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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 31.1920

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Lang, Hugo: Der Bild-Schrein
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https://doi.org/10.11588/diglit.10458#0376

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INNEN-DEKORATION

DER BILD-SCHREIN

EINE KLEINE AUSEINANDERSETZUNG MIT BRUNO TAUT

Eine Möglichkeit »zur Verinnerlichung des Kunst-
empfindens«, meint Bruno Taut, »liegt im Bild-
Schrein. Er wird in die Wand eingefügt, ist außen
neutral — und das Innere leicht ankündend — bemalt.
Offnet man ihn, so erstrahlt in ihm das Kunstwerk, das
sich über die Klappen des Schreines ausbreitet«. So weit
ist gewiß nichts einzuwenden. Warum sollen wir nicht
wieder — kleinere und größere — »Bild-Schreine«
fertigen ? Wir geben die Anregung also weiter! . . . .

Taut meint aber ferner: »Hierin liegt die Lösung des
Rahmenproblems der heutigen Malerei, die jeden un-
architektonischen Rahmen sprengt. Ein Schrein aber ist
Architektur und kann in Stern- und anderen Formen,
angepaßt an das Thema des Bildes, in sich abgeschlossene
Architektur sein, wie ein kostbares Möbelstück. . . .«
Hier wird die Sache schon bedenklich. Solange Taut
alpine und kosmische Architekturgebilde dichtet und sich,
der hohen Baulust Wege bahnend, in höheren Regionen
bewegt, wird man den bunten Vogel gerne fliegen lassen;
bei dem konkreteren »Glashaus«-Problem (dessen zu-
künftige Bedeutung übrigens —, wenn auch nicht in all-
gemeiner Anwendung —, unzweifelhaft ist) wird der
Kritiker schon zwischen »Wollen« und »Können« unter-
scheiden ; bei ganz konkreten Fragen praktischer Einrich-
tung wird er aber ihm noch schärfer auf den Zahn fühlen.

Wie zur Jugendstilperiode wird heute wieder gegen
das senkrecht-wagrechte Grundprinzip der Architektur

Sturm gelaufen. Damals versuchte man (Turin f f f)
runde, ovale, quallige Tür-Rahmen usw. in unsere recht-
eckigen Wohnräume einzuführen. . . Schwamm darüber!

Seien wir offen, lieber Taut! Es handelt sich um
grundlegende, um letzte Entscheidungen: Wollen wir, wie
in guter alter Zeit den Erd-Mittelpunkt, — oder den
Bild-Mittelpunkt als maßgebendes Zentrum annehmen?

Im ersteren Fall bleibt die Schwerkraft maßgebend.
Maßgebend die Senkrechte und Wagrechte für die
Architektur, trotz aller ungeheuren inneren Zentrifugal-
spannungen —, wie zur Zeit der Gotik, auch des nah-
verwandten Rokoko. Aller drängende Ausdruck wird
zur höchsten Spannung gebändigt: in Senkrechtes und
Wagrechtes. In der Gotik: da ist wohl oben am steil
aufschießenden Bild-Rahmen Raum für reiches Maßwerk,
weil auch die Kathedralen-Gewölbe oben die Freiheit des
Baumes haben, und im Rokoko ist der geschwungene
Rahmen ganz in Harmonie mit den Vertikal- und Hori-
zontal-Wellen der Möbel- und Wand-Ornamente. Nir-
gends jedoch ist das Bild selbständiges Zentrum! . . .

Ein Stern aber hat ein Zentrum in sich, von dem er
ausstrahlt. Er kümmert sich nicht um die Schwerkraft
der Erde, er leuchtet in »splendid isolation«. In diesem
zweiten Fall müssen wir also das Bild, das sternförmige,
oder wie Behne vorschlägt: das amöbenartig ganz mit
irrationalen Kurven und Zacken umrahmte Bild als das
Maßgebende annehmen, als das „Aö? jxoi rcoö axw". Dann
 
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