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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 23.1875

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Heft 19
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https://doi.org/10.11588/diglit.62253#0469
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Stuttgart. HeipLig »tttl ^i^n.

Jer letzte Schuß.
Novelle
von
E. K. Leuze.
Er war begraben und damit war's aus und abgethan.
Das heißt für ihn, den alten Mann, der jetzt ruhig und
friedlich da unten lag, nicht für den jungen Erben, der
lauge so traurig und nachdenkend an der Gruft gestanden und
jetzt eben so traurig uud uachdenkend sich feinem neuen
Besitz zuwandte, die Ka-
pelle verlassend, den Hof
durchschreitend, und vor
dem die Dienerschaft so
tiefe Bücklinge machte.
roi 68t mort, vivs
le roi. Das war immer
so und wird immer so
sein. — Hans von
Gröben hatte gut gewußt,
was es heißt, in Be-
schränkung zu leben. Er
war früh Waise gewor-
den, dann von seinem
Onkel und Vormund, dem
eben verstorbenen alten
Herrn von Gröben, von
einem Institut zum an-
dern, dann für ein paar
Jahre auf die Universität,
zuletzt in eine landwirth-
schaftliche Schule geschickt
worden. Im Herbst sollte
er zu seinem Onkel auf
das Gut kommen, da
traf ihn ganz unerwartet
die Nachricht der Erkran-
kung uud wenig Stunden
später die Todesanzeige
seines Wohlthäters. Er
hatte ihn nicht viel ge-
kannt, nur hie und da
die Vakanzen bei ihm zu-
gebracht , aber dann war
der Greis immer freund-
lich und gütig gegen ihn
gewesen.
Jetzt war Hans plötz-
lich aus Armuth in Reich-
thum, aus Abhängigkeit
in Unabhängigkeit über-
gegangen und er konnte
nicht umhin, sich bei
Allem, was er sah, im-
mer wieder zu sagen:
„Das gehört nun mein,
Alles mein Eigenthum."
Er trat in's Schloß, wel-
ches zwar weder male-
risch noch architektonisch
interessant, aber schön

gehalten war; er ging in den Speisesaal, er trat auf
den Balkon, sah über weite Fluren voll wogenden Getraides,
über dunkle Wälder, — Alles sein — der schöne Garten voll
blühender Blumen, die Bäume voll herrlichen Obstes —
Alles, Alles sein. .
Aber auf dem glatten Kiesweg zeigten sich keine Fußspuren,
im ganzen Haus töute keine Stimme und die vielen Zimmer
waren alle leer! —
So verging eine Woche, Hans hatte viel zu thun, theils
mit Erbschaftsangelegenheiten, theils mit der Uebernahme
des Gutes, und war froh, als endlich au einem Sonntag
ein wahres Prachtwetter erschien.

„Heute wird nichts gearbeitet, nichts gethan!" rief er
aus, nahm zwei Riescurechnungsbücher und warf sie in die
Ecke des Zimmers, daß der Staub aufflog. Nach diesem
Ausbruch fühlte er sich halb erleichtert und etwas be-
schämt, hob die unschuldig Mißhandelten wieder auf, legte
sie an ihren alten Platz, nahm darauf seinen Strohhut und
verließ das Haus. Durch den Garten, quer über den Fahr-
weg, noch ein paarhundert Schritte und er befand sich im
schönsten, dichtesten Tannenwald. Sein Fuß sank tief in das
weiche Moos, über seinem Haupte stiegen steil und kerzen-
gerade die Tannen auf und ihre dunkeln Zweige zeich-
neten sich scharf gegen den blauen Himmel. — Dort


Kaiser Franz Joseph in Italien. Feuerwerk und Jllumittatiou ans dem Cnual Graudc. (S. 503.)



Zllustr. Welt. XXIII. 19.

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