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I.

Wenn man vom Meere ab das Mäander-Thal hinaufgeht, fast genau in
östlicher Richtung, so gelangt man nach 150 Kilometern, in Luftlinie gerechnet, zum
Städtchen Sarai-Köi. Von hier weiter aufwärts ist der Lauf und der Charakter des
Mäander ein anderer. Er kommt uns von Norden und Nord-Osten entgegen, seine
Ufer begleitet nicht mehr eine breite und fruchtbare Ebene, durch die der Flufs in
tausend Windungen sich hinschlängelt, sondern das Flufsthal wird enge und schlucht-
artig; das Gefälle, das von Sarai-Köi bis zur Mündung nur 150 Meter beträgt, ist
für die obere kleinere Flufshälfte, also von der Quelle bei Apamea-Kibotos bis
Sarai-Köi, an 800 Meter stark, und der stille Flufs der Ebene zeigt sich als reifsender
Bergstrom. Wer ohne eine Karte in der Hand vom Meere bis Sarai-Köi gekommen
wäre, der hätte hier leicht den Mäander verloren und einen kräftigen Zuflufs, den
Lykos, der in der Hauptrichtung des Mäander von Osten und von den Abhängen
des Kadmos-Gebirges kommt, für die Fortsetzung des Mäander und die ansehnliche
Ebene, die seinen Lauf auf fünf bis sechs Stunden begleitet, für die verlängerte
Mäander-Ebene gehalten.

Die beiden Flüsse Mäander und Lykos bilden einen Keil, dessen Füllung
ein unregelmäfsiger weithin ausgedehnter Gebirgsstock bedeckt. An dem dem
Lykos zugewendeten Abhang dieses Gebirges, 16 Kilometer von Sarai-Köi, etwa
100 Meter oberhalb des Gebirgsfufses, 160 Meter über dem Flufsspiegel des Lykos
fliefst seit undenklichen Zeiten eine mächtige heifse Quelle aus der Bergwand. Sie
ist reich mit Kohlensäure und Kalk gesättigt. Sobald die Quelle zu Tage tritt,
beginnt die Kohlensäure sich zu verflüchtigen, und nun fällt der Kalk nieder und
bildet ein weifses Gestein, das nach und nach grau, hart und kompakt wird. Seit-
dem die Quelle fliefst, hat sie soviel Kalkstein gebildet, dafs an der natürlichen
Berglehne sich eine Steinmasse vorgelagert hat, die eine fast horizontale Terrasse
von 2700 Meter Länge und 300 Meter mittlerer Breite bildet und an 100 Meter
über dem Rande der Ebene sich erhebt. An den beiden Enden dieser langen
Terrasse kommt je ein Flüfschen aus dem Gebirge, das dem weiteren Vordringen
des Mineral-Wassers Einhalt that, sonst hätte wohl eine allmähliche Abflachung
stattgefunden. Auf dieser Terrasse liegt die Stadt Hierapolis mit ihren ausgedehnten
Nekropolen, in ihrer südlichen Hälfte mit einer etwa 2 Meter dicken Versteinerung
seit der Römerzeit überzogen, in ihrer nördlichen Hälfte fast stabil geblieben. Wie-
weit der Vorderrand der Terrasse seitdem in die Ebene vorgeschoben ist, läfst sich

nur ungefähr auf 10—20 Meter schätzen.

Jahrbi des Inst. Erg&uzungi-Heft IV. I
 
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