Zur PsyAoanalyse des RauAopfers
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Zur PsyAoanatyse des RauAopfers.
Von P. C. VAN DER WOLK <Middelburg, Holland).
Psychoanalyse zieht immer weitere Gebiete des mensA-
SliAen Denkens, immer mehr Wissenschaften in ihren Arbeits-
JL^bereiA. SAon lange hat sie die Grenzen der medizinisAen
Arbeitssphäre als solAe überschritten, steht mitten im gewöhnliAen
Alltagsleben,- sie bemüht siA mit großem Scharfsinn um versAiedene
Probleme der Kunst, der Religion und der Ethnologie. Besonders
überraschende Resultate hat sie auf letztgenanntem Gebiete erzielt
durch Erforschung der Bedeutung, des tief verborgenen Sinnes, des
im Dunkel verste&tenUrsprunges von Sitten und Bräuchen derVölker,
von denen der gebildetsten bis zu denen der primitivsten. ZwisAen
individuellen Gepflogenheiten, individuellen ^Gewohnheiten^ und den
verwidceltsten Volkszeremonien hat die PsyAoanalyse Zusammen-
hänge aufgedeckt. DurA die TatsaAe, daß bei einzelnen Nerven^
kranken eigentümliAe Gewohnheiten durA die sAärfere Akzentu-
ierung einer Zwangshandlung ein besonderes Gepräge erhalten, sind
es namentliA die Neurotiker, die alsVergleiAsobjekt mitdenBräuAen
und Ritualen — sogar wilder Völkerstämme — am meisten zur Auf=-
klärung manAes Rätselhaften in den Volkssitten beigetragen haben.
Die Zeremonien der MensAheit sind ebensolAe Zwangshandlungen
wie diejenigen des Neurotikers und sind olfenbar durA den gleiAen
psyAisAen MeAanismus entstanden.
Oder sollte die Zeremonie, der Kultus etwa keine Zwangshand-
lung sein? Ist derjenige, der den BrauA übt, niAt von der Notwendig-
keit aller jener systematisA durAgeführten formellen Handlungen über-
zeugt? Empfindet er dieselben niAt intensiv und unabwendbar z. B. als
eine gottgefällige Handlung und darüber hinaus: als eine von einer
höheren MaAt auferlegte Aufgabe, wobei er siA mithin als Werk^
zeug einer überlegenen MaAt fühlt, einer MaAt, stärker als er selbst,
die ihn beherrsAt, die ihm jene formellen Handlungen gebietet . . .
genau in der Weise wie der Neurotiker? Und ersAeinen sie dem Außen-
stehenden, der das alles niAt mitemphndet, niAt ebenso läAerliA wie
die Zwangshandlungen eines Narren? Findet er die vorsAriftsmäßige
Kleidung, die feierliAen, genau vorgesAriebenen, abgemessenen Ge-
bärden und Handlungen niAt ebenso töriAt und abergläubisA als
diejenigen des Neurotikers, über dessen merkwürdige, oft sogar tiefe
und sinnreiAe symbolisAe Handlungen man staunt?
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Zur PsyAoanatyse des RauAopfers.
Von P. C. VAN DER WOLK <Middelburg, Holland).
Psychoanalyse zieht immer weitere Gebiete des mensA-
SliAen Denkens, immer mehr Wissenschaften in ihren Arbeits-
JL^bereiA. SAon lange hat sie die Grenzen der medizinisAen
Arbeitssphäre als solAe überschritten, steht mitten im gewöhnliAen
Alltagsleben,- sie bemüht siA mit großem Scharfsinn um versAiedene
Probleme der Kunst, der Religion und der Ethnologie. Besonders
überraschende Resultate hat sie auf letztgenanntem Gebiete erzielt
durch Erforschung der Bedeutung, des tief verborgenen Sinnes, des
im Dunkel verste&tenUrsprunges von Sitten und Bräuchen derVölker,
von denen der gebildetsten bis zu denen der primitivsten. ZwisAen
individuellen Gepflogenheiten, individuellen ^Gewohnheiten^ und den
verwidceltsten Volkszeremonien hat die PsyAoanalyse Zusammen-
hänge aufgedeckt. DurA die TatsaAe, daß bei einzelnen Nerven^
kranken eigentümliAe Gewohnheiten durA die sAärfere Akzentu-
ierung einer Zwangshandlung ein besonderes Gepräge erhalten, sind
es namentliA die Neurotiker, die alsVergleiAsobjekt mitdenBräuAen
und Ritualen — sogar wilder Völkerstämme — am meisten zur Auf=-
klärung manAes Rätselhaften in den Volkssitten beigetragen haben.
Die Zeremonien der MensAheit sind ebensolAe Zwangshandlungen
wie diejenigen des Neurotikers und sind olfenbar durA den gleiAen
psyAisAen MeAanismus entstanden.
Oder sollte die Zeremonie, der Kultus etwa keine Zwangshand-
lung sein? Ist derjenige, der den BrauA übt, niAt von der Notwendig-
keit aller jener systematisA durAgeführten formellen Handlungen über-
zeugt? Empfindet er dieselben niAt intensiv und unabwendbar z. B. als
eine gottgefällige Handlung und darüber hinaus: als eine von einer
höheren MaAt auferlegte Aufgabe, wobei er siA mithin als Werk^
zeug einer überlegenen MaAt fühlt, einer MaAt, stärker als er selbst,
die ihn beherrsAt, die ihm jene formellen Handlungen gebietet . . .
genau in der Weise wie der Neurotiker? Und ersAeinen sie dem Außen-
stehenden, der das alles niAt mitemphndet, niAt ebenso läAerliA wie
die Zwangshandlungen eines Narren? Findet er die vorsAriftsmäßige
Kleidung, die feierliAen, genau vorgesAriebenen, abgemessenen Ge-
bärden und Handlungen niAt ebenso töriAt und abergläubisA als
diejenigen des Neurotikers, über dessen merkwürdige, oft sogar tiefe
und sinnreiAe symbolisAe Handlungen man staunt?