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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 50.1902

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Heft 18
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https://doi.org/10.11588/diglit.56970#0430
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418

dürft' um dich, mit dem, daß d' selber nix mehr wert
bist?!"
„Oha! Bin ich nicht nm fuchzehn Jahr' jünger
wie du und hab' noch Kraft' znr Tagwerkarbeit, wenu's
sein muß, daß ich 's Weib erhalten kann. Und mein
Botensahren kann ich wo anders auch wieder an-
sangen."
„Ja, wenn d' meinst, daß d' so ein Wertbarer bist,
so frag d' Hanni, ob s' dich haben will!" spottete der
Schmied. !
„Das thu' ich." Damit schritt der Klickinger ins
Haus und in die Wohnstube. Mitten in der Stube
blieb er stehen, stemmte die Arme in die Seiten und
sah herausfordernd nach der Hanni hinüber, die drüben
vom Fenster, wo sie sinnend gesessen, erschrocken empor-
gefahren war. „Na, Hanni, weil schon dran bist im
Körbausteilen, da wär' halt noch einer, der anfragen
thät', wie ihm g'sinnt bist!"
Ueber des Mädchens erst so erschrocken erscheinendes
Gesicht legte es sich wie leichte Besänftigung. Die
Worte erschienen ihr wie Spaß. Und es konnte ja
gar nichts andres sein bei dem Manne da. „Da mußt
schon ein andermal Nachfragen, ich hab' heut nicht so
viel Körbt im Haus!" versetzte sie lächelnd.
„Na. Heut' steh' ich da und heut' will ich's wissen,
was 's mit uns zwei ist." Die Rede Klickingers klang
jetzt ernst, nachdrücklich. „Ich hab' keinen Spaß, Hanni,
ich mein's ernsthaftig so. Ich mücht' dich haben zu
meinem Weib. Bist freilich jung und ich alt, aber ich
thät' dich richtig halten und wär' gut zu dir!" Eine
kurze Weile vorübergehen lassend, setzte er dann dring-
lich fragend hinzu: „Na, was meinst, Hanni, zu mir?
Bin ich dir nicht lieber wie der Protzig' Geldsack, der
Steigeder Sohn?" Er hatte es schon an den Zügen
der Hanni gemerkt, daß er kein Glück hatte, aber
dennoch hatte er gefragt; es reizte ihn innerlich dazu,
es klar zu hören.
Die Hanni schüttelte den Kopf. „Bist mir nicht
zuwider, Klickinger, wie mir auch der Steigeder nicht
zuwider ist, aber zum Manu taugst mir du nicht wie
er nicht. Sei nicht bös', aber du willst's klar wissen.
Ich nehm'mir nur den, an dem mein Herz hängt, und
kann ich den nicht haben, bleib' ich für mich allein."
Einen kurzen Moment stand der Fuhrmann schwei-
gend und schaute starr nach dem Mädchen, dann stieg
ein Lauern im Blick, um die Mundwinkel auf, und
er sagte halblaut: „Und wer wär' denn der, den du
grad' möcht'st? Ein Junger, ein Sauberer, gelt? Ich
mein' netta, ich hab' heut' einen g'sehen, dem auch der
Sinn nach dir steht, wie mir und dem Steigederischen.
Der ist ganz weiß 'worden im G'sicht, wie ich ihm
verzählt hab', daß eben einer ins Heiraten ging' zu
dir. Ganz schreckhaft ist er g'wesen, und nicht für
möglich hat er's g'halten. Wenu's der wär', nach dem
dein Herzl schmacht't! Der! Da thät'st mir schon er-
barmen, da dürst'st ja lang warten, bis der kommen
könnt' um dich! Der hat ja nix, ist ja ein ganz Blut-
armer 'worden jetzt, und muß dazu noch seine alten
Eltern erhalten. Das wär' schad', wenn den meinen
thät'st! Wend dich nicht ab, Hanni, ich hab's schon
g'merkt, daß er's ist. Bist ja zusammeng'sahren als
wie, und bist ganz blaß 'worden."
Sie erwiderte nichts, die Hanni; sie sah zum
Fenster hinaus, gegen das sie sich jäh gewendet, aber
sie sah nichts von draußen. Ein heißes, feuchtes
Glänzen war vor ihren Augen, von den aufsteigenden
Thrünen, gegen die sie kämpfte. Es war ihr zugleich
wonnig und schwer zu Mute. Die Gewißheit, daß der
Franz sie gern hatte, hatte sie eben aus des Fuhrmanns
Worten herausgehört — aus den Worten über seinen
Schrecken. Aber wenn sie auch beide aneinander hingen,
es war doch kein Glück bei ihrer Lieb'; der Franz war
arm geworden, und wenn er auch eine Arbeit für
dauernd sand, es konnte nicht viel sein damit, sie blieb
Wohl eine geringe, wenig Verdienst bringende, und
wer weiß, ob der Vater dann zusagte. Sie hatte kein
Hoffen darauf! Unter schwerem Atemholen stand sie
und schaute sich nicht mehr um nach dem Klickinger.
Der hatte sich umgedreht und schritt der Thür zu.
„Ter ist's, der!" murmelte er ingrimmig vor sich hin,
und boshaft funkelten seine Augen. „Weil ich's nur
weiß! Weil ich's nur grad' weiß!"
(Fortsetzung folgt.)

Im Panoptikum.
(Bild S. 4IS.>
Der griechische Name „Panoptikum" bedeutet in der
deutschen Uebersetzung ein Institut, in dem man „alles"
seheil kann, und die modernen Schaustellungen dieser Art
machen dem betreffenden Namen alle Ehre. Sie entstanden
aus den Wachsfigurenkabinetten, die im vorigen Jahr-
hundert ihren Höhepunkt erreicht zu haben schienen und
jetzt wieder neu aufiebten. Wenn aber in den Panopticis
auch heut noch die, möglichst getreu nach dem Leben
modellierte, Wachsfigur eine gar wichtige Rolle spielt, -ft
treten doch mit gleicher Berechtigung noch andre Gegen-
stände auf, die das Interesse des Beschauers fesseln.

Illustrierte Welt.

Ein solches Institut ist heute nicht nur eine Samm-
lung von Wachsfiguren, sondern auch von Raritäten und
Kuriositäten aller Art, von historischen und naturwissen-
schaftlichen Gegenständen, von Andenken an berühmte
Männer und Zeitepochen, von Bildern, Modellen, ethno-
graphischen Gruppen, Dioramen, Panoramen, von Beleuch-
tungseffekten, Irrgärten, stilvollen Kneipzimmern u. s. w.
in inllnitnm. Außerdem werden den Besuchern noch musi-
kalische Genüsse von Spieldosen, Orchestrions, Damen-
orchestern, Zigeunerkapellen und andern „wilden" Völker-
schaften geboten, und Ausstellungen von Riesen, Zwergen,
Zauberkünstlern, Mißgeburten und ganzen Karawanen
exotischer Männlein und Weiblein dienen als Extra-
anlockungsmittel für das große Publikum, das heute
verwöhnter ist als je und das insbesondere in den großen
Städten so blasiert geworden ist, daß man ihm kaum noch
„imponieren" kann. Die Panoptika üben doch noch durch
ihre Verschiedenheit und Abwechslung eine große An-
ziehungskraft aus alle Schichten der Bevölkerung aus,
und in unserm Bilde finden Leserin und Leser nicht nur
eine Probe von der Verschiedenartigkeit der ausgestellten
Gegenstände, sondern auch von den Eindrücken, die bei
den verschiedenen Kategorien der Besucher zu finden sind.
A. O. Kl.

Auslieferung von Verbrechern.
Von
A. Hskar Kkaußmann.
^^ker deutsche Passagierdampfer nähert sich dem Hafen
von New York. Schon seit Stunden wissen die
Passagiere, daß man sich in der Nähe des Landes
befindet, und in der Reisenervosität, der sich kein
Mensch entziehen kann, der nach längerer Seefahrt sich
dem Lande nähert, stellen die Reisenden schon ihr
Gepäck zum Fortschaffen von Bord zurecht, obgleich
es noch stundenlang dauert, bis die Ausschiffung
wirklich erfolgt. Der Lovtse ist bereits an Bord und
hat das Kommando des Schiffes übernommen. Er
hat auch die neuesten Zeitungen mitgebracht, und deren
Inhalt bildet neben der Aussicht auf baldige Landung
das Hauptinteresse für sämtliche Reisenden.
Die weite Bucht, innerhalb der der Hafen von
New York liegt, thut sich vor den Blicken der Schiffs-
passagiere auf. Größer wird die Zahl der Schiffe,
die entgegenkommen, oder die gleichzeitig der Hafen-
bucht zusteuern. Da naht ein Dampfer kleinerer Art,
dessen Flagge die Streifen und Sterne der nord-
amerikanischen Union zeigt. Der deutsche Passagier-
dampfer stoppt, und der kleine Dampfer legt an dein
heruntergelassenen Fallreep des Passagierdampsers an.
Eine Anzahl von Herren in Uniform betrrtt das Deck.
Es sind dies der Hafenarzt, der erscheint, um sich aus
den Schiffspapieren und aus den Angaben des Schiffs-
arztes über den Gesundheitszustand der Passagiere,
besonders der Zwischendecker, zu unterrichten, und um
die Erlaubnis zum Einlaufen in den Hafen zu erteilen
oder zu verweigern. Da sind ferner die sehr schneidigen
Herren von der New Yorker Zollverwaltung, die jetzt
in der Kajüte des Kapitäns oder in einem der Speise-
säle ein fliegendes Bureau etablieren, jeden Passagier
vortreten lassen und ihn danach fragen, ob er zoll-
pflichtige Güter in seinem kleinen oder großen Gepäck
habe. Mit diesen Herren ist nicht zu spaßen, sie sind
in allen Schlichen erfahren, und wehe demjenigen, der
sie zu betrügen versucht. Die Bestrafung wegen Zoll-
defraudation ist in Amerika und gerade in New York
eine außerordentlich strenge. Noch ein andrer Herr
in Zivil, begleitet von zwei handfesten Leuten, eben-
falls in Zivil, ist aber auch mit dem Sanitäts- und
Zollbeamten an Bord gekommen, und der Kapitän
betrachtet diesen Herrn mit erstaunten Augen. Er
hat den sogenannten Bundesmarschall von New York
vor sich, und die beiden ihn begleitenden Herren sind
Polizisten in Zivil. Umsonst kommt der Bundes-
marschall nicht an Bord, er will hier jemand ver-
haften und zwar auf Requisition der deutschen Behörde.
Noch ahnt niemand von den Passagieren, vielleicht auch
der Schuldige, der verhaftet werden soll nicht, daß im
nächsten Augenblick sich eine tragische Scene abspielen
wird. Der Bundesmarschall läßt sich vom Kapitän
die Passagierlisten vorlegen, ruft den Obersteward
und ein paar Stewards beiseite und nickt befriedigt.
Er hat den Mann gefunden, den er sucht, einen Banquier,
der mit einer großen Summe unterschlagener Depot-
gelder von Deutschland aus flüchtig geworden ist und
unter falschem Namen die Ueberfahrt nach New York
angetreten hat. Der Bundesmarschall bezieht sich nach
der Kabine des Flüchtlings und bemächtigt sich dort des
gesamten Gepäcks, ebenso wie auch sein Gepäck, das im
Schiffsraum verstaut ist, mit Beschlag belegt wird. Dann
geht der Bundesmarschall in den großen Speisesaal, wo
die Zollbeamten die Namen der Passagiere aufrufen,
nnd als der betrügerische Banquier soeben seinen falschen
Namen geirannt hat, und vor dem Tisch der Zoll-
beamten steht, um seine Deklaration abzugeben, wird
er rechts nnd links von den Detektivs gepackt und im
Handumdrehen werden ihm mit Handschellen die Hände
auf den Rücken gefesselt. Der Bundesmarschall ver-

haftet den Flüchtigen, und die ganze Manipulation
hat sich so blitzschnell abgespielt, daß nicht einmal alle
Passagiere an Bord von der Verhaftung etwas wissen,
so schnell, daß der thörichte Flüchtling nicht einmal
den geladenen Revolver ziehen kann, den er bei sich
trägt, und mit dem er vielleicht noch Unheil angerichtet
oder sich selbst erschossen hätte, wenn ihm Zeit geblieben
wäre. Die Passagiere, die von der Verhaftung er-
fahren, machen sauersüße Mienen und sind sehr erstaunt
wegen der Verhaftung. Der Mann, der sich als
Gauner entpuppte, war ein recht liebenswürdiger Ge-
sellschafter an Bord und während der Reise. Er ließ
viel Geld draufgehen, veranstaltete manch fröhliche
Champagnerkneiperei, und die Leute, mit denen er
näher bekannt geworden ist, empfinden etwas wie
moralischen Katzenjammer, daß sie mit einein Gauner
und>Dieb während der Ueberfahrt Freundschaft ge-
halten haben. Mögen sie sich damit trösten, daß man
in der Welt durch das Schicksal mit den sonderbarsten
Schlafkameraden zusammengesührt wird.
Es giebt aber auch unter den Passagieren „juristisch
veranlagte" Leute, die ihr Erstaunen darüber aus-
drücken, daß der amerikanische Bundesmarschall als
Vertreter Amerikas an Bord eines deutschen Schiffes
eine Verhaftung vornehmen könne. Nach ihrer An-
sicht ist das deutsche Schiff ein Stück deutschen
Bodens, auf welchem nur deutsche Behörden irgend
welche Rechte ausüben können. Es ist dies aber ein
bedeutender Irrtum, der allerdings im Publikum, be-
sonders in Deutschland, weit verbreitet ist. Nach
völkerrechtlichem Brauch haben nämlich nur Kriegs-
schiffe die Eigenschaft fahrender Gebietsteile. Kommt
also ein amerikanisches Kriegsschiff in einen deutschen
Hafen, so bleibt das Deck des Kriegsschiffes und sein
gesamter Jnneuraum ein Stück amerikanischen Gebietes,
hier hat nur die amerikanische Regierung, respektive
ihr Vertreter, und das ist der Kommandant des
Schiffes, irgend etwas zu befehlen und anzuordnen.
Kommt ein deutsches Kriegsschiff in irgend einen
amerikanischen Hafen, so muß es sich ja natürlich, wie
auch ein amerikanisches Kriegsschiff im deutschen Hasen,
nach der Hafenordnung und den für die Sicherheit
des Seeverkehrs erlassenen Bestimmungen richten, aber
das Schiff ist ein Stück deutschen Gebietes, und keine
amerikanische Behörde darf sich erlauben, das Schiff
ohne Erlaubnis des Kapitäns zu betreten, noch weniger
aber auf dem Schiff irgend welche Amtshandlung vor-
zunehmen.
Kauffahrteischiffe, seien es Segelschiffe, Dampfer
und selbst die riesengroßen modernen Passagierschiffe,
sind nicht fahrende Stücke des Gebietes, in dem die
Schiffe beheimatet sind. Jedes Kauffahrteischiff unter-
steht in dem Augenblick der fremden Behörde, in dem
es die Grenze des betreffenden Landes, die Grenzen
des Hafens, die meist einige Meilen vor der Küste
liegen, überschritten hat.
Der verhaftete Banquier wird in New York von dem
Bundesmarschall, der ihn im Auftrage der amerikanischen
Bundesregierung verhaftet hat, und von den Detektivs
au Land gebracht und vor den Untersuchungsrichter
geführt. Mit der Verhaftung des flüchtigen Banquiers,
die auf die Requisition der deutschen Behörde erfolgt
ist, ist nämlich noch nicht seine Auslieferung bedingt.
Nach dein Abkommen mit Amerika hat der Unter-
suchungsrichter erst zu entscheiden, ob wirklich gegen
den Verhafteten derartiges Beweismaterial vorliegt,
um ihn in Hast zu behalten und der deutschen Behörde
zur Bestrafung auszuliefern. Der deutsche General-
konsul, der telegraphisch von seiner Regierung infor-
miert ist, wohnt dieser Verhandlung bei. Ergiebt es
sich, daß der Verhaftete wirklich der gesuchte Banquier
ist, und ist es klargestellt, daß er wirklich eine große
Unterschlagung und Diebstähle begangen hat, so wird
er von dem Bundesmarschall dem deutschen General-
konsul übergeben, der ihn im Namen des deutschen
Reichs in Empfang nimmt. Macht der Gefangene
Ausflüchte, sucht er sich durch Leugnen, durch gefälschte
Papiere, dre er bei sich hat, aus der Affaire zu ziehen,
glaubt er durch Schwindeleien seine Lage zu verbessern,
so wird er damit nur erreichen, daß es dem General-
konsul aufgegeben wird, von Deutschland die Akten
und neues Beweismaterial herbeizuschaffen. So lange
bleibt der Gefangene in Untersuchungshaft, und er
verlängert nur seinen Aufenthalt im amerikanischen
Gefängnis. Ist das nötige Beweismaterial herbei-
geschafft, so wird er doch dem Generalkonsul über-
geben, und dieser schickt ihn aus einem deutschen Schiff
unter gehöriger Bewachung und in Begleitung von
Transporteuren nach Hamburg oder Bremen, wo er
der Polizeibehörde ausgeliefert wird. Die ganze
Affaire spielt sich ab auf Grund des Auslieferungs-
vertrages, den Deutschland mit Nordamerika geschlossen
hat, und nach welchem, natürlich gegen Erstattung
aller Kosten, Deutschland und Amerika sich gegenseitig
auf Requisition des Ministers des Auswärtigen Ver-
brecher ausliefern, die gemeiner, schwerer Verbrechen
sich schuldig gemacht haben. Solche Verbrecher sind:
Mörder, Räuber, Fälscher, Diebe, Falschmünzer,
 
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