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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 7.1921

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Teller, Frida: Die Wechselbeziehungen von psychischem Konflikt und körperlichem Leiden bei Schiller
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https://doi.org/10.11588/diglit.28545#0104
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Frida Tefier

traten körperliche auf und bei dieser Umwandlung steifte sidi als
Gewinn heraus, daß der Patient sidi einem unerträglichen psychischen
Zustand entzogen hatte, allerdings auf Kosten eines körperlidien
Leidens. Die Situation, die so geschaffen wurde, ist nun nicht weiter
veränderlich. Das Ich, welches die Erkrankung zustande gebraAt hat,
will sich auch ferner vor den Gefahren bewahren, deren Drohung
der Anlaß des Leidens geworden ist und eine Genesung nicht
eher zufäßt, als bis eine Wiederholung der gleichen Situation
ausgeschlossen erscheint. Tritt nun neuerlich ein Erlebnis an das
Ichbewußtsein heran, ähnlich wie jenes, das Krankheitsveranlassung
geworden war und führt den alten, nunmehr verdrängten Konflikten
neue Nahrung zu, so wiederholt sich der oben geschilderte Ver-
drängungsvorgang und eine neuerlidte Konversion stellt den früheren
Zustand wieder her. Der Drang zur Abfuhr der Erregung aus
dem Unbewußten begnügt sich alsdann meist mit dem bereits
gebahnten Abfuhrweg, für den ohnehin ein somatisdies Entgegen-
kommen von seiten des Patienten bestanden hatte. Jede Wieder-'
auffrischung des Konfliktes ruft auch niAt mehr die affektive Vor-
Stellung, sondern nur den abnormen körperlidien Reflex hervor.
Die Bntdedcung der psychologischen Mechanismen der Symptom-
bildung bei der hysterischen Neurose, die die psydioanalytisdic
BorsAung einleitetc und eine Grundlage für die Erkenntnis der
strengen Determiniertheit alles seelisdien GesAehens bildete, bietet
überrasAende Ergebnisse, wenn wir die oben gesAilderte BinsiAt
zum Ausgangspunkt einer UntersuAung nehmen, welAe die Wedisel-
wirkung von Krankheit und seelisAem Konflikt bei unserem größten
und volkstündiAsten Dramatiker, bei SAiller, aufdedcen will.
FreiliA, auf allzuviel wohlwollendes Verständnis von seiten
der Literaturkritik wird siA unser VersuA wohl von vornherein
niAt gefaßt madien dürfen. Bietet unsere Darstellung und deren
Ergebnisse dem Literaturhistoriker doA niAts, wodurdi er an die
ihm einmal liebgewordene Methode der SAillerforsAung und rein
ideale Auffassung dieses DiAters gemahnt würde,- er wird unsere
Darstellung mit Befremden ablehnen und, im Besitze verjährter
BinsiAten, auf ein tieferes Verständnis gern verziAten — oder —
sollte ihm ein solAes zugemutet werden — einer Annahme die
größten Widerstände entgegensetzen.
Wir haben gut getan in diesem-Zusammenhänge an die
Gesetzmäßigkeit alles SeelisAen zu erinnern. LIberblidccn wir nämliA
die Charakteristiken und Lebensdarstellungen, die unserem DiAter
in so reiAem Ausmaße zuteil geworden sind, so müssen wir
gestehen, daß ihre BetraAtungsweise den Boden des TatsäAliAen
zumeist längst verlassen hat. Wir können dies aber begreiflidi
finden: denn, auA abgesehen von dem billigen Pathos einer Helden-
verehrung, die im Künstler über dem selbstgesAaffenen Idealbild
den MensAen übersieht oder übersehen will und nun, bei festliAen
Gelegenheiten oder zu pädagogisAen Zwecken ein gar luftiges.
 
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