Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 4.1889

DOI Artikel:
Weizsäcker, Paul: Zum Herakles Epitrapezios
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36644#0116
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
io6


unter, das 1. über dem Knie abgebrochen, doch so, dafs sich deutlich erkennen
läfst, dals jenes eingezogen, dieses ausgestreckt war. Sonst ist die Erhaltung im
ganzen sehr gut; an der R. ist der Zeigefinger, an der L. Zeige- und Mittelfinger
abgebrochen, die Attribute in den Händen sind verloren. Etwas über dem Nabel
ist ein länglicher Rifs; eine ähnliche Abscheuerung wie an der Nase bemerkt man
an der 1. Wange und Brust. Die Bronze hat eine schöne Patina.
Wie der Umrifs der Sitzfläche zeigt (der moderne Untersatz auf der Abbil-
dung diente nur zur Aufstellung der Figur beim Photographieren), safs Herakles auf
einem unregeimäfsig gestalteten Sitz, also zweifellos auf einem Felsen, auf dem wohl
die Eöwenhaut ausgebreitet war. Der muskulöse Oberleib ist zurückgelehnt mit leichter
Drehung der Körperachse nach links, so dafs die r. Hälfte etwas vor-, die 1. etwas
zurücktritt. Der Kopf ist verhältnismäfsig klein, wie gewöhnlich bei Plerakles; er
sitzt auf einem kräftigen Halse und ist von der Mittelachse etwas nach r. gedreht
und zimückgeneigt, so dafs ein lebendiges Widerspiel der Haltung von Körper und
Kopf entsteht. Die Stirn ist durch eine Querfurche in einen stark vortretenden
unteren und einen zurücktretenden Oberteil getrennt. Das volle kurz gelockte
Haupthaar und der starke Vollbart vollenden den bekannten Heraklestypus des
Kopfes. Die Nase ist kräftig und erscheint durch die Verstümmelung noch breiter,
der Mund ist geöffnet mit etwas herabhängender Oberlippe, die Augen weit ge-
öffnet mit Andeutung der Sterne, die Augenbrauen etwas emporgezogen, wodurch
in Verbindung mit der ganzen Haltung der Ausdruck eines vorgeschrittenen Sta-
diums trunkener Weinlaune erreicht ist, eines Stadiums, in dem der Trinker zu
lallen oder zu singen scheint. In dieser Auffassung nähert sich allerdings die Hera-
klesbildung hier, wie sonst häufig, derjenigen der lustigen Gesellen des Bakchos, und
so erklärt sich auch die anfängliche Verwechslung unseres Herakles mit einem
Satyr. Zu diesen den Herakles als »Bakchosbruder« charakterisirenden Zügen
stimmt auch die Bekränzung des Hauptes mit einem mächtigen Eichenkranz,
dessen Bänder rechts vorn, links hinten über die Schultern niederwallen. Die mus-
kulösen Arme sind bis zum Ellbogen gesenkt, und zwar der Körperwendung ent-
sprechend der rechte etwas nach vorn, der linke etwas nach hinten. Die PInterarme
sind beide vorgestreckt, der 1. so, dafs die innere Handfläche mit etwas eingebo-
genem kleinem, Ringfinger und Daumen nach oben sieht, also ganz geeignet ist, ein
Trinkgefäfs zu halten und zwar eher einen Skyphos, als eine Schale; der r. so, dafs
in der Vorderansicht der Handrücken und der gerade ausgestreckte Daumen sicht-
bar wird. Keller und Haug^ vermuten, dafs er in der R. ein gröfseres Gefäfs ge-
halten habe, aus dem er sich einschenkte. Allein ein solches hätte nicht nur zwischen
Schenkel und Hand keinen genügenden Raum, sondern es schliefst auch die weite
Öffnung der R. diese Möglichkeit aus. Dagegen läfst sich hier ungezwungen die
an den Schenkel oder Felsensitz gelehnte Keule einfügen, welche die Hand des
Trunkenen nur noch lose umspannt. Damit haben wir ein Gesamtbild, das trefflich
den in seliger Ruhe den Genüssen des Bakchos huldigenden Herakles darstellt und

p Keller a. a. O., Haug, Korresp.-Bl. der Westd. Ztschr. VI, n. iß6.
 
Annotationen