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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 23.1875

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Heft 5
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https://doi.org/10.11588/diglit.62253#0114
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°«HK 5. Kest. inul Hi»«.

Zwölf Witlione«.
Roman von Emil Gnlroriau.
Erster Thcil.
Die Strohmänner.
I.
Es gibt in ganz Paris weit und breit keine stillere Straße,
als die Aegidicnstraße, wenige Schritte vom Königsplatze
entfernt. Da gibt es weder Wagen noch Gedränge von Fuß-

gängern. Kaum wird das allgemeine Schweigen durch das
zeitweise Geläut der Franziskaner- oder der Ludwigskirche,
oder durch den Jubel der Schüler der Unterrichtsanstalt Mas-
st» während der Freistunden unterbrochen.
Abends, noch vor zehn Uhr, wenn aus dem Boulevard
Beaumarchais noch Alles voller Leben, Bewegung und Lärm
ist, werden Thüren und Läden geschlossen und in einem nach
dem andern der großen Fenster mit kleinen Scheiben erlöschen
die Lichter. Wenn aber nach Mitternacht noch einer oder
der andere Bürger seiner Wohnung zuschreitet, beschleunigt
er seine Schritte, wie beklommen durch die Einsamkeit und

besorgt vor den Vorwürfen des Hausmeisters, der ihn nach
dem Grund seines langen Ausbleibens ausforscht.
In einer solchen Straße ist Jeder dem Andern bekannt,
es gibt sin den Häuserns keine Mysterien, in den Familien
keine Geheimnisse, denn in solchen stillen Stadtvierteln hält,
wie in kleinen Städten, müßige Neugier immer einen Zipfel
des Vorhangs verstohlen gelüpft, und der Klatsch gedeiht so
üppig wie das Gras auf der Gasse.
So wurde denn auch am 27. April 1872, an einem
Sonnabend Nachmittag, in der Aegidicnstraße ein unbedeu-
tendes Ereigniß, das wo anders überall unbeachtet geblieben


Zwölf Millionen. Vincenz Favoral trat in diesem Augenblick in die Thüröfstnmg, bleich wie der Tod und dennoch ruhig. (S. 115.)
Originalzeichnung von H. Castelli.

Zllustr. Welt. XXIIf. 5.

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