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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 31.1920

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Utitz, Emil: Expressionismus und Volks-Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.10458#0070

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58

INNEN-DEKORATION

EXPRESSIONISMUS UND
VOLKS-KUNST

Die überwiegende Mehrzahl
unserer expressionistischen
Künstler würde bloß gewinnen,
wenn sie die grenzenlose Weite
metaphysischer Verstiegenheit
verließe. Was nottut, ist die klare
Besinnung auf dekorative An-
forderungen. Wo ihr Zwang
wohltuend sich Geltung ver-
schafft, da liegen auch bereits Er-
folge vor, die selbst Gegner die-
ser Richtung dankbar anerkennen:
im schmückenden Wandbild,
im Glasgemälde, im Buch-
schmuck, in der Stickerei
usw. Unsere Wohnungen und
öffentlichen Gebäude rufen nach
guten Bildern, nicht nach Meta-
physik, nach gemalten Welträt-
seln und nach Entzifferung letzter
Geheimnisse. Unendlicher Platz
ist für dekorative Kunst. Der
Impressionismus konnte ihn nicht
ausfüllen; der Expressionis-
mus kann dies, wenn er will.
Dann kommt auch von selbst der
Stil: Verankerung im Leben der
Gegenwart, Sicherheit der Form,
gleiche Melodie in unendlichen
Verschlingungen. — In aller Be-
scheidenheit sei gesagt: ein wei-
tes, dankbares Feld dekorativer
Kunst liegt offen. Kommet und
schmücket unser Leben!
Wir hungern darnachl Und
wenn Ihr naht, so ist dies keine
Erniedrigung, keine Selbstver-
leugnung, sondern Leistung des-
sen, was die Künstler aller Zeiten
taten, ohne dadurch zu verlieren.
Und wenn Ihr dann höher fliegen
könnt; wer will es Euch verweh-
ren? — Oder ganz deutlich ge-
sprochen: Der Expressionismus
kann seinem Wesen nach durch-
aus die dekorativen Bedürfnisse
befriedigen, die Heim und Rat-
haus, Kirche und Festsaal, Schloß
und Arbeiterwohnung haben. Er
muß nur wollen. Dann erwerben
wir den Stil. Gewiß ist das Höch-
ste : selbstherrliche Kunst, durch
keine Rücksicht gebunden, sich
selbst genug. Wir wandeln aber
nicht immer auf Felsengipfeln.
Nur der geübte Bergsteiger kann
dies ohne Gefahr. Die anderen
straucheln und stürzen. Gibt es
denn aber nicht die schmiegsame-
ren Reize des Mittelgebirges?
Und sind diese Wanderungen so

wenig lohnend und verächtlich?
Das Großartige des Expressio-
nismus scheint mir, daß seine
Grundlagen tragfähig genug sind,
Volkskunst jeglicher Art
zu gebären, gerade wegen der
dekorativen Tendenz. Und dieses
Kapital verschleudern so viele,
weil ihnen die Taube am Dach
lieber ist, als der Sperling in der
Hand. Es handelt sich hier um
eine der wichtigsten Zukunfts-
fragen der Kunst; die Ant-
wort muß sie selbst erteilen. Von
ihr hängt das Schicksal des Ex-
pressionismus ab. Denn entweder
bleibt er eine Künstlerbewegung,
aus der neben zahllosen schlech-
ten einige meisterliche Werke er-
wachsen, oder er verwurzelt sich
zu einem allgemeinen Stil.
Aber dieser Weg führt nur durch
das Dekorative.. . dr. emil utitz.

£

Unser neuerer Stilwille be-
ruhte auf Deduktion, auf der
»Herleitung« einer Stilauffassung
vom Dekorativ-Erschauten, also
von Äußerlichkeiten. Man kann
auch sagen, er war Impression.
In allem zielte er zum Effekt. Was
wir aber brauchen, ist Induktion,
von innen heraus sich ent-
wickelnder Auf trieb künstlerischer
Sonderfähigkeiten, i st, man könnte
sagen: Expression, g. kutzke.

Ä

Es gibt vielleicht in der ganzen
Kunstbetrachtung kein Ka-
pitel, das reichere und feinere
Einblicke in das tiefste Wesen
des Künstlerischen vermittelt, als
das Kapitel von der Art, wie die
dekorative Kunst und vor allem die
dekorative Plastik das stilistische
Gleichgewicht mit der Entwick-
lungsform des baulichen Aus-
drucks gefunden hat. schumacher.

Ä

Mit der K u n s t ist es eine ei-
gene Sache; sie braucht den
schöpferischen Geist der Le-
benden, wenn das alte Gut nicht
verschimmeln soll. Die Kunst muß
immer wieder neu aus dem
Leben hervorwachsen, wie die
Ernte des Jahres, hansthoma.

w,

schnitzerei ein. fensterumrahmung 1. d. halle

Tir brauchen für die Zukunft
alle Kräfte der Begabung,
über die wir verfügen können. Nur,
wenn wir alles aus unserem Volke
herausholen,was inihmsteckt, wer-
den wir bestehen, f. Schumacher.
 
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