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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 10.1924

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Heft 1
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Gomperz, Heinrich: Psychologische Beobachtungen an griechischen Philosophen
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https://doi.org/10.11588/diglit.36527#0025
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Psychologische Beobachtungen an griechischen Philosophen 1 g

Eins ist Erkennen und die Erkenntnis, es sei (das Erkannte).^
gg: Denn nicht ohn' ein Sein, in dem die Erkenntnis sich ausspricht,
Wirst du sie jemals finden.^ Nicht gibt's ja, jetzt oder künftig,
Andres als nur, was ist: dies ruht, von der Parze gefesselt,
Fest und bewegungslos. Drum sind's nur tönende Worte,^
Die, im Vertrauen, es sei die Wahrheit, Sterbliche brauchen
40: Wie „Entstehen und Vergehen", wie ferner „Das Sein und das
Nichtsein",^
Wie „Die Veränderung des Orts" und „Der Wechsel der leuchtenden
Farbe" D?

wegen, weil ihm irgend etwas fehlt, gleich alles fehlen müßte; 5. und vor allem
hebt diese Änderung den sogleich darzulegenden Zusammenhang von VIII, 55 und
VIII, 54 vollkommen auf), denn es würde ja gar keinen Raum einnehmen, somit den
gesamten Raum innerhalb der Grenzen völlig leer lassen. Aber das Nichtseiende —
so muß man hier Parmenides' Gedankengang ergänzen — kann ja nicht sein. Und
so schiebt er denn hier noch einen Beweis für die Unmöglichkeit des Nichtseins
ein (VIII, 54 bis 57, 1. Hälfte), um erst dann (VIII, gy, 2. Hälfte) zu dem Ausgangs-
punkte dieser Abschweifung, der Unbeweglichkeit des Seienden, zurückzukehren.
4g) rafttöv d'goiu voetv re xch owexev fött Man versteht zunächst: Eines
ja ist Erkenntnis und das, wovon sie Erkenntnis. Allein wenn sich nach VIII, gg jede
Erkenntnis in einem Sein „ausspricht", so kann sie mit ihm doch nicht wohl
schlechthin zusammenfallen. Ich nehme daher mit Heidel (siehe Vorsokr. Nachtr.
XXVIII, 45) an, daß owexev eorcy von abhängt. Dieser Gebrauch von owexa
auch schon Hymn. in Apoll. gy6 und Vorsokr. 21 B 114, 1 (vgl. auch Od. V 215; XV 41 ;
XVI gzp; XVI g-8).
44) Das, worin eine Erkenntnis sich ausspricht, ist zunächst ein Name. Aber der
Name fließt dem Dichter auch sonst vielfach mit dem Benannten zusammen. Was er
sagen will, ist zuletzt: Keine Erkenntnis ohne ein irgendwie benanntes Etwas, worauf
45) Man kann auch als Dativ fassen und übersetzen: Nur Benennungen dieses
Seienden sind in Wahrheit die Worte, die . . ., aber die abschätzige Art, in der
Parmenides auch sonst von „Namen" und „Benennungen" spricht (VIII, 5g; IX, 1 ;
XIX, g; vgl. auch Diels' „Parmenides", S. 86 f.) empfiehlt diese Auffassung nicht.
46) „Sein" ist für Parmenides natürlich nicht in demselben Sinne ein „tönendes
Wort" wie „Entstehen" oder „Vergehen". Es ist also wohl der Sinn, in dem die
Menschen die Worte „Sein" und „Nichtsein" gebrauchen (nämlich zur Bezeichnung
von solchem, was nicht „immer ist" oder „immer nicht ist", vielmehr entsteht und
vergeht) und vor allem dies, daß sie sie zu verschiedenen Zeiten auf dieselben Dinge
anwenden (was früher nicht war, ist jetzt -— denn es ist entstanden; was jetzt ist,
wird später nicht sein, — denn es wird vergehen), was der Dichter als bloße Redens-
art, als „bloßen Namen" verwirft.
4y) Für Parmenides steht immer das Seiende als Ganzes im Vordergrund. Vermut-
lich bezieht sich darum auch dies Verwerfungsurteil vor allem auf die große Welt-
bewegung, den Umschwung des Himmels und der Gestirne und die damit eng ver-
knüpfte Weltverfärbung, den Wechsel von Tag und Nacht, Licht und Dunkel (ist
 
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