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Junge, Friedrich
Syntax der mittelägyptischen Literatursprache: Grundlagen einer Strukturtheorie — Mainz/​Rhein: Verlag Philipp von Zabern, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.70996#0019
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1973) zurückgreifen kann, in der Regel bekannt ist. Nur selten werden sich darüber hinaus -
wenn nicht in systematischem Zusammenhang behandelt — die morphologischen Bestimmungen
hier von den üblichen unterscheiden, denn ich gehe von der grundsätzlichen, allgemeinen
Richtigkeit der bisherigen Auffassung der im folgenden behandelten Texte aus; mein Interesse
gilt der Verbindung von Satzelementen und Sätzen und den Abhängigkeiten von Aussage-
nuancen - die aber kaum je das entscheidend ändern werden, was man grob als „Sinn" eines
Textes oder Textstückes bezeichnen könnte.
1.3 Gegenstand
Die Frage nach dem „Sprecher" und seinen Eigenschaften ist aber auch — insbesondere bei
fremden oder toten Sprachen — die Frage nach der „Sprache", nämlich welche der — faßbaren —
zeitlichen, geographischen, sozialen, individuellen Stufen einer Sprache gleichzeitig den theore-
tischen Anforderungen entgegenkommt und doch zweckmäßig zu handhaben ist. Dabei sind
einige Abstraktionen sozusagen auf ihre möglichen Reflexe in der Realität hin zu befragen,
etwa
— „Synchronie": Es ist eine Sprachstufe zu wählen, die der Lückenhaftigkeit der Textlage bei
wirklichen Zeitschnitten durch lange Geltungsdauer so entgegenwirkt, daß eine ausreichende
Menge geeigneter Äußerungen garantiert ist, die Ausgangsdaten liefern und Hypothesen zu
überprüfen gestatten;
— „homogene Sprachgemeinschaft": Wenn überhaupt, ist sie nur durch das Medium von
Texten erfaßbar, über die „Schriftsprache" einer Schicht, die sich flüssig und modulations-
fähig schriftlich auszudrücken gelernt hat; über eine „Standardsprache" (wie etwa Hoch-
deutsch), die gesellschaftlich so verbindlich ist, daß Abweichungen geographischer, sozialer
oder privater Art (Dialekte, Soziolekte) unterdrückt werden, und die von so großem Einfluß
ist, daß sich hinreichend viele Sprecher ihrer bedienen (Texte produzieren);
- „ausgezeichnete Kenntnis": Sie erfordert eine gesprochene, „natürliche" Sprache oder ihre
Widerspiegelungen in Texten, bei der die sprachliche Intuition der Sprecher voll wirksam ist,
also keine „klassische", außerhalb des täglichen Gebrauchs geratene; der Text muß sich an
Leser/Hörer wenden, der Mitteilung (Erzählung) dienen, nicht rituellen/kultischen/ma-
gischen Zwecken, bei denen unter Umständen Wortmystik, Formeln, Tradition die Versteh-
barkeit sekundär sein lassen - und schon gar nicht darf er als unzugänglicher konzipiert ge-
wesen sein;
— „wenig Performanzeinflüsse": Dies setzt mindestens eine bewußte Ausdrucksweise voraus, die
auf die Sprache gerichtete Aufmerksamkeit verrät und für die häufig intuitive „Grammatikali-
tätsentscheidungen" des Sprechers nötig sind; dann um solcher Ausdrucksweise willen über-
lieferte Texte, die dennoch nicht poetisch stark stilisiert sein dürfen; keine Texte, die aus-
schließlich informieren sollen; Originaltexte oder zumindest solche Abschriften, die aus der
Entstehungszeit stammen und wenig sofort erkennbare Abschreibfehler enthalten;
- „Verständlichkeit": Das allgemeine Textverständnis muß gewährleistet sein.
Nach dieser Liste von Forderungen kann in Ägypten wohl nur eines überhaupt in Frage
kommen: Mittelägyptisch. Aber auch nicht das prestige-verratende, aber „klassizistische" der
Urkunden oder ramessidischen Monumentalinschriften, deren Sprache nur das Superstrat einer
völlig gewandelten Gebrauchssprache ist, nicht das umgangssprachliche (s. Kroeber 1970,

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