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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 31.1920

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Lang, Hugo: "Die Weisse Wand"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10458#0152

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INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT PAUL HOSCH-BASEL

STUBE MIT WANDMALEREI. FENSTERPLATZ

»DIE WEISSE WAND«

Es ist an der Zeit, für die weißgekalkte bezw.
weißgetünchte Wand, die aus ihrer früheren
Herrschaf t durch die sieghafte Tapete fast ganz verdrängt
wurde, wieder eine Lanze zu brechen. Zwei Gründe
sprechen dafür. Zunächst eine licht-ökonomische Uber-
legung. Eine dunkel-grüne oder rote Wand verschluckt
85 Prozent des Tages- oder künstlichen Lichtes im Zimmer!
Eine gelbe 55 Prozent. Bei weißem Anstrich geht nur
die Hälfte des Lichtes verloren. Ein weißer Raum wird
also auch bei trübem Gaslicht noch wohnlich hell wirken.

Die dunkle Wand ist ganz Ruhe, ganz Hintergrund,
passiv. Die weiße Wand dagegen hat ein aktives
Prinzip, Leben in sich. Sie strahlt weißes Licht aus und
fordert ständig ein Gegensätzliches, fordert starke
Farben. Zur Zeit da sie herrschte, wurde sie in Burgen
und Bauernhäusern mit berauschend farbigen Wandbe-
hängen geschmückt. (Wie die unverblichenen Rückseiten
solcher Gewebe und Gobelins beweisen, waren die ver-
wendeten Farben ursprünglich von stärkster Leuchtkraft,
erst die bleichende Wirkung des Lichtes schuf die
Patina unserer müden, sogenannten »Gobelin«töne.)

Solche Wandteppiche zu schaffen, ist uns zur Zeit
noch verwehrt. Aber Farben sind vorhanden und fähige
junge Künstler, die wieder Lebendiges in die Fläche zu
bannen verstehen. Die Dekorationsmalerei, die nichts

Wesentlicheres zu bieten vermochte als die hochent-
wickelte Tapetenkunst, war überflüssig. Etwas anderes
ist es, wenn eine junge Kunst mit neugewonnenem bild-
nerischem Können eine solche Wandfläche, unter Wahrung
der Bildebene, mit stärkstem Leben zu füllen vermag, etwas
Wesentliches zu sagen hat, durch starke, heitere Farben
und Formen etwas Tönendes, Klingendes in die trübe
Stille der vier Wände hineinzubringen versteht. Nicht nur
einige wenige »große« Künstler, sondern zahllose befähigte
junge Kräfte werden, wenn die künstlerische Entwicklung
so weiter geht und nicht gehemmt, sondern gefördert
wird, für derartige Aufgaben uns zur Verfügung stehen.

Es gilt also, die Scheu vor der weißgetünchten Wand
zu überwinden. Bereiten wir in Stadt- und Landhaus
weiße Wandflächen, bis sich Gelegenheit rindet, einer
jungen Begabung den Auftrag zu geben, sie zu beleben.
Nicht jeder Raum, nicht jede Wand verträgt natürlich
solch hochzeitlichen Schmuck. Aber zumal im Kleinwohn-
haus wird eine solche, von farbigem Leben durchsonnte
Stube, — mag sie auch nicht eine Sehenswürdigkeit sein
wie die sixtinische Decke, — ein charaktervolles, be-
jahendes, belebendes Element, einen Abglanz des sieghaft
sich immer neu aufrichtenden Lebens dem Bewohner täg-
lich als erfrischenden Jungbrunnen bieten. Nicht der »Re-
präsentation«, dem Leben will diese Kunst dienen, lang.
 
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