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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 50.1902

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Heft 19
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https://doi.org/10.11588/diglit.56970#0448
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Die Dorsschmiede.
Eine oberösterreichische Erzählung
von
Jarrny Kaltenhauser.
7.
(^^wei Jahre waren hinuntergetaucht in den Strom
der Zeit, verschwindend klein und kurz und
nichtig in diesem, aber lang und schwer und
inhaltsvoll sür die Menschen, die zu leiden, zu
kämpfen, zu sorgen hatten, und wiederum klein und
kurz für die, die eben im Glücke lebten.
Der Bahnbau war vor einiger Zeit beendet worden.
Er war rasch in Angriff genommen worden, und da

die Vorarbeiten sich rasch erledigen ließen und die
Verbindungsstrecke nicht allzulang war, ging die Sache
schnell von statten. Die Leute in der Umgegend waren
es schließlich zufrieden geworden, daß da etwas Neues,
das man anfänglich mißtrauisch beobachtet hatte, in
ihr abgeschiedenes Dors gekommen war. Sie be-
nutzten die Bahn fleißig, und der Wirt außerhalb des
Dorfes fand seine Rechnung dabei, da in der Nähe
seines Hauses eine Haltestelle errichtet worden war.
Er entbehrte die Fuhrleute leicht, deren so wenige ge-
worden waren.
Die Dorsschmiede aber stand verödet. Sie war am
meisten betroffen worden.
Man stand mitten in der Woche, und es war
schwarz, finster im Schmiederaum. Das Feuer war
ausgelöscht von der heimischen Stätte, nur die Sonne
warf spielende, funkelnde Lichter durch das weit offen-

stehende Thor auf die schwarze Erde, bis hin zu dem
einen Amboß, und zauberte ein wenig Helle in die
einstmals so lichtdurchflutete Stätte.
Die Hanni steht vor dem Amboß, den die Sonne
ein wenig trifft, die aber aus dem halbverrosteten Block
nur ein geringes Blinken Hervorrufen kann. Das
Mädchen streicht mit der Rechten sachte über die breite
Platte. „So ein unnütz' Ding bist 'worden und hast
einmal so fleißige Arbeitstag' g'spürt!" sagt sie traurig.
„Wie müßt' dir zu Mut' sein, wenn lebendig fühlen
könnt'st wie ich!" Sie nimmt einen Hammer in die
Hand, läßt ihn aber wieder fallen; eine schimmernde
Thräne liegt daraus. Das Herz thut ihr jedesmal
weh, wenn sie in dem verödeten Raum weilt. Und
doch betritt sie ihn oft; sie kann es nicht lassen. Aus
der Werkstätte tretend, sieht sie drüben unter der Haus-
thür den Vater stehen. Er schaut sicherlich nach ihr aus.


Lllustr. Welt. IS02. IS.

Aus der Weide. Nach dem Gemälde von Ernst Meißner.
 
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