Jahrbücher für Kunstwissenschaft (4.1871)

Unbekannte Bildnisse von Dürers Fran und Mutter.
I. In dem grossen Bande mit Dürer’schen Handzeichnungen im
British Museum, Bl. 49:
Bildniss einer ziemlich wohlbeleibten Frau in mittleren Jahren. Der
lebensgrosse Kopf ist gegen links gerichtet und mit einer Haube bedeckt.
Eigenthümlich sind die fast geschlossenen Augen, deren Lider wie ge-
lähmt erscheinen. Auf beiden Seiten steht die Inschrift:
. . Hab [ich] Albrecht dürer noch 1522
[min]er hausfrawen conterfett
Kreidezeichnung auf grünem Papier. Die Zeichnung wie die Schrift
haben gelitten. Die eingeklammerten Buchstaben fehlen. Waagen nennt
das Blatt in den Treasures, hat aber die Schrift nicht gelesen.
So bildet diese Zeichnung einen Nachtrag zu den Bildnissen der
Frau Agnes, welche M. Thausing in Bd. IV. der Zeitschrift für bildende
Kunst nachgewiesen. — Mir schien dieses Gesicht mit einer jungen Frau,
die in einer vortrefflichen 1503 datirten Kohlenzeichnung von Durer im
2. Saal des Berliner Kupferstichcabinets hängt, Aehnlichkeit zu haben. —
(Photolithographie in der kürzlich von den Gebr. Burkhard herausgege-
benen Sammlung, und zwar, wie Thausing wohl mit Recht behauptet,
eines der wenigen ächten Blätter derselben).
II. In der Sammlung des Herrn Ambroise-Firmin Didot zu Paris
befindet sich ein Blatt, das von Dürers Hand die Bezeichnung trägt:
1514 an oculy
Dz ist albrecht durers
mutter dy was alt 63 Jore
Darunter, in kleiner Schrift: Vnd ist verschiden
Jm 1514 Jor
am erichtag vor
der crewtzwochen
vm zwey yn [n]acht.