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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 50.1902

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Heft 27
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https://doi.org/10.11588/diglit.56970#0637
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Die Geiöfevin.
Erzählung
von
Alexander Hlömer.

VI.
^^^^n Stille und Einfachheit war nach dem ein-
mütigen Wunsch des Brautpaares die Hochzeit
gefeiert worden. Die Trauung fand wenig
Tage nach dem Osterfest zu früher Morgen-
stunde in der Kirche statt, daran schloß sich ein im engen
Familienkreise eingenommenes Frühstück, das Fran !
Dora festlich hergerichtet hatte. Um zwölf Uhr saß das
jungvermähltc Paar im Zuge und dampfte gen Süden. !
Er hatte diese Hochzeitsreise vorgeschlagen, sie mit j

Freuden zugestimmt; brachte er ihr nun nicht damit
ein großes Opfer? Das fragte Toni sich und ihn,
als sie jetzt allein waren. Er drückte ihr innig die
Hand und schüttelte den Kopf. Er sah sehr be-
wegt aus.
Nrzn war der Bund für das Leben geschlossen, die
Vergangenheit lag hinter ihnen, vor ihnen eine ganz
neue, alles verändernde Zeit. Die letzten Tage hatten
keine Muße gelassen zum Nachdenken, in der Stille
jetzt — sie hatten ein Abteil für sich allein —, wo
nur das regelmäßige Gestampfe des Dampfrosses an
ihr Ohr schlug, wurden in Toni die Erinnerungen an
den Abschied von der Schule, von ihren jungen, heiß-
blütigen, so schwärmerisch an ihr hängenden Zöglingen
lebendig. Wie hatten sie sie überschüttet mit Liebes-
beweisen, mit Blumen, Geschenken. Sie hatte viel Liebe,
einen freudig ausgeübten Beruf hinter sich gelassen.
Da saß ihr Gatte neben ihr, der ernste, schweig-

same, verschlossene Mann, dessen Seele sich ihr nur in
Weihemomenten öffnete, der nicht stürmisch und über-
schwenglich seine Gefühle zu äußern vermochte wie die
ihr bisher vertraute Jugend.
Sie blickte angelegentlich zum Fenster hinaus in
die hier ziemlich kahle Gegend, und ein paar Thränen
rollten wider ihren Willen über ihre Wangen. Da
fühlte sie ihre Hand ergriffen mit warmem Druck; sie
wandte sich rasch um, seine Augen ruhten in ängstlicher
Sorge auf ihr.
.^Johannes, wir beide müssen uns jetzt alles sein,
uns fest vertrauen, jeden Gedanken teilen," brach es
ans ihrem Herzen.
Er nicktet „Du giebst viel auf, ich weiß es," sagte
er langsam, „und wirst viel Geduld haben müssen mit
mir schwerfälligem Gesellen. Ich verspreche dir. . ."
„Ach, du sollst gar nichts versprechen, da müßte
ich ja erst recht mit Gelöbnissen ansangen," unterbrach

Im Hochsommer auf der Alm. Nach dem Gemälde von Chr. Mali.


Jllustr.W-It.IS02. 27.

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