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Rücken des Tieres, sondern ist frei an die linke Seite angelehnt; das linke Bein ist
auffällig hoch in die Luft gestreckt, etwas übermäfsig keck geschwungen. Der
Mann ist nackt bis auf die spiralförmigen Spangen um die Knöchel und unterhalb
der Kniee f
Drei Fragen sind es vornehmlich, welche sich wie an jedes Stück der sog.
mykenischen Cultur so auch an die beschriebene Darstellung anknüpfen und von
deren Beantwortung im einzelnen das Gesammturteil über diese Cultur abhängt:
erstlich, was bedeutet das Wandgemälde, zweitens welcher Nation war der, der es
malen liefs, d. h. der Fürst, der den Palast von Tiryns einst bewohnte, und schliefs-
lich welcher Nation und welchen Stamms der Maler der es gemalt. Anregung durch
ägyptische Vorbilder beweisen Ornamente wie das auf Tafel V bei Schliemann (ver-
glichen z. B. mit Perrot-Chipiez I S. 809, Fig. $41,7): die Stiergruppe aber zeigt kei-
nerlei Verwandtschaft mit ägyptischen Wandmalereien, weder hinsichtlich des Stils
noch der Fertigkeit. Der Maler scheint noch nicht die für die Frescomalerei not-
wendige Sicherheit im Zeichnen gehabt zu haben. Zwei oder mehr Entwürfe waren
mifsraten und mufsten durch Übermalen unsichtbar gemacht werden: infolge des
Abblätterns der blauen übergemalten Grundfarbe sind die früheren Entwürfe des
Schweifes und der Vorderfüfse zum Vorschein gekommen. Mit dieser Unsicherheit
hängt offenbar zusammen dafs die Vorderbeine des Tieres viel zu klein geraten, die
Oberschenkel des Mannes vollständig verzeichnet sind, die Hüften ihm eigentlich
fehlen. Das ganze macht einen durchaus originellen, aber, wie mir scheint, keinen
sehr erfreulichen Eindruck durch die Starrheit und die Stumpfheit der Ausführung.
Es hat fast den Anschein als hätte der Maler keinen lebenden Stier, sondern ein
rotgestrichenes Holzbild oder eine gebrannte Thonfigur eines Stiers abmalen wollen.
Auch die Art wie die Schnauze und die Nüstern durch parallele Spirallinien dar-
gestellt sind, zeugt von einer conventionellen Erstarrung, zu der in sehr fühlbarem
Gegensatz steht die wilde Bewegtheit der Darstellung selbst, vor allem die auffal-
lende Art wie der Mann sein linkes Bein hoch in die Luft wirft, characteristisch
für das übermäfsige Bestreben der Kunst in ihrer Kindheit, die Schnelligkeit der
Bewegungen dem Beschauer möglichst klar erkennbar zu machen.
Die Frage inwieweit die mykenische Cultur griechisch und das Volk, das
in Thessalien, Böotien und Attica, in Argolis und im Eurotastal die Spuren dieser
Cultur hinterlassen hat, den späteren Hellenen stammverwandt ist, harrt noch der
Entscheidung. Diese Entscheidung wird dadurch wesentlich erschwert, dafs einer-
seits unter den gefundenen Stücken verhältnismäfsig wenig vorliegt, was an sich
eine unmittelbare Beziehung auf die spätere hellenische Cultur aufweist, andernteils
eine Vergleichung der Darstellungsweise und des Stils mit späteren griechischen
Kunstwerken deshalb sehr mifslich ist, weil die mykenische Cultur uns den End-
245 f.).
Rücken des Tieres, sondern ist frei an die linke Seite angelehnt; das linke Bein ist
auffällig hoch in die Luft gestreckt, etwas übermäfsig keck geschwungen. Der
Mann ist nackt bis auf die spiralförmigen Spangen um die Knöchel und unterhalb
der Kniee f
Drei Fragen sind es vornehmlich, welche sich wie an jedes Stück der sog.
mykenischen Cultur so auch an die beschriebene Darstellung anknüpfen und von
deren Beantwortung im einzelnen das Gesammturteil über diese Cultur abhängt:
erstlich, was bedeutet das Wandgemälde, zweitens welcher Nation war der, der es
malen liefs, d. h. der Fürst, der den Palast von Tiryns einst bewohnte, und schliefs-
lich welcher Nation und welchen Stamms der Maler der es gemalt. Anregung durch
ägyptische Vorbilder beweisen Ornamente wie das auf Tafel V bei Schliemann (ver-
glichen z. B. mit Perrot-Chipiez I S. 809, Fig. $41,7): die Stiergruppe aber zeigt kei-
nerlei Verwandtschaft mit ägyptischen Wandmalereien, weder hinsichtlich des Stils
noch der Fertigkeit. Der Maler scheint noch nicht die für die Frescomalerei not-
wendige Sicherheit im Zeichnen gehabt zu haben. Zwei oder mehr Entwürfe waren
mifsraten und mufsten durch Übermalen unsichtbar gemacht werden: infolge des
Abblätterns der blauen übergemalten Grundfarbe sind die früheren Entwürfe des
Schweifes und der Vorderfüfse zum Vorschein gekommen. Mit dieser Unsicherheit
hängt offenbar zusammen dafs die Vorderbeine des Tieres viel zu klein geraten, die
Oberschenkel des Mannes vollständig verzeichnet sind, die Hüften ihm eigentlich
fehlen. Das ganze macht einen durchaus originellen, aber, wie mir scheint, keinen
sehr erfreulichen Eindruck durch die Starrheit und die Stumpfheit der Ausführung.
Es hat fast den Anschein als hätte der Maler keinen lebenden Stier, sondern ein
rotgestrichenes Holzbild oder eine gebrannte Thonfigur eines Stiers abmalen wollen.
Auch die Art wie die Schnauze und die Nüstern durch parallele Spirallinien dar-
gestellt sind, zeugt von einer conventionellen Erstarrung, zu der in sehr fühlbarem
Gegensatz steht die wilde Bewegtheit der Darstellung selbst, vor allem die auffal-
lende Art wie der Mann sein linkes Bein hoch in die Luft wirft, characteristisch
für das übermäfsige Bestreben der Kunst in ihrer Kindheit, die Schnelligkeit der
Bewegungen dem Beschauer möglichst klar erkennbar zu machen.
Die Frage inwieweit die mykenische Cultur griechisch und das Volk, das
in Thessalien, Böotien und Attica, in Argolis und im Eurotastal die Spuren dieser
Cultur hinterlassen hat, den späteren Hellenen stammverwandt ist, harrt noch der
Entscheidung. Diese Entscheidung wird dadurch wesentlich erschwert, dafs einer-
seits unter den gefundenen Stücken verhältnismäfsig wenig vorliegt, was an sich
eine unmittelbare Beziehung auf die spätere hellenische Cultur aufweist, andernteils
eine Vergleichung der Darstellungsweise und des Stils mit späteren griechischen
Kunstwerken deshalb sehr mifslich ist, weil die mykenische Cultur uns den End-
245 f.).