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Jahrbücher für Kunstwissenschaft — 4.1871

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Bibliographie und Auszüge
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https://doi.org/10.11588/diglit.49880#0107

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in Palermo.

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und völlig die neuen sarazenischen Einflüsse adoptirte. Es erklärt diess
wohl zum grössten Theil die hohe Blüthe, zu welcher die Stadt unter
den neuen Herrschern gelangte, namentlich seitdem diese selbst von dem
afrikanischen Hofe sich befreit hatten. Die Schilderung Ibn-Hankals aus
der zweiten Hälfte des X. Jahrhunderts giebt ein wahrhaft glänzendes
Bild von der Blüthe Palermo’s. Damals enthielt Palermo allein 300
Moscheen, die Zahl der Einwohner belief sich auf annähernd 300,000,
sie übertraf also bei Weitem die heutige, die nur 170,000 Seelen begreift.
Bei solchen Verhältnissen kann es nicht überraschen, wenn die arabische
Bildung noch lange fortlebte, um so weniger als man weiss, dass dieselbe
auch von den normannischen Herrschern nicht bloss geduldet, sondern viel-
fach sogar gehoben wurde. Der Verfasser sucht nun das Bild dieser
verschiedenen Cultureinflüsse auch in den Kunstdenkmälern nachzuweisen.
Diejenigen Baudenkmäler, welche zunächst in Betracht kommen,
stammen alle aus den mittleren Jahrzehnten des XII. Jahrhunderts. Voran
steht die Kirche S. Giovanni degli Eremiti (erb. 1132) der Grundriss
(vergl. denselben bei Kugler, Bank.: II. S. HO) besteht aus einem ein-
schiffigen Langhause, dem sich ein schmales Querschiff und die flachrund
nach aussen vortretende Hauptapsis anschliessen. Die beiden ersteren
Räume sind durch spitzbogige Gurten in quadratische Joche getheilt, auf
denen die stark überhöhten Kuppeln ohne Weitere Bedachung nach aussen
hervortreten. Der Anblick des Aeusseren, wo auch der Thurm mit einer
Kuppel bekrönt ist, giebt völlig den Eindruck eines orientalischen Ge-
bäudes (vergl. die Abbildung auf Taf. 1), wogegen allerdings die Con-
struction der Gewölbe von der im Oriente und namentlich bei den Byzan-
tinern üblichen Regel abweicht. Aus der Beschreibung (der Mangel
eines geometrischen Schnittes ist hier sehr empfindlich) geht nämlich her-
vor, dass hier nicht die einfache und klare Construction der sogenannten
„Pendentif- oder Zwickelkuppel“ vorliegt, sondern dass der Uebergang
von dem Quadrate der Tragebögen zum Kreisrund der Kuppel erst durch
eine achteckige Basis vorbereitet wird. Die pag. 13 unerledigte Frage:
ob die Bauform dieser Kirche auch auf alten byzantinischen Traditionen
beruhe, oder ob sie eine neue sarazenische Weise bezeichne, scheint sich
demnach klar und bündig zu beantworten. Die hier angewendete Kuppel-
construction ist entschieden keine byzantinische, sondern sie stellt einen
blossen Versuch oder, wenn man will, einen Rückschritt auf die compli-
cirtere altchristliche Bauweise dar. Der Typus von S. Giovanni degli
Eremiti wiederholt sich in keiner palermitanischen Kirche mehr. Häufiger
ist eine andere Grundform, und zwar eine solche, die dann allerdings
ganz unmittelbar auf byzantinische Muster hinweist. Das Centrum der
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