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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 50.1902

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Heft 21
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https://doi.org/10.11588/diglit.56970#0495
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Heimweh.
Roman
von
Weinhold Hrtmann.
Vierzehntes Kapitel.
Kn dem einfachsten schwarzen Kleide, das ihre Garde-
-W, rode auszuweisen hatte, und bis zur Unkenntlich-
keit verschleiert, war Frau Flemming die unbequemen
und schmutzigen Treppen zur Wohnung des ehemaligen
Bureauvorstehers empvrgestiegen. Schwer atmend war

sie eine Weile stehen geblieben, ehe sie sich entschloß, die
Glocke zu ziehen; denn der Gang, den sie da. unter-
nommen, war doch ohne allen Zweifel der sauerste
ihres ganzen Lebens. Länger aber hatte sie ihn nicht
mehr hinausschieben dürfen, denn die Frist, die ihr
Hartwig Langhammer bewilligt, lief mit dem heutigen
Tage ab, und all ihr Zaudern und Kopfzerbrechen hatte
zu keinem andern Ergebnis geführt, als daß sie ihm die
gefährlichen Papiere abkaufen müsse um jeden Preis.
Sie hatte gewünscht, daß ihre Tochter sie begleite.
Aber Elses kindliche Liebe ging nicht so weit, daß sie
ohne Bedenken zu einem derartigen Opfer bereit ge-
wesen wäre.

„Ich werde dir in dieser widerwärtigen Angelegen-
heit gern behilflich sein, Mama, soweit es geschehen
kann, ohne daß ich mich selbst bloßzustelleu brauche.
Aber daß ich mich auch an deinen Verhandlungen mit
jenem sauberen Herrn beteilige, kannst du nicht wohl
von mir verlangen. Und du verstehst dich aus der-
gleichen ja ohne Zweifel besser als ich."
Auf diese entschiedene Erklärung hin hatte Frau
Flemming es nicht erst mit weiterem Zureden versucht
und hatte sich, als ein längeres Zögern unmöglich
schien, schweren Herzens auf ihren dornenvollen Weg
begeben.
Eine derbkuochige, nachlässig gekleidete Frau, deren

Kunstschule in Rom. Zeichnung von A. Bianchini.


Jllustr. Wett. IS02. 2l.

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