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Justi, Carl
Winckelmann, sein Leben, seine Werke und seine Zeitgenossen: mit Skizzen zur Kunst- und Gelehrtengeschichte des 18. Jahrhunderts (Band 1): Winckelmann in Deutschland — Leipzig, 1866

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https://doi.org/10.11588/diglit.5984#0532
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Anhang.

515

VIII.

Gcdaiikcn vom iiiiiiidlicheii Bortrag dcr nciicren allgeinciiicn

Geschichtc.

AuS dcin Nachlaß Ocsers mitgcthcilt in W. G- BeckcrS Erholnngcn. 1500. I

Dicjcnige Wahrhcit, dic cin alrer gricchischcr Weltweiscr den Gclehrtcn
nbcrhanpt vorhält, hat sich insbesondcre Jcmand, der dic Geschichte mnndlich
vorzutragcn untcrnimmt, vorzuhaltcn: „Nicht dicjenigen, sagt dcr Weise, dic
am meistcn esscn und ihrcn Kvrpcr am mcistcn in Bewegung sctzcn, nicht die
sind die gesnndcstcn, svndern die dem Kvrpcr, was dcrsclbe fordcrt, gcbcn:
cben so wcrden nicht dicjcnigen, wclche viel, svndern wclche nützliche Sachen
lcsen, gclchrt."

Die Wahl dcs Nützlichen aber ist schwer, ja fast schwercr als dic Wahl
des Artigen nnd Schvncn.

Es gchört nntcr dic artigcn Nachrichten ;n wissen, daß Kaiscr Karl V.,
da cr im 2ahr 15^8 mit scincn Vvlkcrn vor Nanmbnrg gestandcn, scinen
sammctncn Mantcl, wcil cs angcfangcn zn rcgncn, wcggcgcbcn, nnd sich cincn
Mantcl von Filz, nm jcncn nicht zu vcrderbcn, rcichcn lasscn.

Es ist cine schvne Anccdvtc, wird man sagcn, wcnn man findct, daß
Erzhcrzvg Fcrdinand gedachtcm Kaiscr, scinem Brndcr, bci cincr Znsammcn-
knnft in Tirol das Waschbcckcn vorhaltcn müssen.

?Nan hat nicht Unrccht: dic crste "Nachrickit ist eincr von den Zügcn, die
bei Entwcrfnng des Charactcrs dicscs Kaiscrs cin Licht gebcn: die zwcite
Nachricht zeigt nns das Bctragen zweicr Prinzen nnd leiblichcn Brüder gegcn
cinandcr, nnd zuglcich dic bittcrc Ansübung dcr Supcrivrität cincs ältcrn re-
gicrcndcn Brndcrs übcr dcn jüngcrn.

Zn viclcn bckanntcn RcichSgcschichtcn wird man dcrglcichcn Zügc ver-
gebcnö snchcn: abcr es ist wcit nützlichcr ;n wisscn, daß Karl V. dnrch sci-
ncn langsamen Kopf die kaiscrlichc Würdc vor scinem Mitwcrber crhaltcn;
daß cin gcwisscs Phlcgma, wclchcs ihm cigcn war, ein Grnnd scincs Glücks
nnd der übcrwicgendcn Bortheile übcr Frankrcich gewesen; nnd daß er nichts
wcnigcr als ans Ucbcrzcugung vvn dcn Lchrcn Lcr Kirchc, dcr er zugctban
gcwcscn, dic Protcstantcn bckrlcget.

Dicsc nnd ähnliche Kcnntnissc, wcnn sie aus dcn crsten und wahrschcin-
lichstcn Qncllcn hcrgclcitct sind, geben dicjenigcn großcn Züge, wclche dcn
Kaiscr vvllkommcn schildern nnd nns von Lcm Jnncrsten scincr Scelc mit
mchrcrcr Znvcrlässigkeit zn urtheilcn crlanbcn, als aus scinem raren Portrait
von Ehristvph Ambcrger nach dem Lcben gemalt, nicht geschchcn kann.

Dic Wahrhcit ist zwar so ehrwürdig nnd so schätzbar, Laß sie auch in
dcn gcringsten Umständen, ja in angegebencn Tagen dcr Urkundcn selbst, nach
dcr eigcncn Nechtfertigüng eincs bekanntcn Gelchrtcn übcr derglcichen Unter-
snchnngcn, cincr ernsthaften Nachfvrschung würdig ist. Man übcrlassc anch
unserc meisten hentigen Geschichischrciber einem ftrcngen nnd tyrannischcn Gc-
sctz, wclchem sic ihrc cigcnc Wittkühr nnd Wahn nntcrworfcn, allcs zn schrci-
ben, was man schreibcn kann: in eincm mündlichcn Vortragc abcr kann man,
wic ich glanbc, cinigc Nachsicht fvrdern, wcnn man sich über Kleinigkeitcn

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