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H. Gomperz
gehen kann. Wie nun dem menschlichen Wahn zufolge durch
Mischung und vielleicht auch durch Scheidung von Licht und Dunkel
Himmel und Erde entstanden sind, das legte die Göttin des Tages
dem Dichter im einzelnen dar. Sie verhieß ihm, er werde erfahren,
Br. XI, i: Wie die Erde, die Sonne, der Mond, die Helle des Himmels,
Wie der Bogen von Milch, wie des Weltalls äußerster Gipfel
Und die Glut der Gestirne hervor zum Werden sich drängten;
Br. X, 1: Wirst das Wesen erkennen der himmlischen Helle, darin die
Sämtlichen Bilder; das dörrende Werk, das die heilige Sonne
Übt mit weißlichem Schein und wie's zustandegekommen;
Lernen des rundäugigen Mondes Wesen und Umlauf;
g: Wirst den Himmel verstehen, der ringsum alles umfaßt hält,
Fassen, woraus er erwuchs, wie (des Zwanges Gewalt) ihn gefesselt,
Grenze der Sterne zu sein — — -— — "3
Darüber, wie die Göttin diese Verheißung einlöste, unterrichten
uns fast nur ein paar dürftige Auszüge,^ hochwichtig für die Ge-
schichte der Astronomie, doch für unsern augenblicklichen Gesichts-
punkt wenig belangreich. Jedenfalls sprach sie dabei von
Br. XV a: — — — — der im Wasser wurzelnden Erde
und zwar in Versen, in denen das spätere Altertum die erste Er-
wähnung der Kugelgestalt der Erde, ja ihrer Einteilung in eine
kalte, gemäßigte und heiße Zone fand" und kleidete die damals
neue Erkenntnis, daß der Mond sein Licht von der Sonne erborgt,
in zwei Verse, die Verse Homers aufs witzigste parodieren:
yg) In dem siebenfüßig überlieferten Vers X, 6: p,ev ydp ye xai Mg
jM-u* dyovcTyted^üev dcürpMV . . . darf man nicht /rer ydp tilgen
wollen (wem wäre es eingefallen, diese Wörtchen in einen heilen Vers einzu-
schieben?), sondern 'Avdyx?) ist als erklärender Zusatz des Clemens „außerhalb der
Anführungszeichen" anzusehen: hfrdyx?? wird wirklich Subjekt zu ETtetbiösr gewesen
sein, aber erst nach vielleicht am Ende des Verses 7, gestanden haben.
y6) Vorsokr. 18 A gy bis 43 a.
yy) Vorsokr. 18 A 1/21; A 44 bis 44a und Nachtr. XXVII, gg. Gegen die Glaub-
würdigkeit der Nachricht, daß schon Parmenides von der Kugelgestalt der Erde
wußte, Patin, Parmenides im Kampfe gegen Heraklit, S. 611 und neuerdings Erich
Frank, Plato u. d. sog. Pythagoreer, S. 138 f.
H. Gomperz
gehen kann. Wie nun dem menschlichen Wahn zufolge durch
Mischung und vielleicht auch durch Scheidung von Licht und Dunkel
Himmel und Erde entstanden sind, das legte die Göttin des Tages
dem Dichter im einzelnen dar. Sie verhieß ihm, er werde erfahren,
Br. XI, i: Wie die Erde, die Sonne, der Mond, die Helle des Himmels,
Wie der Bogen von Milch, wie des Weltalls äußerster Gipfel
Und die Glut der Gestirne hervor zum Werden sich drängten;
Br. X, 1: Wirst das Wesen erkennen der himmlischen Helle, darin die
Sämtlichen Bilder; das dörrende Werk, das die heilige Sonne
Übt mit weißlichem Schein und wie's zustandegekommen;
Lernen des rundäugigen Mondes Wesen und Umlauf;
g: Wirst den Himmel verstehen, der ringsum alles umfaßt hält,
Fassen, woraus er erwuchs, wie (des Zwanges Gewalt) ihn gefesselt,
Grenze der Sterne zu sein — — -— — "3
Darüber, wie die Göttin diese Verheißung einlöste, unterrichten
uns fast nur ein paar dürftige Auszüge,^ hochwichtig für die Ge-
schichte der Astronomie, doch für unsern augenblicklichen Gesichts-
punkt wenig belangreich. Jedenfalls sprach sie dabei von
Br. XV a: — — — — der im Wasser wurzelnden Erde
und zwar in Versen, in denen das spätere Altertum die erste Er-
wähnung der Kugelgestalt der Erde, ja ihrer Einteilung in eine
kalte, gemäßigte und heiße Zone fand" und kleidete die damals
neue Erkenntnis, daß der Mond sein Licht von der Sonne erborgt,
in zwei Verse, die Verse Homers aufs witzigste parodieren:
yg) In dem siebenfüßig überlieferten Vers X, 6: p,ev ydp ye xai Mg
jM-u* dyovcTyted^üev dcürpMV . . . darf man nicht /rer ydp tilgen
wollen (wem wäre es eingefallen, diese Wörtchen in einen heilen Vers einzu-
schieben?), sondern 'Avdyx?) ist als erklärender Zusatz des Clemens „außerhalb der
Anführungszeichen" anzusehen: hfrdyx?? wird wirklich Subjekt zu ETtetbiösr gewesen
sein, aber erst nach vielleicht am Ende des Verses 7, gestanden haben.
y6) Vorsokr. 18 A gy bis 43 a.
yy) Vorsokr. 18 A 1/21; A 44 bis 44a und Nachtr. XXVII, gg. Gegen die Glaub-
würdigkeit der Nachricht, daß schon Parmenides von der Kugelgestalt der Erde
wußte, Patin, Parmenides im Kampfe gegen Heraklit, S. 611 und neuerdings Erich
Frank, Plato u. d. sog. Pythagoreer, S. 138 f.