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H. Gomperz
Aber zu äußerst ist (Sein) begrenzt; nicht fehlt ihm der Abschluß
Allseits: es gleicht der Wucht einer wohlgerundeten Kugel,^
Allwärts gleich, von der Mitte gemessen: es kann an dem einen
4g: Ort nicht stärker sein noch schwächer als an dem andren!*^
Br. II, 1: Blick' auf das, was fern: nah zeigt's und verläßlich der Geist dir.3°
Denn du reißest das Sein nicht los, daß vom Sein es sich scheide,3^
Weder indem's allwärts sich zerstreut, gleichmäßig geordnet,
Noch indem es sich sammelt (an dieser Stell' und an jener) .3^
doch nach VIII, gg ff. eben die Unterscheidung von Licht und Nacht die Grundtatsache
des gesamten menschlichen Irrwahns). Allein wenigstens mittelbar sind in jenes Ver-
werfungsurteil gewiß auch alle Bewegungen und Verfärbungen einzelner Dinge ein-
geschlossen.
48) VIII, 43 bis 4g der (VIII, 33 bis gg nur flüchtig vorweggenommene) „Beweis"
für die „Unvollendbarkeit", d. i. die Vollständigkeit des Seienden: es reicht auf allen
Seiten bis zur „Grenze". Diese Grenze ist natürlich der Himmel als der augenschein-
liche Abschluß des vorhandenen Stoffes und an diesem Augenschein hat Parmenides
niemals gezweifelt! Da nun das Seiende (der Stoff) allseits bis zu dieser (wie Par-
menides eben als ganz selbstverständlich voraussetzt: kugelförmigen) Grenze reicht,
so „ist es" was seine Gestalt betrifft „der Masse eines gut gerundeten Balles ähnlich"
— d. h. es ist selbst eine massive (weil durch und durch von Stoff erfüllte) Kugel:
die als Unterschieds- und lückenlose Masse gedachte Weltkugel!
43) Da das Seiende allseits bis an die begrenzende Kugelschale reicht, sind all
seine Halbmesser gleich, die zwischen Mittelpunkt und Grenzfläche gelegene Masse
kann nicht auf einer Seite dicker oder dünner sein als auf einer anderen: das
Seiende hat keine unregelmäßige Gestalt.
go) Mit alledem werden freilich Behauptungen über weit Entferntes, dem Augen-
schein Entrücktes aufgestellt, allein was für die Sinne fern und fragwürdig scheint,
ist für die Erkenntnis nah und gewiß (dyteovra. vdot ytapeovra, vgl. das Vorsokr. 12
B 34 zitierte Sprichwort: dytewat). Dieser erste Vers des Bruchstücks II
ließe sich natürlich auch anderswo einschieben; allein VIII, 46 gibt deutlich die Be-
gründung zu II, 2 bis 4. Bei der „Erkenntnis" denkt aber Parmenides hier wohl an
die anschauliche Vorstellbarkeit, denn die Annahme zweier räumlich getrennter Seiender
bietet wohl keine unmittelbar logische Schwierigkeit. Dagegen kann man sich nicht
zwei Dinge in einem gewissen Abstand vorstellen, ohne sich auch dazwischen etwas
vorzustellen, dies etwas aber wäre eben wieder Seiendes!
gi) Es gelingt dem Menschen nicht, ein Stück des Seienden abzuschneiden, so
daß es mit dem andern (vgl. o. Anm. 40) nicht mehr zusammenhinge (djEOr^lj^et ist
2. Pers. Fut. Med., nicht g. Fut. Act.; roü dovrog bezeichnet den Zustand, der
durch das Abschneiden beseitigt würde). Das ist eben unvorstellbar (Anm. go). VIII,
44 f. war gezeigt worden, daß das Seiende nicht einen unregelmäßigen Körper dar-
stellt. Noch weniger — so ergibt sich nun — kann es auf mehrere Körper verteilt sein.
g2) Weder so, daß kleine Stoffmassen regelmäßig (xard xdo^ov, wie 11. X 472;
an „Welt" ist hier gar nicht zu denken) im Raum verteilt wären (erste Erwähnung*
des Atomismus im Abendland! Der Gedanke blitzt freilich nur auf, um alsbald ver-
worfen zu werden) noch so, daß der Stoff (hier und dort zu einigen größeren Massen)
zusammenträte (II, 4 mag etwa mit evtla xcd evrla geschlossen haben: vom Zusammen-
treten zu einer Masse kann hier natürlich nicht die Rede gewesen sein, da es sich
ja um eine der beiden möglichen Arten des „Abschneidens" handelt).
H. Gomperz
Aber zu äußerst ist (Sein) begrenzt; nicht fehlt ihm der Abschluß
Allseits: es gleicht der Wucht einer wohlgerundeten Kugel,^
Allwärts gleich, von der Mitte gemessen: es kann an dem einen
4g: Ort nicht stärker sein noch schwächer als an dem andren!*^
Br. II, 1: Blick' auf das, was fern: nah zeigt's und verläßlich der Geist dir.3°
Denn du reißest das Sein nicht los, daß vom Sein es sich scheide,3^
Weder indem's allwärts sich zerstreut, gleichmäßig geordnet,
Noch indem es sich sammelt (an dieser Stell' und an jener) .3^
doch nach VIII, gg ff. eben die Unterscheidung von Licht und Nacht die Grundtatsache
des gesamten menschlichen Irrwahns). Allein wenigstens mittelbar sind in jenes Ver-
werfungsurteil gewiß auch alle Bewegungen und Verfärbungen einzelner Dinge ein-
geschlossen.
48) VIII, 43 bis 4g der (VIII, 33 bis gg nur flüchtig vorweggenommene) „Beweis"
für die „Unvollendbarkeit", d. i. die Vollständigkeit des Seienden: es reicht auf allen
Seiten bis zur „Grenze". Diese Grenze ist natürlich der Himmel als der augenschein-
liche Abschluß des vorhandenen Stoffes und an diesem Augenschein hat Parmenides
niemals gezweifelt! Da nun das Seiende (der Stoff) allseits bis zu dieser (wie Par-
menides eben als ganz selbstverständlich voraussetzt: kugelförmigen) Grenze reicht,
so „ist es" was seine Gestalt betrifft „der Masse eines gut gerundeten Balles ähnlich"
— d. h. es ist selbst eine massive (weil durch und durch von Stoff erfüllte) Kugel:
die als Unterschieds- und lückenlose Masse gedachte Weltkugel!
43) Da das Seiende allseits bis an die begrenzende Kugelschale reicht, sind all
seine Halbmesser gleich, die zwischen Mittelpunkt und Grenzfläche gelegene Masse
kann nicht auf einer Seite dicker oder dünner sein als auf einer anderen: das
Seiende hat keine unregelmäßige Gestalt.
go) Mit alledem werden freilich Behauptungen über weit Entferntes, dem Augen-
schein Entrücktes aufgestellt, allein was für die Sinne fern und fragwürdig scheint,
ist für die Erkenntnis nah und gewiß (dyteovra. vdot ytapeovra, vgl. das Vorsokr. 12
B 34 zitierte Sprichwort: dytewat). Dieser erste Vers des Bruchstücks II
ließe sich natürlich auch anderswo einschieben; allein VIII, 46 gibt deutlich die Be-
gründung zu II, 2 bis 4. Bei der „Erkenntnis" denkt aber Parmenides hier wohl an
die anschauliche Vorstellbarkeit, denn die Annahme zweier räumlich getrennter Seiender
bietet wohl keine unmittelbar logische Schwierigkeit. Dagegen kann man sich nicht
zwei Dinge in einem gewissen Abstand vorstellen, ohne sich auch dazwischen etwas
vorzustellen, dies etwas aber wäre eben wieder Seiendes!
gi) Es gelingt dem Menschen nicht, ein Stück des Seienden abzuschneiden, so
daß es mit dem andern (vgl. o. Anm. 40) nicht mehr zusammenhinge (djEOr^lj^et ist
2. Pers. Fut. Med., nicht g. Fut. Act.; roü dovrog bezeichnet den Zustand, der
durch das Abschneiden beseitigt würde). Das ist eben unvorstellbar (Anm. go). VIII,
44 f. war gezeigt worden, daß das Seiende nicht einen unregelmäßigen Körper dar-
stellt. Noch weniger — so ergibt sich nun — kann es auf mehrere Körper verteilt sein.
g2) Weder so, daß kleine Stoffmassen regelmäßig (xard xdo^ov, wie 11. X 472;
an „Welt" ist hier gar nicht zu denken) im Raum verteilt wären (erste Erwähnung*
des Atomismus im Abendland! Der Gedanke blitzt freilich nur auf, um alsbald ver-
worfen zu werden) noch so, daß der Stoff (hier und dort zu einigen größeren Massen)
zusammenträte (II, 4 mag etwa mit evtla xcd evrla geschlossen haben: vom Zusammen-
treten zu einer Masse kann hier natürlich nicht die Rede gewesen sein, da es sich
ja um eine der beiden möglichen Arten des „Abschneidens" handelt).