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Illustrierte Welt : vereinigt mit Buch für alle: ill. Familienzeitung — 50.1902

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Heft 27
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https://doi.org/10.11588/diglit.56970#0652
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Illustrierte Welt.

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Händen einen Wasserbeutel und eine
Flasche zu füllen, die sie natürlich
noch lange nicht gebrauchen konnte.
Ihr war es gleichgültig. Sie mußte
umher gehen und sich etwas zu
schaffen machen. Still zu sitzen oder
gar zu essen und zu trinken war
unerträglich. Wie konnte sie etwas
zu sich nehmen, wenn derjenige,
der ihre Mahlzeit eigentlich hätte
teilen sollen, vielleicht an Hunger
und Durst in Top Scrubby starb?
Weit trostreicher fand sie es, Butter-
brote zu streichen, sie mit Hammel-
fleisch zu belegen und den ganzen
Vorrat in Bereitschaft neben die
Flasche und den Wasserbeutel zu
stellen. Dann kam die schwerste
Zeit. Es gab nichts mehr zu thun.
Es war kaum acht
Uhr, und der Mond
ging nicht vor zwei und
einer halben Stunde
auf.
Naomi begab sich
nach der Hinteren Ve-
randa, hob das Buch
auf, das sie am Tage
vorher gelesen, steckte
es unter den Arm und schritt umher.
Sie konnte es nicht über sich gewinnen,
still zu sitzen und zu lesen. Ihre rast-
losen Füße führten sie wiederholt nach
der Küche zu Mrs. Potter, die ihr graues
Haupt schüttelte und mit wachsender
Offenheit und Ungeduld ihre Mißbilligung
kund that.
„Ihn suchen?" rief sie schließlich.'
„Wenn die Zeit dazu kommt, werden Sie
todmüde sein und nicht im Sattel sitzen
können. Miß Naomi. Wenn Sie reiten,
ehe der Mond ausgegangen ist, können
Sie einen Hufeindruck nicht von einer
Fußspur unterscheiden, es sei denn, daß
Sie jedesmal herunterstiegen. Sie selbst
haben dies gesagt. Miß Naomi. Warum
gehen Sie daher nicht einfach zu Bett
und legen sich ein paar Stunden hin?
Ich bringe Ihnen um halb zwölf eine
Tasse Thee, und dann können Sie gegen
zwölf aufbrechen."
Naomi seufzte.
„Wie schrecklich, so lange zu warten
und nichts zu thun! Er kann unterdes
sterben, der Arme! Und dennoch, was ist im Dunkeln
zu machen?"
„Legen Sie sich hin und ruhen Sie sich aus," sagte
Mrs. Potter trocken.
„Gut, ich will es versuchen, aber aus das Bett
lege ich mich nicht, sondern aus das Sofa im Wohn-
zimmer. Wollen Sie dort, bitte, die Lampe anstecken?
Und bringen Sie den Thee um elf. Um halb zwölf
mache ich mich aus den Weg."
Naomi machte noch einen kurzen Gang durch die
immer dunkler werdenden Fichten Sie schlug den-
selben Weg ein, den sie den Klavierstimmer in den
ersten Augenblicken ihrer rasch geschlossenen Freund-
schaft geführt hatte, und den er in der vergangenen
Nacht allein gewandelt war. Mit feuchten, sehnsuchts-
vollen Augen erreichte sie das Wohnzimmer, und er-
schrocken fuhr sie zurück, als sie ihr eignes Bild in
dem Spiegel über dem Kaminsims erblickte, auf dem
die Lampe stand. Eine Weile blieb sie stehen und be-
trachtete sich scharf und forschend, als ob
sie die Geheimnisse ihres eignen Herzens
ergründen wollte. Schließlich gab sie es
auf und wandte sich müde ab. Welchen
Zweck hatte es jetzt noch, in ihr Herz zu
schauen? Wie oft hatte sie früher geglaubt
es ganz genau
zu kennen, und
sich dennoch ge-
irrt! Der erste
Gegenstand,
auf den ihr
Auge fiel, als
sie sich um-
wandte, waren
die Noten auf
dem Klavier-
stuhl, die noch
genau dalagen,
wo Engelhardt
sie hingelegt
hatte. Und das
zweite, was sie
erblickte, war
die kleine Wid-

mung auf dem obersten Lied. Sie kniete nieder, um
sie von neuem zu lesen. Als sie sich wieder erhob,
waren die mit Bleistift beschriebenen Zeilen naß und
von ihren Thränen verwischt. Sie wußte nun, was
sie vorher niemals gewußt hatte.
Um halb zwölf — denn sie hatte sich fest vor-
genommen, wenn irgend möglich, die Zeit des Auf-
bruchs ihrer Herrin um eine halbe Stunde hinauszu-
schieben — rasselte Mrs. Potter mit dem Theebrett
an der Wohnzimmerthür und trat im nächsten Augen-
blick ein. Sie fand Naomi zwar auf dem Sofa, aber
sie lag auf dem Rücken und starrte die Decke an Ihr
Gesicht war weiß und still. Sie bewegte es ein wenig,
als die Thür aufging. Hatte sie nicht geschlafen?
Keine Spur. Ihr Buch lag in ihrem Schoß, unauf-
geschlagen. Mrs. Potter säumte nicht', ihrer Ent-
täuschung, um nicht zu sagen ihrer Entrüstung, Aus-
druck zu verleihen. Naomi sprang mit allen Anzeichen
von Energie empor und hatte ihren Thee in fünf
Minuten getrunken. In zehn Minuten war das Pferd
gesattelt und in zwölf trabte sie nach der Veranda
zurück, um von Mrs. Potter den Wasserbeutel, die
Flasche und den Pack belegter Brote in Empfang zu
nehmen.
„Halten Sie sein Zimmer hübsch bereit," sagte das
Mädchen aufgeregt, „und den Kessel mit kochendem
Wasser, daß wir sofort unser Frühstück haben können,
wenn wir zurückkommeu. Es wird wohl ein sehr
zeitiges Frühstück geben! Glauben Sie auch, daß Sie
es so lange wie ich ohne Schlaf aushalten können?"
„Jedenfalls werde ich mich nicht zur Ruhe legen,
solange Sie weg sind, Miß Naomi."
„Dann will ich mich aber furchtbar eilen. Wie
schade, daß ich nicht schon lange ausgebrochen bin. Der
Mond scheint jetzt herrlich. Man kann meilenweit
sehen —"
„Dann schauen Sie einmal dorthin. Miß Naomi!"

In ihrer Lebensweise kennzeichnen sie sich als echte Baum-
tiere, die vermöge ihrer langen und kräftigen Gliedmaßen
sich mit großer Sicherheit und Geschicklichkeit durch das
Laubdach des Waldes bewegen können, ohne den Boden
zu berühren. Eine besondere Eigentümlichkeit ist, daß der
Orang sich in der Höhe von 6 bis 18 Metern aus Baum-
zweigen ein Nest herrichtet, worin er die Nacht durch bis
nach Sonnenaufgang schlafend verbringt.
Nach den neuesten Forschungen ist es erwiesen, daß
der Orang ein Familienleben führt. Diese Familien setzen
sich aus den Ehegatten und zwei bis vier Kindern zu-
sammen. In dieser Gesellschaft suchen sie häufig die
Durianbäume auf, deren dicke und stachelige Früchte sie
trotz der Schwierigkeiten, die ihnen die Beschaffenheit
ihrer Schalen verursachen, mit besonderer Vorliebe ver-
zehren. Früchte, Blätter, Knospen und Schößlinge bilden
die Speiseliste des Orangs. Auf den Erdboden kommen
sie nur selten, eigentlich nur bei Hunger, um dann saftige
Triebe zu erlesen, oder aber um zu trinken. Sie stehen
hiedurch im Gegensatz zum Schimpansen, der weit öfter
den Boden betritt. Die große Ausdehnung der heimat-
lichen Wälder ermöglicht es den Tieren, weite Ent-
fernungen, von Baum zu Baum sich schwin-
gend, zurückzulegen, ohne die Erde zu be-
rühren.
Das Naturell unausgewachsener und
weiblicher Exemplare ist, wie Schreiber
dieses sehr häufig im Zoologischen Garten zu
Berlin beobachten konnte, ein sehr mun-
teres. Vor ganz kurzer Zeit lebten dort ein
kleineres Männchen und ein beträchtlich
großes Weibchen der Borneoform, die beide
. außerordentlich drollige und übermütige
Tiere waren. Sie turnten fast den ganzen
Tag im Käfig umher und waren äußerst

anhänglich an den Wärter. Ich habe aber auch sehr !
melancholisch beanlagte Orangs gesehen. Es wird hierbei
auch wie bei uns Menschen zu beobachten sein, daß die
individuellen Eigenschaften im Gegensatz zu den tiefer-
stehenden Tieren weit ausgeprägter sind. Jedenfalls spielt
auch der Gesundheitszustand der Tiere hierbei eine große
Rolle. Es gehört noch zu einer kommenden Aufgabe der
Tierpflege, diese Tiere länger als einige Jahre in der
Gefangenschaft durchzubringen. Leider rafft vorläufig die
tückische Tuberkulose die Tiere meist bald dahin.

Der Koß von Taroomba.
Don
Krnell William Körnung.
Autorisierte Uekerlehung aus dem Englischen von
Mathilde I3eck.
Vierzehntes Kapitel.
In Erwartung.
dunkeln Stunden dieser ereignisreichen Nacht
waren auch für Naomi Pryse die langsamsten
und trübseligsten, die ihr je in Erinnerung
blieben. Auch sie hatte aus den Mond ge-
wartet. Bei Sonnenuntergang hatte sie ihr Pferd in
den Stall gebracht und es mit einem reichlichen Vor-
rat von Häcksel und Hafer versehen, um es auf die
Anstrengung, die in Aussicht stand, vorzubereiten. Aus
wiederholtes Zureden der wackeren Mrs. Potter hatte
sie schließlich eingewilligt, selbst etwas zu essen. Doch
gleich war sie wieder aufgesprungen, um mit eignen
 
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