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Dr. Fritz Giese
Stahlblechplombe angeknüpft. Das Plakat sinkt in seiner Wirkung, da das
Publikum am ersten Abschnitt lustbetont hängen bleibt.
Ein weiteres Beispiel mit Gegenstück, um die Sinnfälligkeit zu erläutern.
Jemand fertigt Metallsägen. Dies wird versinnbildlicht, indem scheibenweise
vor einem Rundblock Metallschichten abgeschnitten vorgeführt sind und die
Säge gerade dabei ist, eine neue Scheibe vom Block abzuteilen. Niemand wird
an der Logik dieser Sinnfälligkeit Zweifel hegen. Ein anderer fertigt Rasier-
klingen. Auch deren Schärfe will er versinnbildlichen. Was tut er? Er stellt
einen Dackel dar, dem mit der Klinge der Leib in der Mitte durchgeschnitten
ist. Welch groteske Vorstellung, Hunde mit Rasierklingen zu tranchieren. Und
welche unterbewußte, interessante Ideenverbindung! Das Plakat ist unwirksam,
denn es ist für viele abstoßend oder dumm und keinesfalls komisch.
Die andere Möglichkeit, Gedankengänge des Künstlers aufzufinden, bieten
Plakate, die Sinnfälligkeit suchen und entgleisen. Schon das eben genannte
rechnet hieher. Aber die erotisierten Leitvorstellungen finden sich auch
noch drastischer und zeigen uns Wege der künstlerischen Produktion an.
Jemand fabriziert Mundspiegel. Er will die praktische Brauchbarkeit des
Mundspiegels vorführen. Er tut es, indem der Künstler einen Mann auf
einer Kirchturmspitze sitzen läßt, den Spiegel in der Hand. Darunter der
Satz: „Sie sehen einfach alles." Logisch betrachtet ist es ein Unsinn, durch
einen Mundspiegel eine Ortschaft betrachten zu lassen. Erstens ist das
ungewöhnlich und zweitens lenkt es nicht nur ab von der Anwendung des
Mundspiegels selbst, sondern veranschaulicht auch keinesfalls die besondere
Güte des Fabrikates. Beide Absichten schlagen fehl. Die Darstellung würde viel
eher für einen Feldstecher oder ein Zielfernrohr von Belang sein. Die Analyse
wird aber fragen: wie kam der Künstler auf diesen Gedanken, den Mann mit
dem Mundspiegel auf die Kirchturmspitze zu setzen? Ich will mich jeder
näheren Annahme enthalten; klar ist, daß hier unterbewußte Vorstellungen
den Künstler geleitet und überaus schlecht beraten haben. Wenn er rein ober-
bewußtlich gearbeitet haben sollte, könnte man seiner intellektuellen Fähig-
keit nur eine äußerst geringe Konzeption zuweisen und fast zu seiner Ent-
schuldigung wird man annehmen, daß er sich durch unterbewußte erotisierte
Vorstellungen hat in die Irre leiten lassen: von der erstrebten Sinnfälligkeit fort.
Hiemit komme ich zu dem eingangs erwähnten zweiten Fall: der Möglich-
keit, daß der Reklamereagent durch erotisierte Darstellungen nichtsexuell
betonter Branchen aus der Bahn geworfen wird, daß die Reklamewirkung
verpufft. Hiebei ist dann von Sinnfälligkeit oft niemals die Rede gewesen.
Das Erotische drängt sich mit anderen Worten hervor. Aus erotisierter
*
Dr. Fritz Giese
Stahlblechplombe angeknüpft. Das Plakat sinkt in seiner Wirkung, da das
Publikum am ersten Abschnitt lustbetont hängen bleibt.
Ein weiteres Beispiel mit Gegenstück, um die Sinnfälligkeit zu erläutern.
Jemand fertigt Metallsägen. Dies wird versinnbildlicht, indem scheibenweise
vor einem Rundblock Metallschichten abgeschnitten vorgeführt sind und die
Säge gerade dabei ist, eine neue Scheibe vom Block abzuteilen. Niemand wird
an der Logik dieser Sinnfälligkeit Zweifel hegen. Ein anderer fertigt Rasier-
klingen. Auch deren Schärfe will er versinnbildlichen. Was tut er? Er stellt
einen Dackel dar, dem mit der Klinge der Leib in der Mitte durchgeschnitten
ist. Welch groteske Vorstellung, Hunde mit Rasierklingen zu tranchieren. Und
welche unterbewußte, interessante Ideenverbindung! Das Plakat ist unwirksam,
denn es ist für viele abstoßend oder dumm und keinesfalls komisch.
Die andere Möglichkeit, Gedankengänge des Künstlers aufzufinden, bieten
Plakate, die Sinnfälligkeit suchen und entgleisen. Schon das eben genannte
rechnet hieher. Aber die erotisierten Leitvorstellungen finden sich auch
noch drastischer und zeigen uns Wege der künstlerischen Produktion an.
Jemand fabriziert Mundspiegel. Er will die praktische Brauchbarkeit des
Mundspiegels vorführen. Er tut es, indem der Künstler einen Mann auf
einer Kirchturmspitze sitzen läßt, den Spiegel in der Hand. Darunter der
Satz: „Sie sehen einfach alles." Logisch betrachtet ist es ein Unsinn, durch
einen Mundspiegel eine Ortschaft betrachten zu lassen. Erstens ist das
ungewöhnlich und zweitens lenkt es nicht nur ab von der Anwendung des
Mundspiegels selbst, sondern veranschaulicht auch keinesfalls die besondere
Güte des Fabrikates. Beide Absichten schlagen fehl. Die Darstellung würde viel
eher für einen Feldstecher oder ein Zielfernrohr von Belang sein. Die Analyse
wird aber fragen: wie kam der Künstler auf diesen Gedanken, den Mann mit
dem Mundspiegel auf die Kirchturmspitze zu setzen? Ich will mich jeder
näheren Annahme enthalten; klar ist, daß hier unterbewußte Vorstellungen
den Künstler geleitet und überaus schlecht beraten haben. Wenn er rein ober-
bewußtlich gearbeitet haben sollte, könnte man seiner intellektuellen Fähig-
keit nur eine äußerst geringe Konzeption zuweisen und fast zu seiner Ent-
schuldigung wird man annehmen, daß er sich durch unterbewußte erotisierte
Vorstellungen hat in die Irre leiten lassen: von der erstrebten Sinnfälligkeit fort.
Hiemit komme ich zu dem eingangs erwähnten zweiten Fall: der Möglich-
keit, daß der Reklamereagent durch erotisierte Darstellungen nichtsexuell
betonter Branchen aus der Bahn geworfen wird, daß die Reklamewirkung
verpufft. Hiebei ist dann von Sinnfälligkeit oft niemals die Rede gewesen.
Das Erotische drängt sich mit anderen Worten hervor. Aus erotisierter
*