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Hülsen, Julius; Wiegand, Theodor [Hrsg.]
Milet: Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen seit dem Jahre 1899 (Band 1,5,Text): Das Nymphaeum — Berlin, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.3617#0016
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I. Baubeschreibung.

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höher; von seiner Bodenfläche ist noch ein kleines Stück zu beiden Seiten des zerstörten Gewölbescheitels
(vergl. Tafel 8 und 10) vorhanden. Die Behälter waren mit einer roten Betonschicht von 3 cm Dicke
ausgekleidet, auf der ein dünner Plattenbelag gebettet war. Beide Hochbehälter werden von einer
Fortsetzung des Aquädukteneinlaufs, einer niedrigen Kanalmauer, die querlaufend etwa auf den mittleren
Röhrenschacht gerichtet ist, voneinander getrennt. Im kleineren nördlichen Hochbehälter gemessen,
ragt dieses Trennungsmäuerchen noch etwa 1,15 m über den Plattenboden empor, seine ganze Höhe
überstieg jedenfalls nicht diejenige der Aquäduktrinne, da dieses Mäuerchen kaum höher als der höchste
Wasserstand der Behälter zu sein brauchte.

Der ungleiche Flächeninhalt und die verschiedene Höhe der beiden Hochbehälter wird naturgemäß
in der den verschiedensten Zwecken entsprechenden Verteilung der Wassermengen seinen Grund ge-
habt haben. Für die Wasserspeier in der Front war wohl nur eine bestimmte kleinere Menge Wasser
für den Tag nötig, für die der kleinere Behälter ausreichte. Floß nun das Wasser im Aquädukt reich-
licher, so lief wahrscheinlich die Menge, welche den Tagesbedarf für die Speier überstieg, durch einen
Überlauf in den andern größeren Hochbehälter, der wiederum zur Regulierung der Wassermassen der
ganzen Anlage diente. Wenn also z. B. die tägliche Lieferung der Quelle durch Regenfälle bedeutend
erhöht wurde, so hatte man durch den großen Hochbehälter die Wassermasse in der Gewalt; dieser
Behälter füllte sich dann gänzlich, und es floß die größere Wassermenge ab in den Tiefbehälter, durch
welchen wiederum der Schöpfbehälter gespeist wurde. Der Tiefbehälter für sich hatte wohl den Zweck,
einen größeren Vorrat möglichst schnell dem Verbrauche zugänglich zu machen, namentlich vielleicht
morgens, wenn vom Marktplatz aus Wasser für den Tagesbedarf geholt wurde.

Ob und wieweit die beiden Hochbehälter und der Tiefbehälter nach Art von Klärbecken auch
noch einzeln oder vereinigt zum Absetzen von Sinkstoffen dienten, läßt sich nicht mehr nachweisen
und kann lediglich vermutet werden. Es ist sehr wahrscheinlich, daß im Falle einer Reinigung oder
Reparatur des Wasserwerks und des Brunnens der Zustrom des Aquäduktes beim Einlauf durch einen
Schieber gesperrt und, ohne den Bau passieren zu müssen, unmittelbar abgeleitet werden konnte. Hierzu
dienten die oben schon erwähnten Überlaufsstränge, die in den vor die Hinterfront des Wasserwerks
gesetzten Pfeilern lagen und mit dem Kanalnetz in Verbindung standen. Mit ihrer Hilfe konnte jeden-
falls auch zur Winterszeit dem Andrang ungewöhnlich großer Wassermasssen begegnet werden. Zum
Ausgleich der letzteren und des Zustromes überhaupt diente ein südlich vor der Stadt liegender Sammel-
behälter, dessen Reste, jetzt von einem Getreidefeld ausgefüllt, etwa 1700 nordöstlich vom Dorfe Akköi
aufgefunden wurden. In gerader Linie gemessen, befindet sich dieser Sammelbehälter etwa 3300 m
fast genau südlich vom Nymphaeum ; er liegt etwa 30 m über der Mäanderebene und nahm die Quell-
zuleitungen auf, zu denen ein südöstlich noch nachweisbarer Wasserkanal gehört haben mag. Die Ouell-
fassungen werden wohl in dem unteren, etwa IOO—150 m hohen Felsplateau des von Nordosten nach
Südwesten gerichteten sich bis zu 250 m erhebenden, äußersten Ausläufers des Latmos gelegen haben.
Von den Quellen in diesen Kalkfelsen bis zum Sammelbehälter scheint die Zuleitung noch rund 2000 m
betragen zu haben. Die Größe des Sammelbehälters ist nicht mehr meßbar.

Beide Hochbehälter fassen bei vollständiger Füllung eine verhältnismäßig geringe Menge Wassers.
Nehmen wir an, daß der Wasserspiegel, um einen Rückstau zu vermeiden, etwa 5 cm unter der Sohle
des Aquäduktrohres liegt, so ergibt sich bei der Multiplikation des Flächeninhaltes des kleinen Be-
hälters mit dessen Fassungshöhe (25,90 qm x 0,82 m Höhe) eine Wassermenge von 21,23 cbm, bei
dem größeren Behälter (45,83 qm x 1,65 m Höhe) eine solche von 75,61 cbm. Die Hochbehälter
fassen demnach insgesamt 96,85 cbm. Diese Menge konnte gänzlich von dem Tiefbehälter aufgenommen

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