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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 10.1924

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Heft 2 u. 3
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Heise, Karl: Der Kuckuck und die Meise: im Volksmunde und dem Volksglauben der Braunschweiger
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https://doi.org/10.11588/diglit.36527#0354
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542

Dr. med. Karl Heise: Der Kuckuck und die Meise

nannt. Die Gestalten des Traumes sind Arbeitsergebnisse von genügender
Stärke, daß sie noch vor der wachen Seele als Wirklichkeiten, Vorstellungen
erscheinen, wenn sie auch von dem wachen Denken aber gewohnheitsmäßig
abgelehnt werden. Die Seele, das innere Emphndungsorgan, nimmt immer
solche Eindrücke auf, welche den Telefunken gleich für die übrigen Sinne
nicht kontrollierbar sind. Im Lärm des Tages werden sie nur iibertäubt von
den äußeren Eindrücken, trotzdem diese ohne die Werteindrücke der Seele
für unser Leben ganz nutzlos sind. Der Geist, das Erzeugnis der Denkarbeit
des Denkorgans, liefert durch dessen lebenslängliche, auch im Schlafe nicht
abgestellte Arbeit Ergebnisse, welche als selbstlebend von der eigenen Seele
empfunden werden können und so vor ihr stehen, daher Vorstellungen (Ideen)
genannt werden, wenn die Gestaltungskraft zu ihrer Bildung stark genug und
die Aufnahmsfähigkeit der Seele nicht anderweitig in Anspruch genommen
ist. Wir sprechen dann vom Bewußtsein. Dies ist ein wechselnder Zustand
zwischen Seele und Geist, zwischen der rezeptiven und produktiven Psyche,
wie man bisher sagte, zwischen den Bindegewebszellen und Muskelzellen, wie
zellularpsychologisch der Vorgang bezeichnet werden muß.
Wäre das Bewußte allein unser Leben oder auch nur maßgebend für unser
Leben, so wäre es eine Torheit solche Dinge wie diesen kleinen Reim zu
gestalten, zu bewahren, zu untersuchen oder auch nur zu erwähnen, aber
ganz im Gegenteil ist und bleibt „die Poesie das absolut Reelle". Wissenschaft
ohne seelisches Empfindungs- und Gestaltungsvermögen ist undenkbar, die
Bemühung, ohne solches zu arbeiten, von vernichtender Wirkung.
 
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