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Wild, das sie erjagten, von jedem Gerstenmaß, das sie ernte-
ten, den zehnten Theil in das steinerne Haus abzuliefern.
Das ertrugen die Leute einige Zeit, dann machten sie sich
auf, erschlugen die Mönche, rissen das Steinhaus nieder und
richteten die Altäre der alten Götter wieder auf.
Da aber kam es herangezogen wie Ungewitter, eiserne
Männer auf gepanzerten Rossen, unzählig wie die Sterne am
Himmel. Die drei Berge hallten wider von Kampfruf und
Waffengeklirr. Hunderte wurden erschlagen und der Nest in
das blutig gefärbte Wasser getrieben. Die Wenigen, die heil
an's andere Ufer kamen, waren, wie man ihnen sagte, auf's
Neue Christen geworden und mußten das steinerne Haus wie-
der aufbauen und sich vor dem Kreuz beugen. Auf dem Biel-
stein aber erhob sich ein zweites Steinhaus mit dicken Mauern,
hohen Thürmen und tiefen Kellern. Dort saß der Vogt des
Landes mit seinen Knechten; der theilte den Wald und das
Feld ein, zog Marken und setzte Grenzsteine, erhob Zölle und
sprach Gericht, und die Leute mußten's zufrieden sein.
Wieder verstrichen Jahrhunderte. Da entstand im Thale
eine seltsame Bewegung. Die Thore der Burg öffneten sich
und der Graf zog heraus mit seinen Mannen. Hell funkelte
das Gemässen und die Fähnlein flatterten lustig im Wind.
Und der Bauer verließ seinen Pflug, der Schmied seinen Am-
bos, der Fischer sein Netz, um ihrem Herrn zu folgen. Auf
dem Gewand trugen sie rothe Kreuze, und statt der lustigen
Klänge des Hifthorns erschollen Psalmen und Bußgesänge aus
der Schaar. Sie zogen aus dem Thal hinaus auf die Heer-
straße, immer weiter, nach Welschland, über die See in's heiße
Morgenland hinein, und die Berge sahen Keinen wiederkehren.
Dann kam eine lustige Zeit. Auf der Habichtsburg saß
ein ehrenfester Rittersmann, der sich den Teufel um den Land-
frieden, um Kaiser und Reich kümmerte. War er nicht ander-
weitig beschäftigt, so lugte er von seinem Felsennest in's Thal
hinab, wo sich eine holperige Straße durch Hohlweg und Ge-
klüft hinzog. Und wenn die Kaufleute des Weges gezogen
kamen, um ihre Pfeffersäcke auf die Messe zu bringen, da er-
klang ein Hörnlein von der Zinne, der Ritter stieß nieder auf
das Krämerpack, wie der Habicht aus das Hühnervolk, und
nahm sich, was er für den Hausbedarf brauchte. Er brauchte
aber viel.
Wie gesagt, es war eine lustige Zeit, auch für die Bauern
in der Einöd, namentlich für ihre Weiber und Töchter. Der
Ritter war ein gar spaßhafter Herr und veranstaltete seinen
Hörigen allerhand Kurzweil, lustige Jagden, wobei die Hufe
der Rosse die Maulwurfshaufen auf den Feldern auseinander
traten, Wettrennen, bei welchen der größern Sicherheit halber
der Reiter auf den Hirsch festgeschmiedet wurde und derglei-
chen mehr.
Undank ist der Welt Lohn. Die Bauern, die nur wenig
Verständniß für die väterliche Liebe ihres Herrn hatten, rotte-
ten sich eines Tages zusammen und zogen mit ihren Sensen
und Morgensternen vor die Habichtsburg. Der rothe Hahn
schwang seine Flügel und Ritter und Troßbub fanden ihr
Grab unter den Trümmern des Felsennestes.
Dafür wurden später die aufständischen Bauern geköpft,
gerädert und geviertheilt. Die alten Berge hatten das kommen
sehen und schauten mit Gleichmuth zu.
Sie haben noch manches Interessante in der Einöd wahr-
genommen bis auf heute, denn viel ist seitdem über das Thal
gekommen; ruhige Jahre und Kriegsnoth, Mißernte, neue
Steuern, Feuersbrünste, Einquartierung, Landesvermessung und
eine projektirte Eisenbahn. Die Berge aber sind sich gleichge-
blieben, und wenn auch ihre Rinde seit der Zeit, da die Pfahl-
bauern sich ihre Steinmesser an den Abhängen schlugen, etwas
morsch und bröckelig geworden ist — die alten Herren können's
schon noch ein paar Jahrtausende mit ansehen, ohne befürchten
Zu müssen, daß ihnen der Regen durch den Paletot dringt.
Da stehen sie also, Donnersberg, Bielstein und Drachen-
berg, blicken nieder in das grüne Thal und denken der Ver-
gangenheit. Man sollte fast meinen, daß ihnen die Zeit lang
wird. Am Tage vielleicht, aber Nachts sicherlich nicht, denn da
beginnt ein sonderbares Regen in den Schluchten und Wäldern.
Die versteinerten Knochen am Drachenberg fügen sich zu-
sammen und die ungefügen Saurier spielen um die Felsen
wie vor Jahrtausenden. In der Zwergenhöhle wird's leben-
dig ; die dickköpfigen Männchen kommen an die Luft und breiten
ihren sorgsam gehüteten Hort im Mondschein aus. Droben
am Hexentisch sitzen riesige Männer in Thierfelle gekleidet und
durch die Luft ziehen brausend und sausend die entthronten
Äsen. „Das ist die wilde Jagd," sagen die einfältigen Bauern.
— Und wenn im fernen Norden der Götterzug verschwunden
ist, dann gleitet es schattenhaft auf der Römerstraße einher;
die Adler und die Panzer blinken im Mondlicht, aber die Waffen
klirren nicht, der Huf der Roffe schallt nicht auf dem Steine.
Unabsehbar ist der Zug, der endlich in Nebel zerfließt. Unten
im Thal, in der Klosterruine, wandelt langsamen Schrittes durch
Gebüsch und Farrenkraut ein Mönch; er sucht etwas unter den
Trümmern und verschwindet gegen Morgen hinter einer ver-
borgenen Thüre. Drüben aber auf der Habichtsburg sitzt eiue
schöne, bleiche Jungfrau auf einem Stein; sie ringt die Hände
und harrt Dessen, der sie erlösen soll. Am lustigsten geht es
auf einem Vorsprung des Donnersbergs zu. Dort an der
Stätte, wo ehemals der Rabenstein gestanden, tanzt eine aus-
gelassene Bande; das sind die einst gefürchteten Rädelsführer
der aufständischen Bauern. Sie tragen theilweise die Köpfe
unter dem Arm und ihre zerbrochenen Gebeine klappern
den Takt.
So unterhält man sich in der Einöd um Mitternacht, und
die alten Berge schauen zu und würden beifällig mit dem Kopf
nicken, wenn das ihr steifer Nacken zuließe.

ILlustrirte Welt.

Geehrter Leser! Wenn Du bis hieher gekommen bist und
aus der Einleitung auf eine Gespenstergeschichte schließend nicht
weiter liest, so bringst Du Dich um einen großen Genuß. Lies
also geduldig noch ein paar Zeilen weiter, und Du wirst Dich
sofort überzeugen, daß die Personen, die ich Dir vorzusühren
gedenke, Fleisch und Bein, Kattunkleider und Tuchröcke, kurz
Alles besitzen, was ein anständiges Gespenst als weltlichen Tand
verschmäht.
Die Häuser der Einöd stehen zerstreut und ziehen sich am
Berg hinauf bis dahin, wo der Wald der Wiesenkultur eine
Schranke zieht. Dort steht das größte und freundlichste Haus
des Dorfes, und das Hirschgeweih am Giebel belehrt uns, daß
hier die Försterwohnung ist. Scheune und Schuppen, sowie
Stallungen sind auch vorhanden und mit dem Wohnhaus
durch einen kleinen Garten verbunden, in welchem Liebstöckel,
Fuchsschwanz, Eibisch und Nelken, die gewöhnlichen Zierpflanzen
der Baucrngärten, ihre Häupter über das unscheinbare Gemüse
emporheben.
Es war ein Junimorgen und die Sonne, die in diesem
Monat viel zu schaffen hat, war bereits seit einigen Stunden
auf dem Weg. Im Försterhaus rief der Kukuk der schwarz-
wälder Uhr sechsmal. Mit dem letzten Ruf öffnete sich die
Thür und heraus sprangen eins, zwei, drei, vier Kinder, zwei
Jungen und zwei Mädchen, welche sämmtlich Bücher und
Schiefertafeln unter dem Arm trugen. Zuletzt kam noch ein
Mädchen, das war offenbar nicht mehr im schulpflichtigen Alter.
Dafür sprachen die jungfräulichen Formen, welche die eckigen
Linien der Backfischperiode bereits überall siegreich zurückgedrängt
hatten, und überdieß das lange Kattunkleid, welches bis auf
die Füße herabreichte. Ob die Füße Füßchen, das heißt klein
und zierlich waren, ließen die derben Lederschuhe, offenbar aus
der Hand des Dorfkünstlers hervorgegangen, nicht erkennen.
„Gebt in der Schule hübsch Ächt!" sagte das Mädchen,
„und ihr, Jungen, rauft euch nicht aus dem Heimweg! Wenn
wieder einer feine Schiefertafel zerbricht, so kaufe ich ihn: keine
neue, sondern sag's dem Vater und dann setzt's einen Katzen-
kopf!"
„Adjes, Ev'!" riefen die Kinder und sprangen den Abhang
hinunter, daß die Schwämmchen, welche an ihren Tafeln mit
langen Bindfäden befestigt waren, lustig hin und her flogen.
Eva, die ältere Schwester des kleinen Volkes, rief ihnen zwar
nach: „Langsam, langsam!" aber ihre Stimme verhallte un-
gehört.
Sie ging in das Haus und kam zurück mit einem Leintuch
über dem Kopf und einem verdeckten Speisekorb am Arm.
Hinter ihr in der Thür wurde ein Mann sichtbar, das war der
Förster Ditmar, der Vater der Kinder. Er war groß und
breitschulterig, sein röthlicher Bart reichte in zwei Spitzen bis
auf die Brust herab, und Hütte er statt der grauen Joppe ein
Bärenfell getragen, der Donnersberg würde bei seinem Änblick
geglaubt haben, die guten alten Zeiten, da noch der Altar des
Thor von Opferblut rauchte, seien zurückgekehrt.
Der Förster hielt eine Feder in der Hand, denn er mußte
einen Brief an seine Behörde aufsetzen, was, beiläufig gesagt,
nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen gehörte. Jetzt nahm
er die Feder zwischen die bärtigen Lippen, legte beide Hände
auf die Schultern seines Kindes und sah ihr in die blauen
Augen, dann strich er ihr behutsam, als fürchte er, dem lieben
Geschöpf weh zu thun, mit der Rechten über den Kopf und
sagte mit tiefer Stimme: „Mach's gut, Eva!"
Eva stellte sich auf die Zehen, der Förster ließ die Feder
los und küßte feine Tochter auf den Mund. Dann zog sie die
Schleife ihres Kopftuches fester und schritt den Berg hinan.
Dort besaß der Förster eine Waldwiese, welche heute ge-
mäht wurde, und die Wiese war Eva's Ziel. Der Vater
schaute ihr nach, bis ihr lichtes Kleid hinter den Baumstämmen
Verschwunden war, hob dann die Feder auf und ging zu seiner
Schreiberei zurück.
Eva war der Liebling ihres Vaters. Er hatte das Opfer
gebracht, ihr eine bessere Erziehung geben zu lassen, als dieß
in der Einöd möglich war. Seit Weihnachten war sie aus
dem nächsten Städtchen, wo sie drei Jahre lang mit einer
großen Büchertasche alle Morgen in das Institut der Mamsell
Winter gegangen war, zurückgekehrt und besorgte nun im
Verein mit einer ältern Verwandten dem Vater die Wirth-
schaft. Die Mutter ruhte schon seit Jahren auf dem Kirchhof
am Donnersberg.
*
Wenn Einer, sei es durch Abstammung, sei es durch Ent-
schließung der Gemeinde, Bürger oder vielmehr Nachbar in der
Einöd wird, so erhält er neben vielen anderen schätzenswerthen
Rechten auch die Erlaubniß, an den drei Wochentagen Dinstag,
Donnerstag und Sonnabend dürres Holz in den Gemeinde-
waldungen zu sammeln, eine Einrichtung, die nicht nur in der
Einöd, sondern im ganzen Land besteht.
In Frankreich, wo sich die Armen einer gleichen Vergünsti-
gung erfreuen, verehrt man als Urheberin derselben die gute
Königin Blanche. In Deutschland kennt das Volk Den, der
die wohlthätige Einrichtung getroffen hat, nicht, und wenn es
seinen Namen wüßte, so würde es kaum in Liebe seiner ge-
denken, denn es glaubt nicht nur auf das dürre Holz, sondern
auf den ganzen Wald Anspruch zu haben. Wald und Wild ist
frei — diese Ansicht wurzelt fest und wird von Geschlecht zu
Geschlecht fortgepflanzt. Der Waldfrevler, der sich fchämen
würde, einen Pfennig zu stehlen, macht sich kein Gewissen dar-
aus, mit der Holzaxt in den Wald zu schleichen und sich zu
holen, was ihm beliebt; und wenn er von seinem Femd, dem
Förster, ertappt und vom Gericht in's Loch gesteckt wird, so
schadet die Strafe seinem guten Ruf ebensowenig, wie der
Carcer dem des Studenten.

Die Bewohner der Einöd standen hinsichtlich des Wald-
frevels in keinem besonders guten Ruf und die Forstbeamten
hatten mit den Holzdieben ihre liebe Noth.
Auch heute war dafür gesorgt, daß Jemand den Holzsuchern
auf die Finger fehe, damit sie nicht Klafterscheite für dürre
Aeste nahmen und dieselben künstlich unter Reisig versteckt auf
ihren Schubkarren entführten.
Auf einem der vielen Pfade, die den Tannenwald des
Bielsteins durchkreuzen, schritt ein junger Jäger bergan. Er
war hochgewachsen, und die ausgebildete Muskulatur seines
Körpers, die einen Bildhauer in Ekstase versetzt haben würde,
ließ auf eine ungewöhnliche Kraft schließen. Sein regelmäßi-
ges Gesicht trug den Ausdruck der Offenheit und der Gut-
müthigkeit, und dieß im Verein mit seinem elastischen Gang
verliehen ihm trotz seiner Stämmigkeit etwas Knabenhaftes.
Er war mit einem Wort ein prächtiger Bursche, und das schien
er auch zu wissen, denn er hatte auf sein Aeußeres offenbar
viel Sorgfalt verwendet. Seine graue Joppe mit dem grünen
Kragen und feine mit einer Spielhahnfeder geschmückte Mütze
waren von feinem Tuch, seine Büchsflinte, sein Waidmesser und
die kleine Holzpfeife zeigten eine Eleganz, die man sonst nur
bei Sonntagsjägern antrifft. Wer aber nach dem ersten Ein-
druck auf einen solchen hätte schließen wollen, den mußte ein
Blick auf die rothe Saffianbrieftasche, die drohend aus der
Joppe hervorschaute, bald eines Bessern belehren, und wir
können, so leid es uns thut, dem Leser nicht verhehlen, daß
der junge Jägersmann in diesem Augenblick ein Stück Wald-
polizei repräsentirt.
Die Waldpolizei machte ein sehr wichtiges Gesicht, zuweilen
blieb der Jäger stehen und lauschte in den Wald hinein, ob
sich nicht irgend ein verdächtiges Geräusch vernehmen lasse,
und in der That ließ ein solches auch nicht lange auf sich
warten. Aus dem Dickicht drang ein Ton, wie ihn ein brechen-
der Ast von sich gibt, und der wilde Jäger schlug alsbald die
angezeigte Richtung ein.
Er war noch nicht weit gegangen, als er eine Gestalt ent-
deckte, die mit einem langen Haken einen dürren Ast von einer
Tanne herunter zu reißen bemüht war. Das war erlaubt,
aber der Jäger schritt nichtsdestoweniger näher.
Die Gestalt erwies sich als ein kleiner, alter Mann. Er
zog die abgegriffene Mütze vom Kopf und sagte mit demüthi-
gem Ton: „Waidmannsheil, Herr Förster!"
Der wilde Jäger / dem diese Anrede nicht übel gefiel, griff
gleichfalls an seine Mütze und erwiederte herablassend: „Guten
Morgen, Friederle," und mit einer gnädigen Handbewegung
fügte er hinzu: „Setzt nur auf," worauf der Alte sein Haupt
wieder bedeckte.
Der Waidmann ging prüfend um den Schubkarren herum,
auf welchen der Alte das gesammelte Holz gepackt hatte, fand
aber nichts Verdächtiges.
„Ihr habt doch keine Axt bei Euch?" fragte er.
„Gott soll mich bewahren!" versetzte der Friederle; „ich
eine Axt! Ein alter Soldat thut nichts Ungesetzliches, denn es
steht geschrieben: Seid unterthan eurer Obrigkeit, die Gewalt
über euch hat, wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verord-
net und hätte sie Flügel der Morgenröthe."
„Ihr seid ja erstaunlich bibelfest," bemerkte der junge
Mann.
„Das kommt davon, Herr Förster, weil ich früher Todten-
gräber gewesen bin; da hört man, was der Herr Pfarrer an
den Gräbern spricht, und da bleibt Einem Manches im Kopf
hängen. Aber, Herr Förster, Sie rauchen einen verflucht feinen
Tabak; das ist kein schwarzer Reuter, gelt? Leichter Portoriko,
he? Ja, so was kommt freilich nicht an unsereinen. Na, wenn's
Ihnen nur schmeckt, Herr Förster!"
Der wilde Jäger lächelte, dann zog er einen mit Eichen-
laub gestickten Tabaksbeutel aus der Tasche und reichte ihn dem
Alten. „Da stopft Euch eine," fagte er in huldvollem Ton,
und der Friederle that wie ihm geheißen.
„Ja, das ist ein Kraut," schmunzelte er, nachdem er seinen
mächtigen Maserkopf in Brand gesteckt hatte. „Jetzt noch ein
Glas Schnaps und ein Stück Brod und dann Einen, der mir
meinen Schubkarren nach Hause fährt, und zu Hause eine or-
dentliche Mahlzeit auf dem Tisch und ein Federbett und eine
Räubergeschichte zum Lesen, weiter hätte ich keinen Wunsch auf
Erden, denn so ihr Nahrung und Kleidung habet, so lasset
euch genügen, denn die da reich werden wollen, die fallen in
Versuchung und Stricke und lauter thörichte und schädliche Lüste,
wie geschrieben steht Matthäi am letzten, der da hütete die
Schafe seines Vaters und konnte doch seiner Länge keine Elle
zusetzen —"
„Hört auf, hört auf!" rief der Jäger lachend. „Uebrigens
kann ich Euch einen Theil Eurer Wünsche erfüllen." Er
schnallte seine Jagdtasche auf und entnahm derselben Brod und
Wurst, sowie eine kleine Flasche. „Jetzt setzt Euch, Friederle,"
fuhr er fort, „Ihr seid von mir zum Frühstück eingeladen."
„O, der junge Herr Förster ist außerordentlich gnädig; ich
habe zwar erst gestern gegessen, aber ich will keine Umstände
machen; eure Rede sei ja ja, nein nein, was darüber ist, ist
vom Uebel! Also ich sage ja, Herr Förster."
So sprach der Alte und setzte sich auf's Moos nieder. Der
Jäger that's ihm nach und theilte das Esten in zwei gleicheTheile.
„Was habt Ihr denn da in dem Tuch?" fragte er sein
Gegenüber, während dieses beschäftigt war, mit den Resten
seines Gebisses das etwas harte Brod zu zermalmen.
„Das sind Johannishände."
„Johannishände? Was ist das?"
Als Antwort löste der Friederle den Knoten des Tuches
und zeigte dem neugierigen Jäger eine Anzahl handsörmiger
Wurzelknollen.
 
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