Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 31.1920
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https://doi.org/10.11588/diglit.10458#0099
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Ein Landhaus in Oberbayern
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EIN LANDHAUS IN OBERBAYERN
MIT EINRICHTUNG VON PAUL HULDSCHINSKY
Es gibt Künstler, die so viele Möglichkeiten
kennen, daß ihnen mehr gedient ist mit einem
Auftrage, der ihrer Erfindungsgabe Zügel anlegt,
als mit einem Anlaß zur unbegrenzten Entfaltung
ihrer Phantasie . . . Paul Huldschinsky, von
dem diese Blätter schon des öfteren Proben
seines delikaten Geschmackes gebracht haben,
bietet in der Arbeit, der diese Seiten gewidmet
sind, einen neuen Beweis dafür. Seine besondere
Einfühlungsgabe, sein Orientiertsein in den Lebens-
formen der anspruchsvollsten Auftraggeber eignet
ihn in besonderem Maße zum Ratgeber und
Manne der Tat, wo es gilt, ein Besitztum, das
in seiner bestehenden Gestalt dem alten oder
neuen Eigentümer nicht mehr Genüge leistet,
umzuformen. Bei dem vorliegenden Falle handelt
es sich zum Beispiel um folgende Aufgabe: Das
Haus Grüneck, in einem engen Tal der ober-
bayrischen Berge gelegen, trägt äußerlich den
landesüblichen Charakter eines wohlhabenden
Hofes. Dieses Gepräge ist bei dem — von
Architekt Wilhelm G o e h r e - Berlin — geschickt
durchgeführten Umbau des Hauses, trotz man-
cherlei graziöserer Zutaten, vollkommen erhalten
geblieben. Das Innere des geräumigen Land-
hauses sollte den Bedürfnissen eines verwöhnten,
gut montierten Haushalts genügen. Es ist dem
Taktgefühl des Innenarchitekten hoch anzurechnen,
daß er von vornherein davon absah, für nord-
deutsche Großstädter einen spezifisch bajuvari-
schen Bauern-Landhausstil zu wählen, der sonst
in Oberbayern in oft geradezu absurder Weise
Verwendung findet. Andererseits sollte der ein-
same Landsitz auch selbstverständlich in keiner
Weise das Gepräge einer städtischen Villa tragen.
So wählte Huldschinsky eine Art primitiven,
ländlichen Rokokos, das ihm die Möglichkeit
gab, eine liebenswürdig-täppische Grazie zu ent-
wickeln. Mit glücklicher Hand mischte er alte
und neue Sachen, farbenfrohe moderne Tapeten
und Wandstoffe, behagliche, alte Kachelöfen,
lustige Kreuzstichteppiche zu einem ländlichen
Reigen, der durch die starke, ausdrucksvolle
Farbe allein zusammengehalten wird........
Dieser wichtigste Faktor kommt natürlich auf
den Abbildungen leider nicht zur Geltung. Er-
wähnt seien daher an dieser Stelle noch die
reizvollen Harmonien des grün-goldenen Speise-
zimmers (Seite 108—111) mit viel rosa Tönen
in Stoffen und Bezügen, die gewagt gelb ange-
1930. in. i.
MIT EINRICHTUNG VON PAUL HULDSCHINSKY
Es gibt Künstler, die so viele Möglichkeiten
kennen, daß ihnen mehr gedient ist mit einem
Auftrage, der ihrer Erfindungsgabe Zügel anlegt,
als mit einem Anlaß zur unbegrenzten Entfaltung
ihrer Phantasie . . . Paul Huldschinsky, von
dem diese Blätter schon des öfteren Proben
seines delikaten Geschmackes gebracht haben,
bietet in der Arbeit, der diese Seiten gewidmet
sind, einen neuen Beweis dafür. Seine besondere
Einfühlungsgabe, sein Orientiertsein in den Lebens-
formen der anspruchsvollsten Auftraggeber eignet
ihn in besonderem Maße zum Ratgeber und
Manne der Tat, wo es gilt, ein Besitztum, das
in seiner bestehenden Gestalt dem alten oder
neuen Eigentümer nicht mehr Genüge leistet,
umzuformen. Bei dem vorliegenden Falle handelt
es sich zum Beispiel um folgende Aufgabe: Das
Haus Grüneck, in einem engen Tal der ober-
bayrischen Berge gelegen, trägt äußerlich den
landesüblichen Charakter eines wohlhabenden
Hofes. Dieses Gepräge ist bei dem — von
Architekt Wilhelm G o e h r e - Berlin — geschickt
durchgeführten Umbau des Hauses, trotz man-
cherlei graziöserer Zutaten, vollkommen erhalten
geblieben. Das Innere des geräumigen Land-
hauses sollte den Bedürfnissen eines verwöhnten,
gut montierten Haushalts genügen. Es ist dem
Taktgefühl des Innenarchitekten hoch anzurechnen,
daß er von vornherein davon absah, für nord-
deutsche Großstädter einen spezifisch bajuvari-
schen Bauern-Landhausstil zu wählen, der sonst
in Oberbayern in oft geradezu absurder Weise
Verwendung findet. Andererseits sollte der ein-
same Landsitz auch selbstverständlich in keiner
Weise das Gepräge einer städtischen Villa tragen.
So wählte Huldschinsky eine Art primitiven,
ländlichen Rokokos, das ihm die Möglichkeit
gab, eine liebenswürdig-täppische Grazie zu ent-
wickeln. Mit glücklicher Hand mischte er alte
und neue Sachen, farbenfrohe moderne Tapeten
und Wandstoffe, behagliche, alte Kachelöfen,
lustige Kreuzstichteppiche zu einem ländlichen
Reigen, der durch die starke, ausdrucksvolle
Farbe allein zusammengehalten wird........
Dieser wichtigste Faktor kommt natürlich auf
den Abbildungen leider nicht zur Geltung. Er-
wähnt seien daher an dieser Stelle noch die
reizvollen Harmonien des grün-goldenen Speise-
zimmers (Seite 108—111) mit viel rosa Tönen
in Stoffen und Bezügen, die gewagt gelb ange-
1930. in. i.