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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 31.1920

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Lang, Hugo: Der charaktervolle Entwurf
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https://doi.org/10.11588/diglit.10458#0222

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208

INNEN-DEKORATION

DER CHARAKTERVOLLE ENTWURF

Ist es nicht merkwürdig, wie anspruchslos wir uns
jahrzehntelang mit völlig seelenlosen und in ihrem
graphischen Ausdruck gänzlich unpersönlichen
Möbel-und Architektur-Entwürfen begnügten?
So tief steckten wir in der unbeseelten Atmosphäre des
technisch-sachlichen Maschinenzeitalters, daß die blut-
lose Reißbrett-Arbeit, die nüchterne Werkzeichnung
auch im Gebiet der Raumkunst die durchgehende,
unbeanstandete Norm geworden war. Als Höhepunkt
galt vielleicht noch die treue Wiedergabe der Tonwerte
und Schattierungen in naturalistisch gerichteter Kon-
kurrenz der Photographie. Fast nirgends aber war
künstlerische Formung, persönlicher Ausdruck
zu finden. — Zur Jugendstilperiode tauchten Entwürfe
in einigermaßen ausgeprägten, wenn auch greulichen
Formungen auf. Die folgende Wiener Richtung schuf
wenigstens starke dekorative Schwarzweiß-Wirkungen,
aber meist kunstgewerblich einheitlich im Charakter, ohne
persönliche Note. Zum erstenmal fand wohl in Eduard
Pfeiffers nervösen Federzeichnungen, — die bald aus-
lösend wirkten, Schule machten, — eine eigenwillige
Persönlichkeit ihren sichtbaren Ausdruck im raum-
künstlerischen, für die Praxis berechneten Entwurf . .

*

Wenn wir aber vom Raum- und Möbelkünstler höchste
Empfindungskraft in der Gestaltung der Möbel und
Räume fordern, dann ist sicherlich auch zu verlangen,
daß in seinen Entwürfen schon diese empfindsame
Hand, dieser feinnervige, höchst persönliche Formwille
deutlich sichtbar in Erscheinung tritt. Eine solche
künstlerische Bearbeitung des Entwurfes ist keineswegs
gleichbedeutend mit einer Verkünstelung, sondern der
charaktervolle Entwurf wird, wie jede graphische Arbeit,
zum »Psychogramm«. Aus jedem Strich, aus der Art
der Darstellung wird deutlich erkennbar, ob eine wahrhaft
fähige, bis in die Fingerspitzen empfindsame Bildnerkraft
oder eine im Grunde unfähige Persönlichkeit vorliegt.

Unsere neue Graphik bietet dem ernsthaft Suchen-
den deutlich, oft überdeutlich ablesbar, die neuge-
wonnenen Mittel der bildnerischen Gestaltung. Sie
zeigt, wie polare, schwarze und weiße Bestandteile als
Bau-Elemente zur Schaffung innerer Spannung, leben-
diger Bildwirkung Verwendung finden, sie zeigt, wie die
Objekte, unabhängig von der natürlichen Beleuch-
tung, nur im Hinblick auf die richtige Bildwirkung
sich mit solchen Hell-Dunkel-Bestandteilen darstellen
lassen, wie Verstärkung der Raumtiefenwirkung erzielt
wird usw., Mittel, die auch dem Möbel- und Architektur-
Entwurf in Lithographie, Feder- oder Kreidezeichnung eine
Steigerung nach der Seite des Ausdrucks ermöglichen.

In dreifacher Hinsicht kann der Entwurf eine »Er-
höhung« erfahren: Zunächst vermögen wir im Entwurf
immer reinere Formen und Verhältnisse heraus
zu arbeiten. Hier fehlt ja noch so gut wie alles. Es ist
entschieden zweckmäßiger, die Klärung und Sichtung
der Formen, das Erspüren der Musik reiner Proportionen
auf dem Papier erfolgen zu lassen, als jeden unausge-
gorenen Entwurf sofort in das kostbare Material umzu-
setzen. — Zweitens lassen sich noch intensiver als bisher
die Elemente der Raumstimmung mit den graphi-
schen Mitteln dartun. Die Schlichtheit des Einfachen,
das Behagliche des Altertümlichen, das Rassig-Aggressive
der neuzeitlichen Formungen. — Endlich sind unbegrenzte
Möglichkeiten gegeben in dem hemmungslosen Ausdruck
persönlichen Formwillens (sofern nur wirklich
Formwille und Bildnerkraft d a sind), alle Träume raum-
künstlerischer Formung Gestalt werden zu lassen ....

*

Schaffen wir also lebensvolle Entwürfe, klar-
geformte Sehnsüchte, Bekenntnisse ehrlichen Formwil-
lens, die soviel Oberzeugungskraft haben, daß sie,
wie alle starken Geist-Verdichtungen, sich die Inkar-
nierung in die Materie erzwingen! . . . hugo lang.
 
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