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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 31.1920

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Lang, Hugo: Wollen - Können - Erreichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10458#0333

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XXXI. JAHRGANG.

DARMSTADT.

OKTOBER 1920.

WOLLEN - KÖNNEN - ERREICHEN

durch hemmungen zum ziel

Unsere Wünsche, sagt Goethe, sind »Vor-
gefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen,
Vorboten desjenigen, was wir zu leisten im
Stande sein werden . . . Was wir können und
möchten, stellt sich unserer Einbildungskraft außer
uns und in der Zukunft dar; wir fühlen eine Sehn-
sucht nach dem, was wir schon im Stillen be-
sitzen! So verwandelt ein leidenschaftliches
Voraus-Ergreifen das Wahrhaft-Mögliche in ein
erträumtes Wirkliche .... Liegt nun eine solche
Richtung entschieden in unserer Natur, so
wird mit jedem Schritt unserer Entwicklung ein
Teil des ersten Wunsches erfüllt, — bei günstigen
Umständen auf dem geraden Wege, bei un-
günstigen auf einem Umwege, von dem wir
immer wieder nach jenem einlenken!« . . . .

Dieser feinfühlig entsiegelnde Gedankengang
des »Psycho-Analytikers« Goethe, — dieses Er-
kennen der Zusammenhänge zwischen Geistigem
und Grobwirklichem, zwischen momentanem Ge-
schehen und Werdendem, Kommenden, — läßt
sich in Beziehung bringen zu einem anderen Wort,
das in unserer Zeit der ungewissen Zukunft einen
gewissen Halt gibt. Es lautet: »Wenn der Feigen-
baum Knospen treibt, so wisset Ihr, daß der

Sommer nahe ist. .« N i c h t ist gesagt, daß dieser
Feigenbaum Früchte bringen wird, tausend Hem-
mungen können sein Blühen, Reifen hindern. Aber
das weiß der Beobachter mit Gewißheit: daß
der Sommer — mit Blüten und Frucht — kommt!

Die Nutzanwendung dieser Worte? Auf
unsere Zeit, auf unsere Produktion, auf unsere
Baukunst bezogen, läßt sich etwa sagen: Als
mit fieberhafter Hast Panzer und Kanonen pro-
duziert wurden, da war es für den Beobachter
nicht schwer, den kommenden Krieg zu er-
kennen. Und weiter: Jetzt, da die produk-
tive Arbeit Wunsch, Sehnsucht und Wille des
großen Volks-Anteiles ist, da Messen und Aus-
stellungen im Osten und Westen Handel und Ab-
satz zu heben suchen, — da die hohe Baulust
auflebt und, — durch die Not der Zeit gedrängt —
der Wunsch nach Haus und Wohnung, nach
Bau und Wohn - Einrichtung aller Art in aller
Munde ist . . . Nicht läßt es sich erkennen, ob
uns Erfüllung wird, — aber mit Gewißheit läßt
sich sagen: die »erträumte Wirklichkeit« und
die Richtung ist da, in der wir, auf geradem Weg,
oder, wenn es sein muß, auf mühevollem Umweg
dem ersehnten Ziele zustreben! hugo lang.

1920. x. 1.
 
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