Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 31.1920
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https://doi.org/10.11588/diglit.10458#0338
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Bunsen, Marie von: Geselligkeit von Heute
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INNEN-DEKORATION
ARCHITEKTEN BERCHER & TAMM-BASEL BÜFETT IM SPEISEZIMMER IM HAUSE W.
GESELLIGKEIT VON HEUTE
Tn den ersten Kriegsjahren wurde mit seltener Einstim-
J. migkeit unsere bisherige Geselligkeit in Grund
und Boden verdammt. Sie sei im Scheinluxus, in snobi-
stischem Eitelkeitswettkampf erstickt, bejammernswert
geistlos und öde sei die glanzerfüllte Kostspieligkeit
dieser schematischen Gelage verlaufen. Einfachheit
wurde im vollsten Brustton als Heilmittel gepredigt.
Vereinfachung ist uns aufgezwungen worden, und
wieder lebt man gesellig, — folglich müßten wir eine
»Blüte des Gesellschaftslebens« begrüßen; müßte man,
vom Alpdruck der Verschwendung befreit, überall an-
sprechende und anregende Unterhaltung erwarten dürfen.
So durchsichtig ist die Sachlage nicht, die Abhilfe
nicht so greifbar. Die frühere Verallgemeinerung beruhte
auf einer erstaunlichen Uberschätzung der »Aufmachung«;
der Rahmen, nicht das Bild, der Einband, nicht der Inhalt
des Buches wurden als das Maßgebende hingestellt . . .
*
Maßgebend ist jedoch die Unterhaltung, das
Wesentliche das Gespräch..............
Warum müßte dies durch ausgesuchte Speisen,
durch erlesene Getränke in ungünstiger Weise beeinflußt
werden? Wird das im Ernst jemand behaupten wollen?
Ist die Anregung der Tafelgenüsse, ihre stimmung-
steigernde Kraft nicht seit Jahrtausenden erwiesen ? Meine
Erfahrung wird sich mit denen der meisten decken: auch
bei kostspieligen, üppigen Tischgesellschaften wurde uns
gelegentlich, wenn das Glück wohlwollte, interessante
und lohnende Unterhaltung zuteil, und — ab und zu
haben wir uns bei dünnem Tee und reizlosem Aufschnitt
gründlich gelangweilt. Muß man sich langweilen, so ge-
schieht das immerhin angenehmer bei Kaviar, Fasanen
und altem Rauentbaler; gesundheitlich zuträglicher ist
hingegen wieder eine schlichtere Bewirtung. Es besteht
eben kein zwingender Zusammenhang zwischen wert-
vollem Gespräch und den Kosten der Bewirtung! . . . .
*
Trotzdem war die einhellige Verurteilung unserer
bisherigen Geselligkeit berechtigt. Zweifellos
stellte unsere Geselligkeit einen Tiefstand dar. Sie war
durch und durch stillos, unpersönlich, immer mehr wurde
eine äußere Gleichmacherei angestrebt. Es herrschte
das Schema. Dies Schema war im Grunde auf Millio-
näre zugeschnitten, in der unendlichen Mehrheit der Fälle
wurde eine geschmacklos unwahre Fassadenpracht ent-
wickelt, die Form der Geselligkeit hatte jeden Zusam-
menhang mit den Verhältnissen und Gewohnheiten der
Gastgeber verloren. Es müßte jedoch die jeweilige Ge-
sellschaft den unmittelbarsten Zusammenhang mit dem
betreffenden Hauswesen aufweisen, sie müßte dessen
INNEN-DEKORATION
ARCHITEKTEN BERCHER & TAMM-BASEL BÜFETT IM SPEISEZIMMER IM HAUSE W.
GESELLIGKEIT VON HEUTE
Tn den ersten Kriegsjahren wurde mit seltener Einstim-
J. migkeit unsere bisherige Geselligkeit in Grund
und Boden verdammt. Sie sei im Scheinluxus, in snobi-
stischem Eitelkeitswettkampf erstickt, bejammernswert
geistlos und öde sei die glanzerfüllte Kostspieligkeit
dieser schematischen Gelage verlaufen. Einfachheit
wurde im vollsten Brustton als Heilmittel gepredigt.
Vereinfachung ist uns aufgezwungen worden, und
wieder lebt man gesellig, — folglich müßten wir eine
»Blüte des Gesellschaftslebens« begrüßen; müßte man,
vom Alpdruck der Verschwendung befreit, überall an-
sprechende und anregende Unterhaltung erwarten dürfen.
So durchsichtig ist die Sachlage nicht, die Abhilfe
nicht so greifbar. Die frühere Verallgemeinerung beruhte
auf einer erstaunlichen Uberschätzung der »Aufmachung«;
der Rahmen, nicht das Bild, der Einband, nicht der Inhalt
des Buches wurden als das Maßgebende hingestellt . . .
*
Maßgebend ist jedoch die Unterhaltung, das
Wesentliche das Gespräch..............
Warum müßte dies durch ausgesuchte Speisen,
durch erlesene Getränke in ungünstiger Weise beeinflußt
werden? Wird das im Ernst jemand behaupten wollen?
Ist die Anregung der Tafelgenüsse, ihre stimmung-
steigernde Kraft nicht seit Jahrtausenden erwiesen ? Meine
Erfahrung wird sich mit denen der meisten decken: auch
bei kostspieligen, üppigen Tischgesellschaften wurde uns
gelegentlich, wenn das Glück wohlwollte, interessante
und lohnende Unterhaltung zuteil, und — ab und zu
haben wir uns bei dünnem Tee und reizlosem Aufschnitt
gründlich gelangweilt. Muß man sich langweilen, so ge-
schieht das immerhin angenehmer bei Kaviar, Fasanen
und altem Rauentbaler; gesundheitlich zuträglicher ist
hingegen wieder eine schlichtere Bewirtung. Es besteht
eben kein zwingender Zusammenhang zwischen wert-
vollem Gespräch und den Kosten der Bewirtung! . . . .
*
Trotzdem war die einhellige Verurteilung unserer
bisherigen Geselligkeit berechtigt. Zweifellos
stellte unsere Geselligkeit einen Tiefstand dar. Sie war
durch und durch stillos, unpersönlich, immer mehr wurde
eine äußere Gleichmacherei angestrebt. Es herrschte
das Schema. Dies Schema war im Grunde auf Millio-
näre zugeschnitten, in der unendlichen Mehrheit der Fälle
wurde eine geschmacklos unwahre Fassadenpracht ent-
wickelt, die Form der Geselligkeit hatte jeden Zusam-
menhang mit den Verhältnissen und Gewohnheiten der
Gastgeber verloren. Es müßte jedoch die jeweilige Ge-
sellschaft den unmittelbarsten Zusammenhang mit dem
betreffenden Hauswesen aufweisen, sie müßte dessen