nicht
wegzuleugnen ist, Man geht sogar soweit,
das Jndustriebelastungsgesetz von 300 Millio-
nen RM. nicht abbauen zu wollen, trotzdem
es für den Etat nur den Charakter eines
durchlaufenden Postens hat, so daß auch bis-
her die Einnahmen nicht im Reichshaushalt
verblieben sind: etwas Aehnliches gilt für die
Befreiung der Reichsbahn von der Beförde-
rungssteuer usw.
Diesen Plänen gegenüber kann nicht ent-
schieden genug darauf verwiesen werden, daß
eine Verringerung der Reparationszahlungen
den Stellen zugute kommen must, die die Zah-
lungen bisher effektiv aufgebracht haben: das
ist aber die Wirtschaft in allen ihren Einzel-
erscheinungen: diese war und ist Lastentrüger,
nicht aber „das Reich", das nur als Verwal-
tungs- und Zahlstelle in Frage kommt. Eine
derartige Entlastung der Wirtschaft ist aber
— wie die obigen Ziffern deutlich genug zei-
gen— durchaus möglich, wenn sich die Aus-
gaben innerhalb der bisherigen Höhe halten:
stehen innerhalb dieses Rahmens Beträge nicht
zur Verfügung, müssen eben die Ausgaben
entsprechend reduziert werden: zumal wenn sie
— wie bei der Arbeitslosenversicherung — den
ausgesprochenen Charakter eines Mistbrauches
besitzen. Auf keinen Fall darf s wie der „Vor-
wärts" ankündigtej. die Entlastung aus dem
Poung-Plan einer Steigerung der Ausgaben-
wirtschaft sogar noch über das bisherige Mast
hinaus dienen.
Im übrigen sei darauf verwiesen, daß für
das kommende Etatsjahr der Haushaltsent-
wurf in rund zwei Monaten vorliegen must.
Die Unterlassungssünde des jetzigen Etatsjah-
res, für das der Voranschlag allen verfassungs-
mäßigen Bestimmungen zuwider vier bis fünf
Monate zu spät vorgeleqt worden ist, darf sich
nicht wiederholen. Schon in dem kommenden
Entwurf sollte zum mindesten der Versuch ge-
macht werden, durch eine nicht auf Einzelhei-
ten sich beschränkende, sondern wirklich an die
Grundlage gehende Finanzreform zu einer Be-
seitigung der wirtschaftlichen und finanziellen
Nöte in Deutschland beizutragen, und vor al-
lem Sicherungen einzuschalten, die automatisch

Noch liegt das Voung-Abkommen in der
Form, die es im Haag erhalten Hai, dem
Reichstag nicht vor und schon erleben wir ein
Vorspiel dessen, was nach seiner Annahme in
Deutschland erfolgen wird. Man spricht von
den Erleichterungen des Poung-Abkommens
und streitet darum, wem sie zugute kommen sol-
len. Damit drückt man etwas Negatives po-
sitiv aus. In Wahrheit handelt es sich bei
einer Betrachtung auf etwas längere Sicht nicht
so sehr um eine Verringerung der Lasten als
um die Frage, wer die Lasten des Poung-Pla-
nes tragen soll, mit anderen Worten, wie diese
auf die verschiedenen BevöMrungsgrnWe«

und Wirtschaftszweig zu verteilen sind. Jeder
möchte dabei gut abschneiden: aber keiner sollte
sich dabei darüber täuschen, daß alle mitein-
ander Haare lassen müssen.
Diese Erkenntnis ist heute noch keineswegs
Allgemeingut von Wirtschaft und Volk gewor-
den, im Gegenteil. Cs sind kaum schüchterne
Ansätze dabei zu beobachten. Wie das in
Deutschland üblich ist. geht der Druck nach in-
nen statt nach außen. Alle Energie wird an
die Bekämpfung des innerpolitischen Gegners
gesetzt: den eigentlichen Urheber der Not sieht
man demgegenüber gar nicht mehr. Es ist
wie rn dem Märchen von den beiden Riesen.,

die unter einer Eiche lagern und denen das wi
tapfere Schneiderlein die Ruhe stört, indem es Lc
ie vom Baurn herunter mit Aesten undEicheln de
attackiert. Die beiden Riesen vermuten einer zu
im andern den Störenfried, geraten sich in die A
Haare und bringen sich schließlich um. tu
Wir haben immer wieder darauf hingewie-
en, wenn man in Paris bei den Verhandlun-
gen über den Poung-Plan von der deutschen
Leistungsfähigkeit sprach, dast dieser Begriff
der Auslegung bedarf. Es fragt sich nämlich,
wie hoch bzw. wie niedrig man das Existenz- di
minimuni für das deutsche Volk in seiner Ge- v<
samtheit auflassen will. Oder um mit den j sü
klassischen Worten Walther Rathenaus zu te
reden: Es kommt nur darauf an, wie tief man , F
in die Not hineinsteigen will. Dem Versuch, ei
das Existenzminimum zugunsten von auf Ge- ! zr
nerationen ausgedehnten Tributen zu drücken, zi
fetzt das'deutsche Volk in allen seinen Sch ich- h
ten auch nach der Einigung im Haag begreif- : is
lichen Widerstand entgegen. Das ist der Sinn w
all der Kämpfe der letzten Wochen auf dem u
Gebiet der öffentlichen Ausgabewirtschaft, der i st
Steuern usw. Und diese Kämpfe werden, h
wenn das Poung-Abkommen erst endgültig , d
unter Dach ist, nicht abflauen, sondern immer : >1
schärfere Formen annehmen. Damit müssen : b
wir rechnen. Es hat gar keinen Zweck, sich in Ä
dieser Hinsicht irgend etwas vorzumachen. j ß
Soweit auf dem Wege innerer Reformen
Ersparnisse gemacht werden können, durch i
welche das Existenzminimum nicht gesenkt, ja l
infolge der Erzielung eines höheren Wir- i L
kungsgrades der Wirtschaft sogar gehoben r
werden kann, müssen diese beschleunigt in An- i k:
griff genommen werden, nachdem der Handel > l
mit Frankreich um das Rheinland beendet und z k
dadurch eine Klärung herbeigeführt worden j !
ist. Es bleibt uns hier ein gewisser Spiel- !
raum. Aber leider beweisen die Erfahrungen, i
die gerade jetzt mit den Bemühungen um eine
Gesundung der Arbeitslosenversicherung ge-
macht werden, daß keineswegs dis Einsicht für
die Bedeutung dieser Aufgabe vorhanden ist '
und noch weniger der Wille, ihr gerecht zu
werden. Es ist nun einmal io, daß der Parla-
mentarismus in seiner auf die Spitze getrie- i
denen Form, wie Deutschland ihn hab, ein Ar- !
beiten nach sachlichen Gesichtspunkten, nach Er- s
Wägungen der Zweckmäßigkeit aufs äußerste i
erschwert, ja unmöglich macht. Die Frage, die !
sich die regierenden Parteien vorlegen, lautet ,
nicht: Was dient dem Volke und der Sache?, .
sondern: Wie reagieren unsere Wähler dar-
auf? Daher das ganze Elend. Was getan
werden müßte, weil innere Notwendigkeiten i
es erheischen, geschieht trotzdem nicht. Die Par-
tsipolitik setzt Fachkenntnis und Sachverstand
schachmatt. Es gibt wohl noch Verantwor-
tungsbewusttfein, wenn man so will, gegen-
über der Partei, aber nicht mehr gegenüber
dem großen Ganzen und der einzelnen Sache.
Es bedarf keiner Prophetengabe, um voraus- i
zusagen, daß eine Beibehaltung dieses Systems i
die deutsche Wirtschaft in unhaltbare Zustände
führen und den auf Bürgerkrieg hindrängen-
den Tendenzen immer mehr Nahrung spenden
muß.
Kein Ausweg aus dieser Lage ist es,, wenn
inan die öffentlichen Finanzen, die am stärk- !
sten unter dieser Art zu „wirtschaften" leiden,
aufhelfen will, indem man die Steuerlasten
lediglich umgruppiert. Das heißt um das
Problem herumgehen, statt es beherzt anfas-
sen., Der preußische Handelsminister. Schrei-
ber hat angeregt, eine Senkung der Einkom-
mensteuer und der Gewerbesteuer dadurch
möglich zu machen, daß man Alkohol und Ta-
bak stärker belastet, lieber diesen Vorschlag
lästr sich an sich zweifellos reden, aber man
darf dabei doch nicht übersehen, daß diejenigen
Wirtschaftskreise, die von Alkoholerzeugung
und -vertrieb und vom Tabakhandel direkt
und indirekt leben, durch eine solche Neuver- i
teilung der Steuern aufs schwerste in Mitlei-
denschaft gezogen würden, daß eine Einschrän-
kung von Produktion und Handel auf diesen!
Gebiet die Folge davon wäre, womit ein i
Steuerausfall verbunden wäre, für den dann i
doch wieder andere Kreise aufkommen müßten, i
ganz zu schweigen von der damit verbundenen
höheren Belastung der Verbraucherschaft, durch :
welche die Senkung der Einkommensteuer usw.
zum guten Teil wieder wettgemacht würde..
Der Hinweis Schreibers auf die höhere Be- :
steusrung des Alkohols und Tabaks in Eng-
land könnte erst beweiskräftig sein, wenn man i
diese Besteuerung im Rahmen des gesamten
englischen Steuersystems betrachtete und dann
erst mit der deutschen vergliche, was Schrei- :
ber ebenso wie sein Kollege Ho-epker-Aschoff, !
der sich im gleichen Sinne wie Schreiber aus- i
sprach, unterlassen Haden. Er ist auch nicht un-
gefährlich, weil daraus leicht vom Ausland
wie von deutschen Parteien Forderungen auf
ein noch stärkeres Anziehen der Steuerschraube ,
hergelsitet werden dergestalt, daß man wohl
den Alkohol und Tabak stärker besteuert, im
übrigen aber alles beim alten läßt. Nach
allein, was bisher erlebt wurde, würde es bei: -
Versprechungen auf Senkung von Einkommen- !
und Realsteuern bleiben, die dann doch nicht
eintritt, weil die verfehlte Ausgabenwirtschaft
immer neue Löcher schafft, die zu stopfen sind, i
Nichts anders war ja auch die stärkere Heran- :
ziehung des Alkohols gemeint in der ursprüng-
lichen Vorlage Hilferdings zur Beseitigung ,
des Defizits im, Reichshaushalt.
Das ceteruM eenseo bleibt eine vernünftige '
Sozialpolitik und Ausgabenwirtschafk Lber-
harrpt.. Nur von dieser Seite hex kann eine i
 
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