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Jones, Owen; Jones, Owen [Hrsg.]
Grammatik der Ornamente — London: Day, 1856

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https://doi.org/10.11588/diglit.17930#0215
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ORNAMENTE DER RENAISSANCE.

Die Kunst Thongeschirre mit Glasur zu bekleiden, wurde, wie es scheint, in Spanien und den balearischen
Inseln zuerst durch die Mauren bekannt gemacht, die von jeher die zur Verzierung ihrer Wohnung dienenden
Kacheln mit Schmelz zu glasiren pflegten. Das unter dem Namen " Majolika " bekannte Thongeschirr soll
seinen Namen von der Insel Majorca abgeleitet haben, von wo, wie man glaubt, die Kunst glasirtes Thon-
geschirr anzufertigen, nach dem Innern Italiens verpflanzt worden war. Diese Muthmassung wird übrigens
durch den Umstand bestätigt, dass die frühen italienischen Thonarbeiten mit geometrischen Mustern und
kleeblattförmigen Laubwerk sarazenischen Charakters verziert waren (Tafeln LXXIX. und LXXX., Fig. 31
und 13). Diese Art Waare gebrauchte man zuerst in der Form concaver farbiger Kacheln, die hie und da
in den Ziegelmauern angebracht wurden, und später zu enkaustischen Fussböden dienten. Von 1450 bis
1700 betrieb man diese Fabrikation mit grosser Thätigkeit in den Städten Nocera, Arezzo, Citta di Castillo,
Forli, Faenza (daher kommt der Name Fayence), Florenz, Spello, Perugia, Deruta, Bologna, Kimini,
Ferrara, Pesaro, Fermignano, Castel Durante, Gubbio, Urbino, Eävenna, und auch in manchen Ortschaften
der Abruzzen; doch war es unstreitig in der Stadt Pesaro, dass die Majoliken zuerst einige Bedeutung und
Berühmtheit erlangten. Man nannte diese Arbeiten zuerst mezza oder Halb-Majoliken, und sie bestanden
gewöhnlich aus dicken, schwerfälligen, oft sehr grossen Tellern von dunkelgrauer Farbe, häufig mit matt-
gelber Glasur an der Eückseite versehen. Der Stoff ist grob und griesig, zeigt hie und da einen goldenen
oder prismatischen Glanz, doch öfters eine perlenfarbige Tinte. Diese Halbmajolika-Arbeiten wurden,
wie Passeri und andere Schriftsteller uns berichten, im fünfzehnten Jahrhundert angefertigt, und machten
erst später den feinen Majoliken Platz.

Lucca Deila Eobbia, geboren zu Florenz im Jahre 1339, entdeckte eine neue Art Schmelz, der, wie man
glaubt, aus einem Gemisch von Spiessglas, Zinn und andern mineralischen Substanzen bestand, und als
Glasur auf die von ihm modellirten Statuen und Basreliefs von Terracotta aufgelegt wurde. Die Familie
des Erfinders bewahrte das Geheimniss bis es beim Tode des letzten Mitgliedes derselben ganz verloren
ging. Man hat zu Florenz die Fabrikation der Majoliken des Deila Eobbia wieder ins Leben zu rufen ver-
sucht, doch mit geringem Erfolg, indem die Anfertigung derselben mit grossen Schwierigkeiten verbunden
ist. Die Gegenstände der Basreliefs des Deila Eobbia sind meistens religiösen Charakters, der in den glän-
zend weissen Figuren aufs vortheilhafteste hervortritt. Die Augen sind geschwärzt, um den Ausdruck der-
selben zu erhöhen, während die weissen Figuren selbst mittelst des dunkel-blauen Grundes hervorgehoben
werden. Die Nachfolger des Deila Eobbia fügten Kränze von Blumen und Früchten in ihren natürlichen
Farben hinzu, und einige von ihnen pflegten die Bekleidung der Figuren zu coloriren, während sie die un-
bekleideten Körpertheile ohne Glasur Hessen. Passeri behauptet, dass die Entdeckung dieser farbigen
Glasur schon früher in Pesaro gemacht worden sei, wo man schon im vierzehnten Jahrhundert Thongeschirr
anfertigte; aber obgleich die Kunst, Schmelz mit Farben zu vermengen, schon früh bekannt gewesen sein
mochte, erlangte dieselbe ihre Bedeutung erst im Jahre 1462, als Matteo di Eaniere von Cagli, und Ventura
di Maestro Simone dei Piccolomini von Sienna, sich in Pesaro niederliessen, um die daselbst bestehenden
Fabriken zu leiten; und wahrscheinlich zogen die Arbeiten Deila Eobbias, der für Sigismondo Pandolfo
Malatesta zu Eimini gearbeitet hatte, die Aufmerksamkeit dieser Männer auf sich. Es herrscht einige
Ungewissheit in Bezug auf das von Deila Eobbia entdeckte Verfahren, welches von ihm selbst und von
seiner Familie als ein höchst schätzbares Geheimniss betrachtet wurde. Nach unserer Ansicht lag dieses
Geheimniss vielmehr in der gehörigen Mischung des Thons und in dem zweckmässigen und vollkommenen
Durchbrennen desselben als in der schützenden Glasur, deren Anfertigung, wie es scheint, wenig Neues
oder Verhehlungswerthes enthielt.

Was man in den "feinen" Majoliken von Gubbio besonders suchte, war der prismatische Schimmer, und
eine glänzend weisse, durchsichtige Glasur. Der metallische Schimmer wurde mittelst Zubereitungen von
Blei, Silber, Kupfer und Gold hervorgebracht, und in dieser Hinsicht übertrafen die Majoliken von Gubbio
alle andern. Die blendend weisse Glasur bestand aus einem von Zinn bereiteten Schmelz, in welchen
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