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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 24.1876

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Heft 20
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Stuttgart. ^eipÄig uni! ^ien.

K e s ü H n t.
Erzählung
von
E. v. Bibra.
(Nachdruck verboten.)
Hastig flog am nächtlichen Himmel der Mond dahin, schein-
bar fliehend vor den Wolken, welche ihn verfolgten.
Unsere Urahnen, welche sich statt des Ueberziehers noch des
Bärenfelles bedienten, Pflegten dann zu sagen: „Managarm,
der Mondhund, und Hati, der böse Wolf, jagten den Mond."
Dann aber stand plötzlich der alte Mondmann klar auf dem
tiefdunkelblauen, ster-
nenbesäten Himmels-
grunde, angenehm lä-
chelnd und nieder-
blickend auf seine alte
Bekanntschaft, die Erde,
ob aus Zärtlichkeit
oder aus alter Gewohn-
heit, das weiß Niemand
zu sagen.
Unfern der glän-
zenden Scheibe aber
thürmte sich eine Wet-
terwand, tief schwarz
und scheinbar unbeweg-
lich, wohl weil sie hoch
über der Erde stand,
denn eilig sich tum-
melnd flog tief unter
ihr allerlei phantasti-
sches Wolkengesindel
dahin, welches sich
glänzend, fast wie bei
Tage, abhob vom dunk-
len Grunde, rasch wech-
selnd in Form und
Gestalt, bald ähnlich
fabelhaften Thieren,
bald wieder gespensti-
gen Weibern zu ver-
gleichen, oder rasch
dahin fliehenden, in
schleppende Gewänder
gehüllten Phantomen.
Also zieht der Hackel-
berg am nächtlichen
Himmel, wenn eben
eine richtigeSpuknacht,
wohl auch der von
Rodenstein, der Jagd-
zug des Königs Artus
und der alte Dänen-
könig Abel, den sie
1252 in der Schlacht
erschlugen und der vor-
her seinen Bruder er-
mordete, weßhalb er
wohl besser Kain ge-
heißen hätte, wie der
erste Brudermörder.
Jllustr. Wel>. LXIV. 20.

Allmälig aber näherten sich die finstere Wetterwand und
der Mond, und war er dann von ihr bedeckt, so herrschte
Dunkelheit auf der Erde, die niederziehenden Wolken verhüll-
ten auch das Sterneulicht und brausend flog dann die Winds-
braut über Forst und Feld und über der Menschen Häuser
und Hütten.
Solchen Wechsel aber von Ruhe und Sturm, von Licht und
Finsterniß liebt ganz besonders der Spätherbst zu bringen, und
in der Thal war die Nacht, von welcher wir sprechen, eine solche
des Jahres 1813.
Die beiden alten Gesellen in der Mühle, der Müller Her-
bert und sein Mühlknappe Hans, meist der „Husarenhans" ge-
heißen, saßen schon längere Zeit schweigsam sich gegenüber,

jetzt aber legte der Letztere einen Bündel Späne, an denen er
geschnitzelt hatte, beiseite, indem er sagte:
„Fort mit dem Zeuge! Bauernlichter das, und bei Euch,
Meister Veit, sollte von Rechtswegen eine solche Lumperei gar
nicht gebrannt werden."
Nun, der „schlanke Kienspan" erhellte freilich wohl noch
manches Jahrzehnt später die ländlichen Spinnstuben, aber es
war eben die Art des Husarenhans zu brummeln und zu schel-
ten, und der Müller gab auch gar keine Antwort, sondern blickte
schweigend vor sich nieder, bisweilen einen fast scheuen Blick nach
dem Fenster werfend.
Dann trat er an dasselbe, einige Sekunden lang hinaus-
blickend auf die Landschaft, welche der jetzt eben aus den
Wolken hervortretende
Mond plötzlich wieder
hell erleuchtete.
Besonderer Roman-
tik erfreute sich diese
Landschaft indessen
nicht. Flache Hügel be-
grenzten ein nicht sehr
breites Thal, durch
welches geräuschlos der
Mühlbach dahinzog.
Nichts von ungeduldi-
gem Brausen und wil-
dem Fortstllrzen, keine
riesigen Fichten, keine
ehrwürdigen Eichen
auf den Thalwänden,
sondern Haufen zusam-
mengestellter Pfähle,
wie man solche in
Weinländern eben für
den Winter in den
Weingärten aufbe-
wahrt. Am Fuße der
Rebenhügel und im
Thale Stoppelfeld und
ein Fahrweg, das war
Alles, und der Müller,
Veit Herbert, schien
auch mehr nach dem
Himmel als auf sein
Mllhlthal zu blicken.
Der Husarenhans
hatte ihn beobachtet
und sagte jetzt:
„Tolles Wetter das,
bald so, bald wieder so,
einmal sackdunkel, dann
wieder Helle, fast wie
bei Tage, bald macht
der Wind einen Höllen-
lärm und bald ist's
wieder Todtenstille."
Veit trat bei den
ersten Worten seines
Knechtes vom Fenster
zurück und begab sich
zu seinem Platze, dem
Sorgenstuhl am gro-
ßen grünen Kachelofen,
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Jakob Kiing's Zusammentreffen mit einem Bären. Originalzeichnung von H. Leutcmann. (S. 511.)
Aus der „Jllustrirten Jagdzeiinng". (Verlag von Schmidt L Günther in Leipzig.)
 
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