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Hülsen, Julius; Wiegand, Theodor [Hrsg.]
Milet: Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen seit dem Jahre 1899 (Band 1,5,Text): Das Nymphaeum — Berlin, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.3617#0090
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IV. Zur Entwicklung- der antiken Brunnenarchitektur.

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1. Der Name bezeichnete in älterer Zeit den Kultort an der Quelle1). Bei den römischen
Prachtbrunnen ist er von den zahlreichen Quellen, aus welchen das Zuleitungswasser in der Regel
zusammenkommt, auf den Kopf der Leitung übertragen. Dieser Ort wird in den Schutz der Nymphen
gestellt, welche allmählich zu Personifikationen des entströmenden Wassers (fluidae puellae, Dracontii
carm. min. II 102 ed. v. Duhnl überhaupt werden. Die alten Kulte sind gewissermaßen zusammen-
gelegt, da den Quellen ein neuer Lauf und eine künstliche Vereinigung gegeben worden ist. In manchen
Fällen, so in Milet, traten die in gemauerten Kanälen unterirdisch abgefangenen Quellen gar nicht mehr
zutage und der Kult wurde dort gegenstandslos, wo er seit archaischer Zeit bestanden hatte. Der neue
Prachtbau wird zum vaö<; tuiv ttuywv oder Nuutpüüv (Side, Lanckoronski, Pamphylien-Pisidien I Inschr.
Nr. 107).

2. Die Zuführung des Wassers erfolgt durch Hochleitungen, infolgedessen wird die Wasserkammer
zum Hochbassin.

3. Die Vorderwand der Hochbassinanlage wird zur ausgesprochenen Schmuckwand, welche bis zu
drei Stockwerken aufgeführt wird, während wir mehrstöckige griechische Anlagen dieser Art nicht kennen.

4. Da die für die größeren griechischen Nutzbrunnenanlagen charakteristischen einstöckigen Schutz-
hallen, innerhalb deren geschöpft wurde, den neuen hochstrebenden Schmuckprinzipien entgegen sind,
so fallen sie weg. Der Schöpfraum liegt nun unter freiem Himmel, die Wasserfront bleibt weithin
sichtbar, ihre Stützen sind dekorative Schmucksäulen, oft aus farbigem Material. Bevorzugt wird der
reichste korinthische Stil, Vitr. de arch. I 2 S. 13, 28 Rose: . . Fonti Lumphis corinthio genere con-
stitutae aptas videbuntur habere proprietates, quod bis diis propter teneritatem graciliora et florida
foliisque et volutis ornata opera facta augere videbuntur iustum decorem.

5. An Stelle der einfachen Wasserspeier in Gestalt von Raubtierköpfen, Pferdeprotomen, Silensmasken
u. dgl. treten vorwiegend ganze Figuren (<rfäXuaTa, Zwibia), wie Nymphen und Silene, Meer-, Flußgötter
•oder ähnliche Personifikationen, welche sich in Nischen oder Tabernakeln der Schmuckwand angliedern-);
dazu kommen Figuren ohne den praktischen Zweck des Wasserspendens, Götter, Halbgötter, Kaiser-
bilder oder Porträts wie die der Familie des Herodes Atticus im Nymphäum zu Olympia.

6. Der Schöpfraum vor der Schmuckwand wird aus rein dekorativen Gründen zu einem großen
Bassin ausgestaltet, an dessen Vorderwand man oft in einem besonderen, vorgelagerten, kleineren Schöpf-
raum das Wasser entnimmt, während das große Bassin unzugänglich bleibt.

7. Das Schmucksystem der Hauptwand setzt sich auf Seitenflügel, wie in Amman, oder auf die
Seitenwände des vorgelagerten Bassins, wie in Milet, fort, welche z.T. ebenfalls Säulen oder Statuenschmuck
in Tabernakeln erhalten.

Weithin ragende Wahrzeichen also wurden die römischen Nymphäen, erbaut an Hauptplätzen
oder Straßenabschlüssen der Städte. Anschaulich hat A. Schulten (Das römische Afrika 1899 S. 59)
geschildert, wie die städtischen Hauptstraßen oft die Fortsetzungen einer der großen Heerstraßen ge-

J) So befand sich ein Nymphäum an der Stelle, wo der Tigris zutage trat, Piin. N. H. VI 128. Quelle mit Nymphenaltar
schon bei Homer Od. 17, 2ioff.; nnderes bei Maaß, Tagesgötter S. 60. Drei Nymphen an der Quelle sind dargestellt auf einem
spathellenistischen Brunnenrelief im Garten des K. Ottomanischen Museums zu Konstantinopel: zwei stehende und eine sitzende Figur,
zwischen ihnen die Nachbildung zweier Felshöhlen, aus denen sich das Wasser ergießt. Die Ausgüsse selbst werden gebildet von
zwei Taschenkrebsen, die zur Hälfte aus der Höhle herausragen. Über Nymphengärten vgl. M. Gothetn, Ath. Mitt. XXXIV
1909 S. 113 ff.

ii Kine Ausnahme bildet das Nymphäum von Side, wo die 9 Ausgüsse nicht figürlich sind und der Bildschmuck sich als
Relief an den Schrankenstücken des Bassins befindet. Petersen bei Lanckor onski, Städte Pamphyliens und Pisidiens I Taf. 30.
 
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