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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 31.1920

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Kraft, Leonhard: "Stirb und Werde!"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10458#0133

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XXXI. JAHRGANG. DARMSTADT. APRIL 1920.

»STIRB UND WERDE!«

material und bildnerwille in der beschränkung

Im Strudel des großen Weltgeschehens ist die
deutsche Arbeit wieder einmal unterge-
taucht, und ein neues qualvolles Ringen um einen
Aufstieg zur Höhe muß einsetzen. Wo sind
die Sterne, die dem durch das Dunkel dieser
Nacht leuchten sollen? Wenn nicht alle Zeichen
trügen, ist ein starker Zug erkennbar, der zum
Ausweichen vor der Öde der Zeit, zum Ein-
spinnen in eine Welt des Scheins, zur Suche
nach der blauen Blume der Romantik lockt.
Aber mehr wie je gilt es, diesem süßen Gift zu
widerstehen. Wohl steht die allseits bedrängte
Gestaltungskraft heute vor harter Arbeit, aber
sie muß mehr als in irgend einer anderen Zeit
ihr Bestes geben. Keine Epoche in der ganzen
kunstgeschichtlichen Entwicklung war so trostlos,
daß sie nicht Spuren künstlerischen Werdens
hinterlassen hätte. Das sollte zu denken geben.

Das unscheinbarste und verachtetste Mate-
rial hat jetzt auf einmal, in der Zeit der Not
und des Mangels an allem, nie geahnten Wert
erworben, mit ganz anderen Augen nun von den
Massen angesehen, die seither trotz allem Mühen
um Kultur stets das Gestalten und Formen
yor dem Materiellen übersahen. Man denke

an die Hochflut ausländischen Holzes, gegen das
auch das bestgebildete Stück aus heimischem
Erzeugnis so schwer angehen konnte, weil das
Mädchen aus der Fremde eben immer schön und
wunderbar sein mußte .. Nun ists damit auf lange
hinaus geschehen. Und warum sollte an dieser
Weltenwende der unerbittliche Zwang es nicht
zuwege bringen, daß ein neuer Wille zur Tat
geboren werde, der in der Beschränkung
den Stoff künstlerisch meistert und —
stark auf sich selbst gestellt — nach dem Höchsten
greift? Ein Sterben, in dem einmal all der
Schein, aus falscher Verklärung des Vergangenen
und Überschätzung des Fremden gewoben, ver-
sinken müßte, ein Werden, das unzählige
Quellen zum Gesunden erschließen würde! Keiner
schwärmerischen Rückkehr zur Natur sei das
Wort geredet, aber einem künstlerischen Er-
fassen und Gestalten der engsten Um-
welt und mit all den bescheidenen Mitteln,
welche diese noch bieten kann. — Einem solchen
Schaffen und Ringen zeigt das Dichterwort den
Weg: »Und solang Du das nicht hast, dieses
Stirb und Werde, bist Du nur ein trüber Gast
auf der kalten Erde!«......dr. Leonhard kraft.

1920. IV. I.
 
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